Fünf Aufträge an Regierung etwa zu Integrationsmaßnahmen und dem Beitritt der
EU zur EMRK
Wien (pk) - Angesichts der zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und der schwierigen Verhandlungen rund
um den EU-Flüchtlingsdeal mahnte Außenminister Sebastian Kurz am 12.05. im parlamentarischen Menschenrechtsausschuss
einen klaren Kurs gegenüber der Türkei ein. Langfristig gesehen warnte er vor möglichen Destabilisierungskonsequenzen",
die Verhandlungen mit der Türkei sollten seiner Meinung aber nicht sofort abgebrochen werden. Europa müsse
seine Selbstständigkeit bewahren und Maßnahmen gegen den Flüchtlingszustrom wie den Schutz der
EU-Außengrenzen eigenständig umsetzen. Die derzeitige Menschenrechtssituation in der Türkei wurde
von allen Parlamentsfraktionen im Ausschuss schwer angeprangert.
Geht es um die aktuell in Diskussion stehenden Rückführungsabkommen besonders im Zusammenhang mit dem
Brunnenmarkt-Mord, machte Kurz geltend, dass existierende Abkommen wie mit Kenia in der Praxis von der Kooperation
der Herkunftsländer abhängen. In der Realität würden Rückführungszertifikate oft
jahrelang nicht ausgestellt. "Wenn der Staat nicht möchte, funktioniert der Vollzug nicht", sagte
er. Den Vorschlag der NEOS, Rückübernahmeabkommen an die Auszahlung von Hilfsleistungen der Entwicklungszusammenarbeit
(EZA) zu knüpfen, unterstützt Kurz. Es braucht aus seiner Sicht diesen für ihn "einzigen Hebel"
auf EU-Ebene, die Bereitschaft der Herkunftsländer sei nämlich gering. Beispielsweise laufen die Verhandlungen
zwischen der EU und Marokko seit 14 Jahren erfolglos. Von Seiten der Grünen sprach sich Albert Steinhauser
gegen die Streichung von EZA-Geldern aus, die Kürzungen würden die dort ansässige Bevölkerung
treffen und damit neue Fluchtgründe geschaffen.
Hinsichtlich der Frage über den Status Ungarns als sicheres Drittland meinte Kurz, dass es sich beim Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs, durch das Ungarn als für Flüchtlinge nicht sicher eingestuft und die Überstellung
einer afghanischen Familie gestoppt wurde, um ein Einzelfallurteil handelt. International gesehen würde es
ein massives Problem darstellen, wenn selbst Rückführungen innerhalb der EU etwa nach Ungarn oder Griechenland
nicht mehr möglich sind.
Im Zusammenhang mit den Demonstrationen am Brenner gibt es keine Informationen darüber, dass sich ÖsterreicherInnen
in Haft befinden. Der Nationale Aktionsplan Migration, an dem im Innenministerium gearbeitet wird, soll zudem noch
2016 kommen.
Der Menschenrechtsausschuss fasste zudem fünf Entschließungen gegenüber der Regierung. Die Regierung
soll sich für den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), den internationalen
Schutz von MenschenrechtsaktivistInnen sowie für Reformbemühungen in Bahrain hinsichtlich der dort vorherrschenden
schwierigen Menschenrechtslage einsetzen.
Türkei soll in EU-Beitrittsverhandlungen in puncto Menschenrechte durchleuchtet werden
Auch in Sachen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei soll die Regierung aktiv werden. Sie soll darauf hinarbeiten,
dass die EU-Kommission im Zuge ihres Länderberichts für 2016 im Speziellen prüft, ob die Türkei
die Anforderungen für ein Beitrittsland in Sachen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Minderheitenschutz,
Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit noch erfüllt. Der Vorstoß wurde mehrheitlich ohne die Stimmen
der Freiheitlichen unterstützt. Basis dafür war ein Antrag der NEOS, in dem sie die laufenden Beitrittsverhandlungen
aufgrund der schwierigen Menschenrechtslage in der Türkei hinterfragen ( 1660/A(E)). Dass Österreich
angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen generell und zu der Verfolgung von KurdInnen im Speziellen "schweigt",
sei äußert bedenklich, wie Berivan Aslan (G) sagte. Geht es nach Anneliese Kitzmüller (F) sollten
die EU-Beitrittsverhandlungen sofort abgebrochen werden.
