RH-Präsident Moser: Kompetenzzersplitterung
widerspricht Generationengerechtigkeit
erstellt am
20. 05. 16
11:00 MEZNationalrat erörtert Rechnungshofempfehlungen zu Gesundheitswesen, Nationalbank, Rettungsgasse
Wien (pk) - Gesundheitsthemen dominierten am 19.05. den zweiten Rechnungshofblock der Nationalratssitzung : Prüfberichte zu Ärzteausbildung, Gesundheitsvorsorge und Gendergesundheit. Weitere Stationen im Debattenverlauf waren Rechnungshofempfehlungen an Nationalbank und das Infrastrukturressort. Rechnungshofpräsident Josef Moser hielt grundsätzlich fest, die Notwendigkeit eines effizienteren Mitteleinsatzes bestehe nach wie vor. Vor allem, wenn Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinanderfallen, sieht Moser großen Handlungsbedarf und er nannte als konkretes Beispiel den Förderbereich, wo oftmals Gelder aus verschiedenen Gebietskörperschaften und der EU intransparent fließen.
Positiv vermerkte der RH-Präsident, von den 190 Empfehlungen der 32 heute debattierten Prüfergebnisse seien immerhin 70 umgesetzt worden, oder befänden sich in Umsetzung, wie Follow-up-Prüfungen ergäben hätten. Schwierigkeiten gebe es aber immer dort, wo mehrere Stellen zusammenwirken. Schon im Sinne der Generationengerechtigkeit plädierte Moser vor diesem Hintergrund dafür, die Kompetenzzersplitterung im Land abzustellen.
Zugrunde lagen diesem Sitzungsteil drei Sammelberichte des Rechnungshofs ( III-121 , III-152 , III-185 d.B.), die einstimmig angenommen wurden.
Gesundheitswesen krankt an Zuständigkeitsverteilung
Bei seiner Beurteilung der Turnusausbildung in mehreren heimischen Krankenanstalten kam der Rechnungshof 2014 zu dem Schluss, einheitlich strukturierte und nachvollziehbare Ausbildungsprozesse sowie Qualitätssicherungsinstrumente fehlten. Die gesetzlich vorgesehene dreistufige Ausbildungsverantwortung (Krankenanstaltenträger, Ärztlicher Leiter, Klinikvorstand/Abteilungsleiter) sei in keinem Krankenhaus ausreichend wahrgenommen worden. Rechnungshofpräsident Moser führte hier einmal mehr die Kompetenzzersplitterung ins Treffen, nämlich in Bezug auf die unterschiedlichen Dienstgeber, die je nach Spitalsform der Bund oder ein Bundesland seien.
Welche Maßnahmen die öffentliche Hand zur Gesundheitsvorsorge der Bevölkerung setzt, ist aus Sicht des Rechnungshofs ähnlich wie die praktische Ärzteausbildung zu ungenau definiert. Bei systematischer Planung, Erfassung und Evaluierung der Maßnahmen durch Bund, Länder und Sozialversicherungsträger liege man hinter den Vorgaben des 2008 bereits erarbeiteten, dann aber nicht beschlossenen Gesundheitsvorsorgegesetzes zurück, so das RH-Resümee, auch der im internationalen Vergleich geringe Mitteleinsatz im Verhältnis zur kurativen Versorgung wird aufgezeigt. Die genderspezifische Gesundheitsförderung in Österreich leidet der RH-Analyse zufolge an der Aufgabenverteilung in der Regierung. Die Zuständigkeit für Gendergesundheit bei Frauen, Kindern und Jugendlichen ist im Gesundheitsressort, jene für Männer aber im Sozialministerium angesiedelt. Dadurch gebe es kein Berichtswesen, das ganzheitlich Aufschluss über Ausgestaltung und Kosten der genderspezifischen Gesundheitsförderung bzw. über die Gesundheitssituation von Frauen und Männern in Österreich zulässt. Außerdem merkte Moser an, dass Zuständigkeiten im Gesundheitsressort selbst auf die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und ihre drei Geschäftsbereiche aufgeteilt sind.
