Wien (onb) - Rund 240 wertvolle hebräische Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek wurden
im Rahmen eines mehrjährigen Projekts von der Israelischen Nationalbibliothek digitalisiert. Dank dieser internationalen
Kooperation zwischen Wien und Jerusalem sind diese historisch bemerkenswerten Dokumente zur jüdischen Geschichte
in Europa nun auch online verfügbar.
Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt heute etwa 240 hebräische Handschriften und eine große
Anzahl an Fragmenten; zusätzlich verwahrt sie einen umfangreichen Bestand an hebräischen Drucken. Die
Werke stammen aus der Zeit vom 12. bis zum 19. Jahrhundert, ein Großteil davon aus dem Mittelalter. Sie sind
besonders frühe Dokumente jüdischer Buchkunst in Europa, weshalb die Sammlung auch von hohem internationalem
Rang ist. Die Israelische Nationalbibliothek sorgte im Rahmen dieser internationalen Kooperation nicht nur für
die Digitalisierung der Objekte selbst, sondern half auch bei der Identifikation von einigen nur fragmentarisch
überlieferten Objekten maßgeblich mit. Wer im Online-Katalog QuickSearch auf die einzelnen Handschriften
aufruft, findet den Link zu den Digitalisaten, die auf der Website der Israelischen Nationalbibliothek gespeichert
sind.
Zu den bedeutendsten Stücken der digitalisierten Sammlung gehört eine Hochzeitsurkunde des 14. Jahrhunderts,
eine so genannte Ketubba (Cod. Hebr. 218). Sie ist das früheste erhaltene Exemplar einer illustrierten Ketubba
aus dem aschkenasischen Sprachraum und enthält einen reichverzierten Rahmen, auf dem das Brautpaar dargestellt
wird.
Von besonderem Interesse ist auch eine Bibel aus dem Jahr 1298/1299 mit der Bibelauslegung in Mikrographie (Cod.
Hebr. 16). Bei dieser Technik wird der in kleiner Schrift geschriebene Bibelkommentar verwendet, um Ornamente,
Tiere, aber auch Schriftzüge darzustellen. In einem dieser Schriftzüge widmet der Schreiber die Handschrift
seiner Familie, die bei einem Pogrom in einer bisher nicht identifizierten Stadt ermordet wurde.
Hintergrund-Information zu den hebräischen Beständen
Schon im ältesten Katalog der ehemaligen Hofbibliothek aus dem Jahr 1576 werden hebräische Handschriften
genannt, die Sammeltätigkeit setzte also sehr früh ein. Erweitert wurde der Bestand in den folgenden
Jahrhunderten durch Stücke aus den Nachlässen gelehrter Bibliothekare ebenso wie durch Schenkungen und
Ankäufe. Heute wächst die Sammlung durch die Entdeckung von Fragmenten, die als Buchbindematerial in
späteren Handschriften und Drucken verwendet wurden. Diese Fragmente gehen teilweise auf Handschriften zurück,
die bei der Vernichtung jüdischer Gemeinden im Mittelalter, z. B. im Zuge der Wiener Gesera von 1421, zerstört
wurden; die erwähnte Ketubba fand sich etwa im Einband lateinischer Handschriften.
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