Der Menschenrechtsausschuss spricht sich außerdem in einer Entschließung einstimmig für eine 15a-Vereinbarung
zwischen Bund und Ländern aus, die den Ausbau bundeseinheitlicher Integrationsmaßnahmen für Asylberechtigte
wie etwa Deutschkurse enthält. Grundlage dafür gab ein Entschließungsantrag der NEOS für bundeseinheitliche
Integrationsmaßnahmen. ( 1205/A(E)) Grundsätzlich seien die Integrationsbemühungen in den Ländern
zu begrüßen, sagte Nikolaus Scherak (N), der "Fleckerlteppich" an Maßnahmen sei aber
nicht sinnvoll. Außenminister Kurz hält den Antrag für gut. Bei Asylberechtigen müssten Integrationsmaßnahmen
so früh wie möglich starten. Aus den Mitteln des Integrationstopfes sollen demnächst 12.000 zusätzliche
Deutschkursplätze geschaffen werden, wie er berichtete.
Auf der Tagesordnung stand außerdem ein Antrag der FPÖ betreffend Diskriminierung der deutschsprachigen
Volksgruppen in Slowenien, der vertagt wurde. Erneut verhandelt werden sollen außerdem zwei Anliegen der
Grünen hinsichtlich des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte und ein umfassenderes Diskriminierungsverbot
durch die Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls zur EMRK.
EU soll EMRK beitreten können
Die NEOS fordern die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, die primärrechtlichen
Regelungen, die nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs einem Beitritt der EU zur EMRK entgegenstehen,
abzuändern ( 929/A(E)). Denn nur dadurch sei laut Antragssteller Nikolaus Scherak lückenloser Rechtsschutz
für BürgerInnen innerhalb der EU möglich. Der Einzelne kann so nämlich mithilfe einer Klage
beim EGMR seine Rechte nicht nur gegenüber dem jeweiligen Nationalstaat, sondern auch gegenüber EU-Institutionen
geltend machen, wie er im Ausschuss klarmachte. FPÖ und das Team Stronach stimmten gegen die Entschließung.
Anneliese Kitzmüller (F) mutmaßte über einen ersten Schritt in Richtung "Vereinigte Staaten
Europas", Christoph Hagen (T) konnte den Mehrwert für die BürgerInnen nicht nachvollziehen. Außenminister
Kurz befürwortete den Beitritt der EU in die EMRK, damit würde aus seiner Sicht eine Lücke geschlossen.
Stärkung von MenschenrechtsaktivistInnen und Lage in Bahrain
Restriktive Gesetze in zahlreichen Staaten hätten die Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen in den vergangenen
Jahren massiv erschwert oder kriminalisiert. Die Regierung soll sich aus diesem Grund auf EU-Ebene sowie bei den
Vereinten Nationen für deren Stärkung einsetzen, fordern Franz Kirchgatterer (S) und Elisabeth Pfurtscheller
(V) in einem gemeinsamen Antrag ( 1676/A(E)). Etwa sollen nach Vorstellung der Abgeordneten die Umsetzungen der
EU-Leitlinie zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen sowie der "Guidelines on the Protection of Human
Rights Defenders" während des OSZE-Vorsitzes Österreichs im Jahr 2017 vorangetrieben werden. Der
Antrag wurde einstimmig angenommen.
Ein weiteres Anliegen ( 1677/A(E))der Koalitionsparteien im Parlament betrifft die Menschenrechtsprobleme in Bahrain,
wo RegierungskritikerInnen und MenschenrechtsaktivistInnen Repressalien und Verfolgung ausgesetzt sind, Folter
und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte auf der Tagesordnung stehen und massive rechtsstaatliche Mängel
vorherrschen, wie es im Antrag heißt. Der Vorstoß wurde mehrheitlich ohne die Stimmen der FPÖ
ins Plenum geschickt.