Opposition mahnt Intensivbehandlung für Gesundheitssystem ein
Von höchster Relevanz sind für Eva Mückstein (G) und Martina Schenk (T) die Rechnungshofberichte zum Gesundheitssystem, das sich nach Mücksteins Worten zu einem Intensivpatienten entwickelt. Die Gesundheitssprecherin der Grünen bezog sowohl auf die erhobenen Mängel bei der Gendergesundheit, als auch auf jene der Ärzteausbildung. Bei letzterem Punkt kritisierte sie, dass viele in Österreich ausgebildete JungärztInnen ins Ausland gehen, wo die Rahmenbedingungen besser seien, beispielsweise bei der Ausbildung zum Allgemeinmediziner. Problemerhebung und Maßnahmen dagegen vermisse sie hierzulande. Laut Dorothea Schittenhelm (V) hebt der Rechnungshof aber auch positive Entwicklungen bei der Ausbildung von MedizinerInnen hervor, etwa die Befristung der Anerkennung von Ausbildungsstätten auf sieben Jahre. Das Problem der fehlenden Kooperation wolle die Ärztekammer mit einer einheitlichen Vor-Ort-Kontrolle beheben, auch ein umfassendes Ausbildungskonzept mit verpflichtenden Faktoren sei in Ausarbeitung. Damit sollten junge Ärztinnen und Ärzte eher im Land bleiben, hofft Schittenhelm. Aus Sicht der NEOS sind Rahmenbedingungen wie das Kassensystem der eigentliche Grund für die Ärzteabwanderung, das verdeutlichte Claudia Angela Gamon (N).
Die Gendermedizin rückten Andrea Gessl-Ranftl (S), Jessi Lintl (F) und Claudia Durchschlag (V) in den Fokus. Bei der Behandlung von Suchterkrankungen erkannte der Rechnungshof, verwies Gessl-Ranftl auf den Bericht, dass häufig der genderspezifische Bezug fehlt. Das Gesundheitsministerium habe hier aber Abhilfe zugesichert, etwa in Form des "Rauchfrei Telefons". Außerdem sehe das Ressort gendermedizinische Fördermaßnahmen vor. Mit der Implementierung des Brustkrebsscreenings seien leider die Ziele zur Gendergesundheit noch nicht erreicht worden, bedauerte Durchschlag und warb deswegen dafür, besonders bei Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen der Gendergesundheit einen höheren Stellenwert einzuräumen. Lintl nahm das Thema Gendermedizin zum Anlass, die "Gleichmacherei" der biologischen Geschlechter zu verurteilen, die sogar in Wiener Kindergärten vermittelt werde. Dabei zeige die Gendermedizin eindeutig die Unterschiede bei der angemessenen Behandlung von Männern und Frauen auf. Diese Verknüpfung der Gendermedizin mit Fragen der Sexualkunde wiesen wiederum Gamon und Durchschlag dezidiert zurück.
Der Gesundheitsvorsorge wandte sich Schenk zu, als sie einen zu geringen Mitteleinsatz für Präventionsmaßnahmen beklagte und die Kompetenzzersplitterung beim Mutter-Kind-Pass anprangerte. Johann Hell (S) und Josef Lettenbichler (V) ergänzten, die RH-PrüferInnen orteten in der Gesundheitsvorsorge Verbesserungsbedarf bei der Leistungsabstimmung der zuständigen Stellen und beim Mutter-Kind-Pass wurde die Kosten-Nutzen-Rechnung negativ beurteilt. Nie habe es eine gesamthafte Evaluierung dieses Systems gegeben, bemängelte Lettenbichler, Hell gab allerdings zu bedenken, der Pass werde derzeit vom Gesundheitsressort gemeinsam mit dem Familienministerium modernisiert. Überhaupt sei der Prüfbericht vor der jüngsten Gesundheitsreform erstellt worden. Verstärkte Vorsorge, vor allem gegen Darmkrebs, mahnte schließlich Marcus Franz, fraktionsloser Abgeordneter, ein, könnten doch jährlich 2000 unnötige frühzeitige Todesfälle durch eine einfache, schmerzlose Untersuchung verhindert werden. Bei der Ärzteausbildung wertete er die sinkende Ausbildungszeit als Mittel zur Qualitätsminderung.
