Politik setzt weitere Schritte zur
 Bekämpfung von Lohndumping

 

erstellt am
13. 05. 16
11:00 MEZ

Neues Gesetz baut auf grenzüberschreitende Kooperation und Auftraggeberhaftung im Baubereich
Wien (pk) - Zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping hat der Nationalrat in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Schritten gesetzt. So wurden im Jahr 2011, kurz vor der Öffnung des Arbeitsmarkts für zehn ost- und südosteuropäische EU-Länder, umfangreiche Dokumentationspflichten für Unternehmen, die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Lohnkontrollen und eine deutliche Anhebung des Strafrahmens beschlossen, um die Bezahlung von Dumpinglöhnen zu unterbinden. Die Bestimmungen wurden 2014 zur Schließung einiger Schlupflöcher nachgeschärft. Vor kurzem haben die Abgeordneten außerdem eine Novelle zum Bundesvergabegesetz verabschiedet, die bei Auftragsvergaben der öffentlichen Hand das Bestbieterprinzip gegenüber dem Billigstbieterprinzip stärkt. Nun steht ein weiteres Gesetzespaket vor der Beschlussfassung. Der Sozialausschuss des Nationalrats hat an 12.05. grünes Licht für einen Entwurf von Sozialminister Alois Stöger gegeben. Zustimmung zum Vorhaben kam neben den Koalitionsparteien auch von den Grünen und vom Team Stronach, die FPÖ hat hingegen wenig Vertrauen in die Wirksamkeit der Maßnahmen. Seitens der NEOS äußerte Abgeordneter Gerald Loacker die Befürchtung einer Abschottung des österreichischen Arbeitsmarkts.

Kernpunkt der Gesetzesnovelle ( 1111 d.B.) ist, neben der Einführung einer Auftraggeberhaftung im Baubereich, die Implementierung eines elektronischen Behördenkooperationssystems (IMI) zur engeren Zusammenarbeit mit den anderen EU-Staaten. Ziel dieses Schrittes und begleitender Maßnahmen ist es, Verwaltungsstrafverfahren gegen ausländische Unternehmen wegen Unterentlohnung und ähnlicher Vergehen zu beschleunigen und Strafbescheide leichter vollstrecken zu können. Österreich setzt damit die EU-Richtlinie zur Durchsetzung der EU-Entsenderechtlinie, kurz Durchsetzungsrichtlinie, um.

Zur Schaffung einer klaren und übersichtlichen Struktur werden außerdem die Regelungen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping aus dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) herausgelöst und in ein eigenes Gesetz, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, transferiert. Das betrifft etwa auch die Pflicht ausländischer Unternehmen, nach Österreich entsendete ArbeitnehmerInnen nicht nur nach österreichischem Kollektivvertrag zu bezahlen, sondern ihnen auch die gleichen Urlaubsansprüche und Ruhezeiten zuzugestehen. Ausdrücklich gilt das neue Gesetz auch für HeimarbeiterInnen und in weiten Bereichen für LandarbeiterInnen.

Neu im Baubereich eingeführt wird eine Auftraggeberhaftung für Lohnansprüche grenzüberschreitend tätiger ArbeitnehmerInnen. Damit will man Auftraggeber von Bauaufträgen dazu bewegen, mehr Sorgfalt bei der Auswahl der ausführenden Unternehmen walten zu lassen, wobei die Haftung im Falle einer direkten Auftragsvergabe durch den Bauherren bzw. die Bauherrin – also nicht im Form einer Auftragskette – nur dann gilt, wenn der Auftraggeber von der Unterentlohnung gewusst hat bzw. davon wissen musste. Betroffene BauarbeiterInnen haben acht Wochen Zeit, um eine Unterentlohnung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zu melden. Per Ausschussfeststellung ausdrücklich klargestellt wurde in diesem Zusammenhang, dass der Erstauftraggeber nicht für eine allfällige Unterentlohnung haftet, wenn er ein befugtes Unternehmen im Inland beauftragt hat.

