Bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen für Asylberechtigte; Massive Kritik betreffend
Menschenrechtslage in der Türkei
Wien (pk) - Geht es nach dem Parlament, soll sich die Regierung in Zukunft für den Beitritt der Europäischen
Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), den internationalen Schutz von MenschenrechtsaktivistInnen
und für Reformbemühungen in Bahrain hinsichtlich der dort vorherrschenden Menschenrechtslage einsetzen.
Auch in Sachen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei soll die Regierung aktiv werden. In einem weiteren
und damit fünften menschenrechtspolitischen Auftrag, den der Nationalrat am 19.05. zu später Stunde fasste,
werden von allen Parlamentsfraktionen bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen für Asylberechtige –
wie etwa Deutschkurse - durch eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gefordert.
Beim Thema Türkei stand Außenminister Sebastian Kurz wie schon im Menschenrechtsausschuss für eine
klare Position gegenüber dem Land ein. Die Zusammenarbeit könne sinnvoll sein, von Wegschauen bei Menschenrechtsverletzungen
hält er aber nichts. Zudem warnte Kurz davor, sich in der Flüchtlingsfrage von anderen Ländern wie
der Türkei abhängig zu machen.
Konsens im Nationalrat: Bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen für Asylberechtigte
Der Vorstoß für eine bundeseinheitliche Integration wurde von Außenminister Sebastian Kurz unterstützt.
In einem föderalen Land wie Österreich werde es zwar immer wieder vor Ort Unterschiede im Zugang von
Integrationsmaßnahmen geben, diese sollten bundesweit aber bestmöglich koordiniert sein, meinte er.
Schwerpunktmäßig will Kurz in Zukunft auf Deutschkurse, die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkteinstieg
sowie die Wertevermittlung setzen.
Von einem "Fleckerlteppich" von Integrationsmaßnahmen sprachen Alev Korun (G) und Nikolaus Scherak
(N). Beide hätten sich angesichts der oft jahrelang dauernden Asylverfahren Deutschkurse bereits für
AsylwerberInnen – wie von den NEOS ursprünglich gefordert – gewünscht. Es sei wenig nachhaltig für
Österreich, wenn Menschen zum Nichtstun gezwungen würden, meinten sie. Für "Deutschkurse ab
dem ersten Tag" standen auch Nurten Yilmaz und Harry Buchmayr (beide S) ein. Zudem sei es wichtig, dass schutzsuchende
Menschen im gesamten Bundesgebiet dieselben Chancen vorfinden, sagte Yilmaz.
Von Seiten der ÖVP standen Georg Strasser und Bernd Schönegger hinter der Entschließung. Nur bedingte
Freude hatten Petra Steger (F) und Christoph Hagen (T). Österreich habe keine unbegrenzten finanziellen Mittel,
der ursprüngliche NEOS-Antrag für bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen für AsylwerberInnen
sei unverantwortlich, argumentierten sie. Einer Beschränkung auf Asylberechtigte stimmten beide Fraktionen
aber zu. "Integration ist nicht zum Nulltarif möglich", sagte Gerhard Schmid (A) in diesem Zusammenhang.
Parlament verurteilt Menschenrechtsverletzungen in der Türkei
Die derzeitige Menschenrechtssituation in der Türkei wurde im Nationalrat von allen Fraktionen schwer angeprangert.
Neben dem heute bereits einstimmig verabschiedeten Entschließungsantrag hinsichtlich der Grund- und Menschenrechte,
der politischen Rechte der Opposition sowie der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei im Zusammenhang mit der
geplanten Aufhebung der Immunität von Abgeordneten sprach sich das Plenum ein zweites Mal dafür aus,
hinsichtlich der zusehends schwierigen Situation im Land aktiv zu werden.
Auf Wunsch der Mehrheit der Abgeordneten soll die Regierung darauf hinarbeiten, dass die EU-Kommission im Zuge
ihres Länderberichts für 2016 im Speziellen prüft, ob die Türkei die Anforderungen für
ein Beitrittsland in Sachen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Minderheitenschutz, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit
auch weiterhin erfüllt.
Geht es nach der FPÖ und dem Team Stronach, ist eine solche Prüfung angesichts der aktuellen Lage nicht
mehr notwendig. Sie treten dafür ein, die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei abzubrechen. "Was
wollen sie noch prüfen? Wir wissen, was dort passiert", sagte Anneliese Kitzmüller (S) in Richtung
SPÖ, ÖVP und den Grünen. Solange Menschenrechte mit Füßen getreten werden, sei nicht
im Geringsten an einen Türkei-Beitritt zu denken, meinte sie. Dieser Meinung war auch Christoph Hagen (T).
Von Seiten Österreichs und der Europäischen Union braucht es aus seiner Sicht ein klares Signal. Das
sei der einzig richtige Schritt, um der Türkei einen Riegel vorzuschieben, meinte er.