Gold und Sozialleistungen: Nationalbank im Brennpunkt der Kritik
Ausgehend von der Rechnungshofprüfung zu den Goldreserven bei der Oesterreichischen Nationalbank, speziell deren Lagerung, erinnerte Gerhard Deimek (F) an die stete FPÖ-Forderung, die Nationalbank möge für das Gold als Währungsreserve eine vernünftigen Lagerstrategie vorlegen. Erst aufgrund einer Rechnungshofrüge in Richtung OeNB habe dieser Appell Gehör gefunden und der Rücktransfer des Golds sei begonnen worden. 2013 hatten die RechnungsprüferInnen gewarnt, die Lagerung von rund 82% der physischen Goldbestände bei einer Lagerstelle in England stelle ein großes Konzentrationsrisiko dar. Bei der Pensionsreserve der OeNB befürchtet der Rechnungshof, die Deckungslücke, die bis Ende 2013 rund 39 Mio € betrug, könnte sich im Fall einer andauernden Niedrigzinsphase noch weiter erhöhen. Äußerst kritisch sieht der Rechnungshof weiterhin die Sozialleistungen, die die Nationalbank an ihre aktiven und pensionierten DienstnehmerInnen auszahlt. Hier fehlten transparente soziale Kriterien sowie die Kontrolle von Vergabe und Verwendung dieser freiwilligen Leistungen, die im Zeitraum zwischen 2009 und 2013 rund 63 Mio. € ausmachten.
An den OeNB-Sozialleistungen ließ nicht nur FPÖ, namentlich Erwin Angerer kein gutes Haar, auch die NEOS sehen hier viel Steuergeld versickern, wie Gerald Loacker ausführte. 15 Millionen Dividende der Nationalbank könnten jedes Jahr an das Finanzministerium gehen, erläuterte Gabriela Moser (G), flösse das Geld nicht in die OeNB-Sozialleistungen. Nach Einkommen gestaffelt würde dieser "reichhaltige Sozialkorb" aber nicht, empfahl die Grünen-Rechnungshofsprecherin SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher führte ins Treffen, im Rechnungshofausschuss seien von allen Fraktionen die Sozial- und Pensionsregelungen für alte Verträge in der Nationalbank sehr kritisch beleuchtet worden. Die Rechnungshofprüfungen hätten aber Änderungen bewirkt, die teilweise bereits in den neuen OeNB-Verträgen Eingang fänden.
Kosten für Verkehrssicherheit am Prüfstand
Einen besseren Mitteleinsatz erwartet der Rechnungshof nicht zuletzt vom Infrastrukturministerium. Am Beispiel der Rettungsgasse, die 2012 verpflichtend bei Staubildung auf Autobahnen und Schnellstraßen eingeführt wurde, um Rettungseinsätze zu ermöglichen, zeigt der Rechnungshof Mängel bei der Umsetzung einer Initiative zur Verkehrssicherheit auf. Rund 4,62 Mio. € wurden dafür aufgewendet, werden im Prüfbericht vor allem Mehrkosten bemängelt, die aus der mangelhaften Aufgabenbeschreibung der ASFINAG bei der Projektbegleitung erwachsen sind. Zudem seien für Kommunikations- und Produktionsmaßnahmen der Kampagne mehr Agenturkosten angefallen als bei vergleichbaren Initiativen, für einzelne Beratungsleistungen habe man keine Vergleichsangebote eingeholt.
Erwin Preiner (S) hält die Einführung der Rettungsgasse für dennoch vernünftig. Obwohl er geringfügige Einsparungsmöglichkeiten im Vergabeprozess einräumte, ist er überzeugt, die Maßnahme führe zu konkreter Zeitersparnis für Rettungsfahrzeuge. Verstöße gegen die Rettungsgasse will er als Vormerkdelikt angemerkt wissen. Preiners Befund über die Wirkung der Initiative schloss sich Andreas Ottenschläger an, er bemängelte lediglich Abstimmungsprobleme bei den zuständigen Ressorts im Rahmen der Kampagnenumsetzung. "Vier Millionen umsonst ausgegeben für eine nicht eingetretene Zeitersparnis von vier Minuten", damit fasste Gabriela Moser (G) das Projekt Rettungsgasse zusammen. Dem Wunsch der ASFINAG, den Pannenstreifen freizubekommen, habe das Verkehrsressort mit dieser Aktion stattgegeben, ohne internationale Erfahrungen zur Verkehrssicherung einzuholen. Anstatt von Zeitersparnis mit der Rettungsgasse hätten Vergabefehler und doppelte Kampagnen von Ministerium und ASFINAG zu viel zu hohen Kosten geführt, so Moser.
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