Das Gesetzespaket sieht aber auch einige bürokratische Erleichterungen vor, etwa was die Bereithaltung von Unterlagen am Arbeitsort und die Vorabmeldung betrifft. Bestimmte vorübergehende Mitarbeiter-Entsendungen innerhalb grenzüberschreitend tätiger Konzerne werden vom neuen Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz überhaupt ausgenommen.

Stöger: Eigenes Lohn- und Sozialdumpinggesetz ist wichtiges Signal
Sozialminister Alois Stöger betonte, die Politik setze mit dem vorliegenden Gesetz zentrale Akzente. Er wertete es als klares Signal an die Öffentlichkeit und die Wirtschaft, die Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping in einem eigenen Gesetz zu regeln. Lohn- und Sozialdumping hätten in Österreich nichts verloren, bekräftigte er. Stöger kündigte auch regelmäßige Berichte an die Abgeordneten über die Vollziehung des Gesetzes an.

Aus den Erläuterungen zum Gesetzentwurf geht hervor, dass im vergangenen Jahr 133.680 ArbeitnehmerInnen nach Österreich entsendet wurden, um 26% mehr als im Jahr 2014. Demnach wurden bisher 1.167 Bescheide wegen Unterentlohnung erlassen und Geldstrafen in der Höhe von 11,19 Mio. € verhängt.

FPÖ: Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping werden zahnlos bleiben
Kritisch zur Gesetzesnovelle äußerte sich die FPÖ. Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein glaubt, dass die neuen Bestimmungen zahnlos bleiben werden. Auch die bisherigen Gesetze hätten nicht die erhoffte Wirkung gezeigt, hielt sie mit Verweis auf einige aktuelle Fälle fest. Es komme immer wieder vor, dass ausländische ArbeitnehmerInnen in Österreich zu Dumpinglöhnen und ohne Einhaltung von Ruhezeiten beschäftigt würden. Die neuen Bestimmungen ändern ihrer Ansicht nach nichts an der Problematik, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht kontrollierbar sind.

Zur Entlastung des österreichischen Arbeitsmarkts wäre es nach Meinung der FPÖ zielführender, die Entsendung ausländischer ArbeitnehmerInnen nach Österreich für bestimmte Branchen vorübergehend zu stoppen, den österreichischen Arbeitsmarkt auch für EU-BürgerInnen partiell zu schließen, Verstöße gegen arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards stärker zu sanktionieren und den Zugang für ausländische ArbeitnehmerInnen zum österreichischen Sozialsystem teilweise einzuschränken. Die FPÖ beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf eine Resolution der SPÖ Burgenland, konnte sich mit zwei Initiativen ( 1505/A(E) , 1670/A(E) ) aber nicht durchsetzen. Die beiden Anträge wurden auf Vorschlag von SPÖ-Abgeordneter Ulrike Königsberger-Ludwig vertagt.

NEOS: Österreichischer Arbeitsmarkt wird abgeschottet
Massive Kritik an der vorliegenden Novelle übte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Es sei unbestritten, dass man gegen Lohndumping vorgehen müsse und ein fairer Wettbewerb wichtig sei, unterstrich er, es gehe aber nicht an, den Arbeitsmarkt vor Unternehmen abzuschotten, die korrekt vorgehen wollten. Nach Auffassung von Loacker nützt Österreich die Spielräume der EU-Entsenderichtlinie bis zum Exzess aus, um den österreichischen Markt vor ausländischen Unternehmen zu schützen. Dabei nehme man bewusst Nachteile für Österreich als Wirtschaftsstandort in Kauf. Der europäische Wirtschaftsraum sei den Regierungsparteien offenbar kein Anliegen, sagte Loacker.