Nationaler Aktionsplan für Menschenrechte: Grüne machen weiter Druck
Nicht locker lassen die Grünen in ihrer Forderung auf einen Nationalen Aktionsplan Menschenrechte für
Österreich ( 88/A(A)).
Laut Harald Troch (S) befindet sich der Aktionsplan in Finalisierung. Alev Korun von den Grünen bemängelte,
dass der parlamentarische Menschenrechtsausschuss nicht in die Arbeit eingebunden wird. Ihr Antrag wurde schließlich
mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP erneut vertagt.
In die Vertagung schickten SPÖ und ÖVP abermals einen weiteren Antrag der Grünen Ausschussobfrau,
in dem sich ihre Fraktion für die Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention
( 332/A(E)) und damit für ein generelles und umfassenderes Diskriminierungsverbot in Österreich ausspricht.
FPÖ sorgt sich um deutschsprachige Minderheit in Slowenien
Einmal mehr beschäftigte sich der Menschenrechtsausschuss zudem mit der von der FPÖ aufs Tapet gebrachten
Diskriminierung der deutschen Volksgruppe in Slowenien. Dort seien Misshandlungen und psychische Belästigungen
von Kindern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur deutschsprachigen Volksgruppe durch Mitglieder der Partisanenverbände
keine Einzelfälle, sondern hätten in Slowenien System, wie Josef A. Riemer in einem Entschließungsantrag
( 985/A(E)) erklärt. Die Freiheitlichen fordern von Kurz politische und diplomatische Schritte, die die slowenische
Regierung zu Maßnahmen zur Vermeidung diskriminierender und gewalttätiger Aktionen durch Mitglieder
der Partisanenverbände veranlassen. Laut Außenminister hat sich die Situation für die Volksgruppe
in letzter Zeit weder verbessert, noch verschlechtert. Er wisse über die Unzufriedenheit der Menschen dort
Bescheid, von täglichen Angriffen sei ihm aber bis dato nichts berichtet worden. Der Vorstoß der FPÖ
wurde schließlich vertagt.
Menschenhandel: Opferschutz soll verbessert werden
Beschäftigt hat sich der Ausschuss außerdem mit dem Thema Menschenhandel. Grund dafür war ein von
der im Außenministerium eingesetzten Task Force vorgelegter Gesamtbericht ( III-177 d.B.), der neben dem
4. Nationalen Aktionsplan auch Tätigkeitsberichte über die Umsetzung des 3. Nationalen Aktionsplans sowie
von den Arbeitsgruppen Kinderhandel, Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung beinhaltet.
Das Berichtskonvolut wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen, die Idee der Grünen, das Thema
Menschenhandel aus der Tabuzone zu holen und öffentlich im Nationalrat zu diskutieren, stieß außer
bei den NEOS auf wenig Begeisterung bei den übrigen Fraktionen.
Laut Bericht sind es bis zu 350 Menschen, die jährlich von den heimischen Opferschutzeinrichtungen und NGOs
betreut werden. Attraktiv ist Österreich dabei als Transit- sowie Zielland. Die häufigste Form ist sexuelle
Ausbeutung, zu verzeichnen sind auch Fälle von Arbeitsausbeutung, Ausbeutung in der Bettelei und Kinderhandel.
Die meisten Opfer kommen aus östlichen EU-Mitgliedsstaaten und europäischen Drittstaaten, einige aus
Afrika und Asien. Was die Verdachtsfälle von Opfern von Kinderhandel betrifft, zeigen die Aufzeichnungen eine
eklatante Zunahme in den letzten drei Jahren. Zudem stehen der hohen Anzahl an Opfern von Menschenhandel wenige
Verurteilungen gegenüber.
Dies erklärt sich der Außenminister u.a. dadurch, dass der Opferschutz nicht immer Hand in Hand mit
der Strafverfolgung der TäterInnen einhergeht. Zudem stelle die Beweisbarkeit sowie die Verfolgung von etwa
ausländischen TäterInnen eine Herausforderung dar. In Sachen Opferschutz soll es demnächst gesetzliche
Nachbesserungen geben, die Opfern eine dreißigtägige Bedenkzeit einräumen.
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