Der neue Bundeskanzler und der designierte Bundespräsident versprechen eine neue Politik.
Die Schuldenberatungen weisen auf dringende Reformen für überschuldete Menschen hin.
Wien (schuldenberatung) - Rund 300.000 Menschen sind in Österreich von Überschuldung betroffen,
sie können also ihre Schulden nicht zurückzahlen. Mit dem Privatkonkurs wurde ihnen vor 20 Jahren die
Möglichkeit gegeben, trotzdem einen Neustart zu schaffen und wieder vollwertiges Mitglied der Gesellschaft
und des Wirtschaftslebens zu werden.
Österreich gehört jedoch in zweierlei Hinsicht zum europäischen Schlusslicht: die Restschuldbefreiung
wird erst nach siebenjähriger Verfahrensdauer erteilt und es gilt eine Mindestquote von zehn Prozent. Insbesondere
bei geringem Einkommen oder bei hohen Schulden entstehen unüberwindbare Hürden, weil die erforderliche
zehn Prozent-Quote bei der Rückzahlung nicht erreicht wird. Derartige Mindestquoten existieren in kaum einem
europäischen Land – und es gibt eine klare Tendenz zur Verkürzung der Entschuldungsdauer auf maximal
fünf Jahre.
„Ich wünsche mir von Bundeskanzler und Bundespräsident, dass sie sich für überfällige
Reformen im Privatinsolvenzrecht einsetzen, auch gegen die starke Lobby von Banken und Gläubigervertretungen.
Es braucht auch für Überschuldete eine neue Politik“, sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer
der ASB Schuldnerberatungen GmbH. „Wenn der künftige Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagt, er
möchte, dass es in sechs Jahren allen Menschen besser geht, dann wird sich das für Menschen, die gerade
einen Privatkonkurs starten, nicht ausgehen. Sie müssen sieben lange Jahre am Existenzminimum leben. Und wenn
der neue Bundeskanzler Christian Kern Arbeitsmarktpolitik zur Priorität erklärt, dann ist die enge Verknüpfung
von Arbeitslosigkeit und Überschuldung unbedingt mitzudenken“, so Mitterlehner. Besonders arbeitslose SchuldnerInnen
sind vom Privatkonkurs ausgeschlossen, weil sie mit ihrem niedrigen Einkommen die Mindestquote nicht erreichen.
In den staatlich anerkannten Schuldenberatungen steigt der Anteil der arbeitslosen KlientInnen seit Jahren stetig
an und Arbeitslosigkeit ist der mit Abstand häufigste Überschuldungsgrund. Auch die Arbeitssuche gestaltet
sich mit hohen Schulden sehr schwierig: Viele Arbeitgeber scheuen sich, Menschen mit laufender Lohnexekution einzustellen,
weil Arbeitgeber als Drittschuldner agieren müssen.
„Es ist also dringend notwendig, arbeitslosen Menschen sehr schnell aus der Schuldenspirale zu helfen, damit sie
wieder Chancen am Arbeitsmarkt haben und in die Gesellschaft integriert sind“, sagt Mitterlehner. Alexander Maly,
Geschäftsführer der Schuldnerberatung Wien, ergänzt: „Bei der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist
es ein Wahnsinn, rund 300.000 Menschen von der Wirtschaft fern zu halten.“
|