Konkret kritisierte Loacker weitgehende Rechtsunsicherheit für Unternehmen und durch Kumulierungen bedingte hohe Strafen für minimale Gesetzesverletzungen. Auch ist seiner Meinung nach der Kalendermonat als Beobachtungszeitraum für Entsendungen untauglich. Zur Untermauerung seiner Kritik verwies Loacker auf eine Stellungnahme der Deutschen Handelskammer zum Gesetz.

Grüne und Team Stronach befürworten Gesetzesnovelle
Loackers Wortmeldung löste bei den anderen Fraktionen breiten Widerspruch aus. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit sei es ein Gebot der Stunde, alles zu tun, dass heimische Unternehmen Chancen am Markt haben, bekräftigte etwa Waltraud Dietrich vom Team Stronach. Derzeit hätten diese enorme Nachteile gegen Billigstanbieter aus dem Ausland. Dietrich kündigte in diesem Sinn an, die vorliegende Gesetzesnovelle zu unterstützen.

Es sei nicht antieuropäisch, wenn man für einen gerechten Wettbewerb für Unternehmen und eine gerechte Entlohnung sorgen wolle, hielt SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig fest. Gleichzeitig wies sie die Behauptung von FPÖ-Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein, wonach die gesetzlichen Bestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping zahnlos seien, zurück. Immerhin würden bereits zahllose rechtskräftige Entscheidungen wegen Unterentlohnung mit über 2.000 betroffenen ArbeitnehmerInnen vorliegen. Ihr Fraktionskollege Johann Hechtl hob hervor, dass ausländische Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft immer wieder durch Lohn- und Sozialdumping untergraben, das Gesetz sei daher notwendig.

Seitens der ÖVP wertete Sozialsprecher August Wöginger die vorliegende Novelle als eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Regelungen. Lohn- und Sozialdumping müssten bekämpft werden, gleichzeitig müsse man aber darauf achten, dass ordentlich wirtschaftende Unternehmen nicht übermäßig bürokratisch belastet werden, hielt er fest. Auch dafür werde mit dem Gesetz gesorgt.

Zustimmend zum Gesetz äußerte sich auch Grün-Abgeordnete Birgit Schatz, nachdem Unklarheiten in Bezug auf die Ausschussfeststellung ausgeräumt worden waren. In Richtung Abgeordneten Loacker meinte Schatz, man könne sich von ausländischen Unternehmen erwarten, dass sie sich über die österreichische Rechtslage informieren.

Ein Antrag der Grünen ( 1566/A(E) ), die Finanzpolizei personell und finanziell besser auszustatten und die Lohnkontrollen zu verstärken, soll an den Finanzausschuss weitergeleitet werden, wobei sich neben Schatz auch SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig ausdrücklich hinter die Intention des Antrags stellte. Ihrer Meinung nach ist eine Aufstockung der Finanzpolizei notwendig, um die Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes auch durchsetzen zu können. Team-Stronach Abgeordnete Waltraud Dietrich ist hingegen skeptisch. Ihrer Meinung nach leidet Österreich ohnehin an einem unternehmerfeindlichen Klima, welches nicht noch weiter befördert werden sollte.

FPÖ lehnt weitere Öffnung des Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen ab
Keine Mehrheit fand ein Antrag der FPÖ ( 1131/A(E) ), den Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen nicht weiter zu öffnen. Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) machte geltend, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen ohnehin sehr restriktiv gehandhabt werde. Grundsätzlich stünden für AsylwerberInnen nur Beschäftigungen in der Landwirtschaft und in der Gastronomie offen, zudem hätten sie Zugang zu Lehrstellen. FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm fürchtet allerdings, dass die Restriktionen gelockert werden könnten, da von vielen Seiten der Wunsch nach einer Aufweichung der bestehenden Regelungen komme.

