Eine Kulturgeschichte des Spielens – von 20.05.2016 bis 08.01.2017 im Zeughaus in Innsbruck
Innsbruck (tlm) - Das Spielen zählt zu den ältesten Ausdrucksformen der menschlichen Kultur. Die
Ausstellung im Zeughaus zeigt Aspekte der historischen Entwicklung des Spielens, erinnert Ältere an Spiele
aus ihrer Kindheit und stellt Jüngeren vergessene Spiele vor. Auch Tiroler Spezialitäten wie die Innsbrucker
Puppenbühne oder typische Tiroler Kartenspiele werden ausgestellt. Sowohl in der Schau als auch im Innenhof
des Zeughauses können BesucherInnen selbst aktiv werden und Spiele ausprobieren.
Das Spielen gehört für Kinder zum Alltag. Spiele sind für sie nicht nur Unterhaltung – sie tragen
maßgeblich zum Sozialisationsprozess bei und fördern alle Sinne, handwerkliche Geschicklichkeit, Reaktionsfähigkeit,
Denk- und Urteilsvermögen, Fairplay und Selbstdisziplin. Erwachsene spielen zum Zeitvertreib und in geselliger
Runde Brett- oder Kartenspiele. Die Schau im Museum im Zeughaus lässt die BesucherInnen in die Welt des Spielens
eintauchen und bietet einen Überblick über zahlreiche Spielarten.
„Das Spielen ist eine wesentliche Form der Aneignung von Kenntnissen und Fähigkeiten im zwischenmenschlichen
Bereich. Es ist unverzichtbar“, erklärt PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen,
und fährt fort: „Es ist bemerkenswert, wie konstant sich manche Spiele über Jahrtausende gehalten haben,
wenn sie auch jeweils auf spezifische und modegebundene Weise zur Unterhaltung oder auch zum Lernen verwendet wurden.“
„Die Bestände der Sammlungen zeigen, dass die kultur- und sozialhistorische Dimension von Spielen von den
Tiroler Landesmuseen von Beginn an berücksichtigt wurde. Dies spiegelt sich auch in der Ausstellung wider“,
betont Dr. Claudia Sporer-Heis, Kuratorin der Ausstellung und Kustodin der Historischen Sammlungen der Tiroler
Landesmuseen. Der Schwerpunkt der Schau liegt auf Spielen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Im Vorraum der Ausstellung
werden BesucherInnen dazu eingeladen, sich ihre Stärken aus den Bereichen Geschicklichkeit, Klugheit, Gefühle
und Gemeinschaft zuzuordnen. Die entsprechenden Icons dazu können sie an einem magnetischen Spiegel anbringen.
Der Ausstellungsraum ist in den klassischen Spiele-Farben Rot, Grün, Gelb und Blau gehalten. Eine 18 Meter
lange Vitrine erinnert an die Schachtel eines Brettspiels. Der Deckel ist hochgehoben und erlaubt den Blick auf
Spiele wie Die Reise nach Tirol (um 1900), Gänsespiel (um 1890), Risiko oder DKT. An mehreren Stationen können
die BesucherInnen verschiedene Spiele erproben.
Der Würfel
Eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung verschiedener Spiele war die Erfindung des Würfels.
Sogenannte Astragale – kleine, vierseitige Tierknöchelchen – wurden als Vorgänger des Würfels als
Spielsteine für Geschicklichkeitsspiele, das Glücksspiel und Orakel verwendet. Sie werden auch heute
noch im Vorderen Orient und Asien eingesetzt. Für das Glücksspiel wurde den vier Langseiten des Spielsteins
ein entsprechender Zahlenwert zugeordnet. Der sechsseitige Würfel, wie wir ihn kennen, kam vor allem beim
Hasardspiel zum Einsatz.
Glücksspiele
Das Spielen um Geld erfreute sich nicht nur im Mittelalter großer Beliebtheit. Auch heute noch kennen wir
Glücksspiele, deren Ausgang vom Zufall bestimmt wird und nicht beeinflussbar sein soll. Durch Beschwörungen
und Magie wurde im Mittelalter oft versucht, das Glück zu lenken. Deswegen und auch wegen Streitereien, Gotteslästerungen
und Betrügereien wurde das Glücksspiel immer wieder verboten. Die Kirche sprach sich im 17. Jahrhundert
gegen diese Form der Beschäftigung aus und versuchte gegen die Spielsucht vorzugehen, indem in Innsbruck beispielsweise
Würfel in der Sill versenkt wurden.