Europa müsse klar gegen "diese unerträgliche Menschenrechtssituation" vorgehen, sagte Nikolaus
Scherak von den NEOS, die Forderung auf den sofortigen Stopp der Verhandlungen mit der Türkei konnte er aber
nicht nachvollziehen. Sein Fraktionskollege Christoph Vavrik (N) zog in Erwägung, dass Beitrittsverhandlungen
möglicherweise dann zum Abbruch kommen sollten, wenn die Türkei in Sachen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
noch weiter abdriftet. Er würde es aber schade finden, wenn sich die Wege zwischen der EU und der Türkei
trennen.
Harald Troch (S) trat dafür ein, nicht wegzuschauen. Die Entschließung ist für ihn ein Ausdruck
der Solidarität mit jenen Menschen, die in der Türkei an vorderster Front für Demokratie und Menschenrechte
kämpfen.
NEOS-Antrag über Beitritt der EU zur EMRK angenommen
Ohne dem Einverständnis der FPÖ ist die Regierung damit beauftragt, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen,
dass primärrechtliche Regelungen, die nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs einem Beitritt der EU
zur EMRK entgegenstehen, abgeändert werden. Nur dadurch ist nach Meinung von Nikolaus Scherak (N), Alev Korun
(G) und Friedrich Ofenauer (V) lückenloser Rechtsschutz für BürgerInnen innerhalb der EU möglich.
Der Einzelne könne so nämlich mithilfe einer Klage beim EGMR seine Rechte nicht nur gegenüber dem
jeweiligen Nationalstaat, sondern auch gegenüber EU-Institutionen geltend machen, wie Scherak klarmachte.
Der Beitritt der EU zur EMRK "wäre ein nächster Schritt in Richtung Bundestaat à la USA",
so die Meinung vom Freiheitlichen Günther Kumpitsch, der über das überlagernde Ziel "Vereinigte
Staaten von Europa" mutmaßte. Die Regierung sollte sich aus seiner Sicht vorwiegend für die österreichische
Bevölkerung einsetzen. Ganz anderer Meinung waren die beiden Sozialdemokratinnen Wolfgang Knes und Elisabeth
Grossmann. Österreich habe auch eine Verpflichtung gegenüber Menschen außerhalb seiner Grenzen,
sagte Knes in Richtung Kumpitsch. Warum die Freiheitlichen angesichts ihrer EU-kritischen Haltung einem zusätzliches
Rechtsinstrument für BürgerInnen bei allfälligen Menschenrechtsverletzungen durch EU-Institutionen
nicht zustimmen, befand Grossmann als sagenhaft.
Schutz von Menschenrechtsaktivistinnen
Vor dem Hintergrund von restriktiven Gesetzen in zahlreichen Staaten, die die Arbeit von MenschenrechtsaktivistInnen
massiv erschweren oder kriminalisieren, sprach sich das Plenum einstimmig dafür aus, auf EU-Ebene und bei
den Vereinten Nationen für deren Stärkung einzutreten. Etwa sollen die Umsetzungen der EU-Leitlinie zum
Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen sowie der "Guidelines on the Protection of Human Rights Defenders"
während des OSZE-Vorsitzes Österreichs im Jahr 2017 vorangetrieben werden. Andrea Gessl-Ranftl (S) meinte,
dass es ohne MenschenrechtsverteidigerInnen um die Menschenrechte in der Welt schlecht bestellt wäre. Aus
diesem Grund müsse es das Anliegen aller sein, engagierte Menschen in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Multilateral sieht Kurz den OSZE-Vorsitz Österreichs im nächsten Jahr als große Chance für
Österreich, wie der Minister meinte. Inhaltliche Schwerpunkte werden u.a. das Thema "Europa sicherer
machen" oder der Kampf gegen Radikalisierung sein.
Verbesserung der Menschenrechtslage in Bahrain
Ein weiteres Anliegen des Parlaments betrifft die Menschenrechtsprobleme in Bahrain, wo RegierungskritikerInnen
und MenschenrechtsaktivistInnen Repressalien und Verfolgung ausgesetzt sind, wie die Abgeordneten etwa Elisabeth
Pfurtscheller (V) und Franz Kirchgatterer (S) informierten. Es gebe zwar Bemühungen, diese würden aber
nur eine Feigenblattfunktion haben, sagte Pfurtscheller. Von einem "Rückschritt in diesem Land"
sprach zudem Wolfgang Knes (S).
Jessi Lintl (F) wertete es als unehrlich, angesichts von menschenrechtspolitischen Bemühungen im Ausland Probleme,
die von der "islamischen Parallelgesellschaft" im eigenen Land verursacht würden, zu verschweigen.
Eine von ihr in diesem Zusammenhang eingebrachter Entschließungsantrag, in dem die FPÖ u.a. den Schutz
der sexuellen Integrität von Frauen in Österreich fordern, fand im Plenum keine Mehrheit
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