Vergaberechtsnovelle: Muchitsch hofft auf Einigung mit den Ländern bis zum Sommer
Ein gemeinsames Anliegen ist der FPÖ und den Grünen die weitere Stärkung des Bestbieterprinzips im Vergaberecht. Man solle alle Gestaltungsmöglichkeiten, die die einschlägige EU-Richtlinie bietet, nutzen und verstärkt auf Qualitätskriterien sowie umweltrelevante und soziale Aspekte fokussieren, verlangt etwa Abgeordnete Birgit Schatz ( 1474/A(E) ). Die FPÖ spricht sich dafür aus, bei Auftragsvergaben durch die öffentliche Hand künftig ausnahmslos das Bestbieterprinzip anzuwenden ( 1439/A(E) ). Da für Änderungen im Bundesvergaberecht der Verfassungsausschuss des Nationalrats zuständig ist, wurde mit breiter Mehrheit eine Zuweisung der beiden Anträge an diesen beschlossen.

Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (S) berichtete dem Ausschuss, dass die Verhandlungen mit den Ländern über die notwendige Anpassung des Vergaberechts an die neuen EU-Vorgaben laufen. Die Verhandlungen sind ihm zufolge wesentlich schwieriger als jene über die im Dezember beschlossene Novelle, weil auch Vergaben im öffentlichen Nahverkehr und bei den sozialen Diensten betroffen seien. Er hofft dennoch, dass die Verhandlungen vor dem Sommer abgeschlossen werden können. Im Anschluss daran soll es Gespräche mit den SozialsprecherInnen aller Fraktionen geben.

Tourismus: Opposition will Aushilfe durch Familienmitglieder erleichtern
Schließlich vertagte der Sozialausschuss einen gemeinsamen Antrag von FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach ( 1618/A(E) ), in dem klare gesetzliche Regelungen für die kurzfristige Aushilfe von engen Familienangehörigen in Familienbetrieben, insbesondere der Gastronomie, eingefordert werden. Trotz eines vorhandenen Leitfadens komme es in der Praxis immer wieder zu Anzeigen bzw. Strafzahlungen wegen Nichtanmeldung bei der Sozialversicherung, kritisieren sie.

Sowohl Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (S) als auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger sind zuversichtlich, bald eine Lösung in Bezug auf die von der Opposition aufgezeigte Problematik zu finden. Eine Einigung sei bereits fertig ausverhandelt gewesen, sagte Muchitsch, von ÖVP-Seite habe man das Paket dann aber wieder aufschnüren wollen. Es gehe darum, die kurzfristige Aushilfe von Familienmitgliedern in kleinen Gasthäusern nicht zu bestrafen, bekräftigte er, es könne aber etwa nicht sein, dass Gesellschafter eines Unternehmens plötzlich Familienangehörige seien.

Auch Grün-Abgeordnete Birgit Schatz hob die Notwendigkeit hervor, Missbrauch auszuschließen. Es brauche eine Regelung für kurzfristige Aushilfen, es müsse aber sichergestellt sein, dass Kinder und EhegattInnen, die dauerhaft aushelfen, sozialversichert sind.

Zuvor hatte nicht nur FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm Unmut darüber geäußert, dass eine Klärung der Frage weiter auf sich warten lasse. Es komme immer wieder vor, dass enge Familienangehörige in Spitzenzeiten in der Gastronomie aushelfen, skizzierte er. Derzeit ist das ihm zufolge ein rechtlicher Graubereich, da man die Familienmitglieder in solchen Fällen eigentlich bei der Sozialversicherung anmelden müsste. Auch ÖVP-Abgeordneter Gabriel Obernosterer und sein Fraktionskollege Asdin El Habbassi zeigten kein Verständnis dafür, dass in diesem Bereich nichts weitergehe. Auf eine rasche Lösung vor der beginnenden Sommersaison drängte auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach.

Ob gesetzliche Änderungen notwendig sind, ist laut Obernosterer offen. Es könnte auch ausreichen das Merkblatt für die Kontrollore zu ändern. Sozialminister Alois Stöger sieht ein reines Verwaltungsproblem, er strebt, wie er sagte, "eine vernünftige Lösung" an, ohne den Bogen zu überspannen.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at