Innsbruck (universität) - Die Klimaforschung tut sich mit der Entstehung und dem Einfluss von Wolken auf
das Klima noch relativ schwer. Nun hat ein internationales Forschungsteam am CERN simuliert wie erste Vorläufer
von Wolkenkondensationskeimen in der heutigen Atmosphäre entstehen. In der Fachzeitschrift Nature Communications
beschreiben die Wissenschaftler Mechanismen, die das Wachstum von Aerosolpartikeln und damit die Bildung von Wolken
beschleunigen können.
Für die Entstehung von Wolken sind Kondensationskeime notwendig, an denen sich Wasserdampf absetzen kann.
Wie sich diese Partikel in der Atmosphäre bilden, war bisher weitgehend unbekannt. Seit 2009 erforscht ein
internationales Forschungsteam beim Großexperiment CLOUD am europäischen Kernforschungszentrum CERN
bei Genf die molekularen Mechanismen der Neubildung von Partikeln aus atmosphärischen Gasen. In einer nun
in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Arbeit präsentieren die Wissenschaftler
erstmals Details zu jenen Mechanismen, die solche Aerosolpartikel entstehen lassen. „Einfach gesagt beginnt die
Biografie einer Wolke dann, wenn sich in der Atmosphäre Gasmoleküle zu einem Cluster zusammenklumpen“,
erklärt Prof. Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck.
Unter einem Cluster versteht die Physik Ansammlung von einigen Atomen oder Molekülen.
Verstärkende Mechanismen
Im CLOUD-Experiment werden Wasserdampf, Schwefelsäue, Ammoniak und Amine in unterschiedlichen Konzentrationen
in eine hochreine Kammer eingeleitet und die Bedingungen in der heutigen Atmosphäre realistisch nachgebildet.
Mit einer ausgeklügelten Technologie können Armin Hansel und sein Team kleinste Mengen organischer Spurenstoffe
in Echtzeit messen und kontrollieren so im CLOUD-Experiment zum einen die Reinheit der dort eingesetzten Aerosolkammer
und zum anderen die in diese Kammer eingelassenen Vorläuferstoffe für die Bildung von Kondensationskeimen.
Nun hat das internationale Team von Forschern das Wachstum der nur wenige Nanometer großen Ursprungspartikeln
näher untersucht. Die Messungen in der CLOUD-Kammer zeigen, dass zwei Mechanismen die von Schwefelsäue
angetriebene Entstehung von Nanopartikeln beschleunigen können: „Abhängig vom Vorhandensein von stabilisierenden
Dämpfen wie Ammoniak und Amine bilden sich einerseits stark gebundene neutrale Säure-Basen Cluster, die
auch durch Cluster-Cluster Kollisionen zu Kondensationskeimen wachsen können, und andererseits ionische Cluster,
deren elektrische Ladung stabilisierend wirkt, wenn Amine oder Ammoniak fehlen “, erläutert Armin Hansel.
Das Ergebnis zeigt, dass die Messung von Schwefelsäure in der Atmosphäre kein ausreichender Indikator
ist, um die Nukleationsrate zu beurteilen. Die Studienautoren fordern deshalb, dass auch andere, basenhaltige Verbindungen
in solche Messungen einbezogen werden. „Wenn wir diese Mechanismen genauer verstehen, können wir Klimamodelle
entsprechend parametrisieren und zuverlässigere Prognosen erstellen“, betont Armin Hansel. „Außerdem
ist die Wolkenbildung natürlich auch für unser Verständnis des Wasserkreislaufes wichtig.“
Spitzentechnologie aus Tirol
Das Großexperiment CLOUD läuft seit sieben Jahren. Die Aerosolkammer am CERN ist mit einem hochreinen
Einlasssystem für Gase, einem speziellen Beleuchtungssystem sowie einer ganzen Reihe an Spezialinstrumenten
ausgestattet. Mit Hilfe eines zuschaltbaren Elementarteilchenstrahls aus einem CERN-Beschleuniger kann der Einfluss
der kosmischen Strahlung auf die Keimbildung simuliert werden. Außerdem können die Temperatur, die Zusammensetzung
der Luft und der Einfluss der kosmischen Strahlung in der Kammer unabhängig voneinander verändert werden,
um die Bedingungen in der Atmosphäre nachzustellen.
Für diese Experimente hat die unter anderem von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft
FFG geförderte Innsbrucker Forschungsgruppe um Armin Hansel in enger Zusammenarbeit mit dem Tiroler Spin-Off-Unternehmen
Ionicon Analytik GmbH spezielle Messverfahren entwickelt und verfeinert diese laufend. Das Team um Hansel gilt
im Feld der Spurenanalytik als internationaler Pionier, da diese technische Innovation aus Tirol in Echtzeit Resultate
mit extrem hoher Nachweiswahrscheinlichkeit liefert.
In Podcast „Zeit für Wissenschaft“ erzählt Armin Hansel ausführlich über seine Mitarbeit am
CLOUD-Projekt: https://www.uibk.ac.at/podcast/zeit/2015/zfw008.html
Publikation: The effect of acid–base
clustering and ions on the growth of atmospheric nano-particles. Katrianne Lehtipalo et.al. Nature Communications
2016 DOI: 10.1038/ncomms11594
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