Kartenspiele
Kartenspiele wurden im 14. Jahrhundert aus Ostasien eingeführt und entwickelten sich in Europa zu unterschiedlichen
Typen. Die auf den Karten abgebildeten Figuren spiegeln heute noch die soziale Struktur der mittelalterlichen Gesellschaft
wider. In Tirol sind Kartenmacher seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Das Handwerk unterlag strengen Regelungen der
Obrigkeit. Spielkarten wurden als Luxusgut angesehen und waren teuer. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich die
klassischen Tiroler Kartenspiele wie Watten, Bieten oder Perlaggen. Auch das Tarock war im historischen Tirol weit
verbreitet. Das bei Kindern heute noch beliebte Kartenspiel Schwarzer Peter war früher ein einfaches Glücksspiel
für Erwachsene, mit dem bestimmt wurde, wer die nächste Runde Getränke bezahlen musste.
Brettspiele
Brettspiele haben eine sehr lange Geschichte. Backgammon wurde bereits im alten Ägypten gespielt und das Mühlespiel
kann in einer in Stein geritzten Variante bereits vor 2.300 Jahren nachgewiesen werden. Schach gelangte erst im
Frühmittelalter nach Europa. Das vermutlich in Indien entwickelte Spiel setzte sich im 13. Jahrhundert durch
und diente vor allem in Adelskreisen zum Zeitvertreib und zum Trainieren des Verstandes.
Spielzeug
Lange Zeit galten Kinder als kleine, noch etwas unzulängliche Erwachsene, die so schnell wie möglich
in den normalen Arbeits- bzw. Lebensprozess der Gesellschaft integriert werden sollten. Von einer eigenen Lebensphase
der Kindheit konnte lange keine Rede sein. Kindern und ihren Beschäftigungen wurde erst im 18. Jahrhundert
vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Kinder ahmen in Rollenspielen häufig das Leben von Erwachsenen nach und
bereiten sich so auf das Erwachsenwerden vor. Lange Zeit wurden beim Spielen klassische Geschlechterrollen vermittelt.
Mädchen setzten sich beim Puppenspielen mit der Mutterrolle auseinander, Jungen beschäftigten sich mit
Kampf- und Soldatenspielen.
Tiroler Spezialitäten
Spiele, die man heute nicht mehr kennt und die vermutlich nur in Tirol bekannt waren, sind z. B. das Tschongelen
oder das Dozenhacken. Letzteres wurde in Innsbruck besonders im Frühling gern gespielt. Dabei handelt es sich
um das Treffen einer Münze mithilfe eines Kreisels (Dozen). Die Münze erbettelte man sich vor dem Spiel
von Passanten und musste sie aus dem aufgezeichneten Kreis hinausbefördern. Nach dem Gelingen der Aufgabe
konnte der Dozenhacker die Münze behalten und damit sein Taschengeld aufbessern. Beim Tschongelen mussten
Steinchen nach bestimmten Regeln in die Luft geworfen und wieder aufgefangen werden. Diese beiden Spiele und viele
weitere stehen im Innenhof mit Spielanleitung bereit.
Die Innsbrucker Puppenbühne
Der Innsbrucker Kinderarzt Alfons Wackerle zeigte ab ca. 1900 in seiner eigenen Wohnung Puppentheateraufführungen,
die sich in der Zwischenkriegszeit zu einer öffentlichen Puppenbühne entwickelten. Zunächst spielte
der Vater von elf Kindern für seine eigenen Kinder, deren Freunde und auch für seine kleinen Patienten.
Er begeisterte das Publikum mit Schattenspielen, Tischtheater und Bildgeschichten. Nach Wackerles Tod 1914 führten
seine Tochter und sein Sohn die Innsbrucker Puppenbühne von 1929 bis 1954 (mit einer Unterbrechung durch den
zweiten Weltkrieg) fort. Die Puppen zeugen von einer mit viel Engagement betriebenen Privatinitiative. Ganze Jahrgänge
von InnsbruckerInnen erinnerten sich an die erlebnisreichen Aufführungen. 2008 wurden die wenigen hinterlassenen
Stabpuppen und Bühnenrelikte vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum angekauft. Ein Ausstellungsbereich präsentiert
die 34 Stabpuppen der Puppenbühne.
|