Rheintalstädte gehen Weg konsequent weiter

 

erstellt am
06. 06. 16
11:00 MEZ

Kulturhauptstadt – Nach Stellungnahme des Landes Vorarlberg:
Bregenz (stadt) - Kunst und Kultur leben von Auseinandersetzung, vorausgesetzt, diese wird auch geführt. Im Kontext der Europäischen Kulturhauptstadt wurde die Diskussion in Vorarlberg mit Ulrich Fuchs (Linz 2009, Marseille 2013) im Rahmen der Kulturenquete des Landes im Februar 2015 gestartet. Die vier Rheintalstädte haben diesen Diskurs breit angelegt und ein Dossier ausgearbeitet, das etliche Aspekte der Kulturentwicklung der Region, deren Entwicklungsbedarf und insbesondere die Optimierung des Austausches mit Kulturschaffenden thematisiert. „Kultur wird nicht vom Land verordnet, Kultur entsteht in den Kommunen, bei und mit den Menschen“, so die Bürgermeister der Städte Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Hohenems unisono.

Europa der Regionen
Das Vorarlberger Rheintal ist mit rund 250.000 Einwohner(innen) der viertgrößte Ballungsraum Österreichs. Bezieht man noch im grenzüberschreitenden Umkreis von etwa 60 Kilometern den angrenzenden Bregenzerwald, den östlichen, süddeutschen Bodenseeraum (bis Friedrichshafen), das Schweizer Rheintal mit St. Gallen und das Fürstentum Liechtenstein mit ein, entsteht eine Europäische Region, deren logistische Zusammenführung – im Falle einer gemeinsamen Bewerbung – einen großen Entwicklungsschritt darstellt und zudem ein „Europa der Regionen“ manifestiert.

Nachhaltigkeit
Ausgehend von der Überlegung, dass städtetouristische Faktoren und kulturelle Prestigeprojekte nicht im Fokus einer zeitgemäßen Kulturhauptstadt stehen, können auf der inhaltlichen Seite sinnstiftende und überregional interessante gemeinsame Themenfelder strukturiert und entwickelt werden. So verweist etwa Paul Katzenberger in der Süddeutschen Zeitung vom 29. Januar 2015 darauf, dass bis in die 1990er-Jahre gerade die Metropolen als Kulturhauptstädte ausgerufen wurden, „was ihnen dann allzu oft sogar lästig war“. Jetzt seien es die zweiten, dritten oder vierten Städte eines Landes, so Katzenberger, die diesen Status erlangen. Aus seiner Sicht kommt mit der Stärkung dieser Städte (oder „Großdörfer“, wie er sie nennt) ein zutiefst europäischer Gedanke zum Tragen, dass nämlich der Kontinent seine Vielfalt nicht zuletzt aus dem „europäischen Hinterland“ bezieht.

Die Europäischen Kulturhauptstädte wollen dazu beitragen, den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und ein besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander zu ermöglichen. Ebenso soll dazu beigetragen werden, der europäischen Öffentlichkeit besondere kulturelle Aspekte der Stadt, der Region oder des betreffenden Landes zugänglich zu machen.

Die vier Städte haben mit der Bewerbung einen Prozess gestartet, der landesweit einmalig ist und vor allem auf eine nachhaltige und gemeinsame kulturelle Entwicklung im Rheintal abzielt. Zuletzt wurde dies in einer gemeinsamen Sitzung der Kulturausschüsse der Städte am 30. Mai in Hohenems bestätigt. „Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen des Projektes Europäische Kulturhauptstadt. Das betrifft nicht nur die einzelnen Projekte, sondern die gesamte Initiative,“ so Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold (Feldkirch). Das "Kulturhauptstadt-Jahr“ wird, das ist aus den bisher erarbeiteten Konzepten und Unterlagen deutlich ersichtlich, nicht als singulärer Event verstanden. „Dass sich die vier Rheintalstädte für eine nachhaltige kulturelle Entwicklung engagieren, ist einzigartig und hat im Zuge des bisherigen Entwicklungsprozesses eine landesweite Dimension angenommen. Weshalb sich das Land dagegen ausspricht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Vielmehr sollte das Engagement, das von der Basis gemeinsam mit Kulturschaffenden entstanden ist, unterstützt werden“ verdeutlicht Bürgermeisterin Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann (Dornbirn) den strategischen Prozess der Städte.

Kulturstrategie des Landes ohne Städte
Erstaunlicherweise wurde die Kulturstrategie des Landes völlig ohne Einbindung der Städte entwickelt. „Bis heute wurde kein Austausch, weder politisch noch auf Fachebene, mit den Städten gesucht. Kulturpolitik muss mit den Menschen vor Ort gestaltet werden und genau das verfolgen wir mit der Kulturhauptstadt. Wenn sich vier Städte auf den Weg zu einer engen Zusammenarbeit und Vernetzung machen, sollte das Land diesen Prozess aktiv unterstützen und nicht blockieren. Wir wachsen regional zusammen. Das muss auch in den Köpfen der Menschen gesehenen“, so Bürgermeister Dieter Egger (Hohenems). Die ArGe der Kulturhauptstadtbeauftragten führt hingegen öffentliche Diskurse und Gespräche, arbeitet an ersten Projekten für 2017 und 2018 und dokumentiert transparent und diskursiv diesen richtungsweisenden Prozess. „Wir bauen auf fundiertes Wissen einer aktiven und vernetzten Arbeitsgruppe, die sich seit mehr als einem Jahr mit der Thematik von Kulturentwicklung intensiv auseinandersetzt“, schließt Bürgermeister Dipl.-Ing. Markus Linhart.

Zeitgemäße Kulturpolitik
Offenheit und freie Gestaltungsräume sind wichtige Triebkräfte für kulturelle Impulse und Fortschritte. Allzu enge Zielvorgaben und Wunschbilder bewirken eher das Gegenteil und gelten im Allgemeinen als nicht besonders förderlich für die Weiterentwicklung unterschiedlicher gesellschaftspolitisch relevanter kultureller Schritte. Die ArGe der Kulturhauptstadtbeauftragten mit Christoph Thoma (Bregenz), Roland Jörg (Dornbirn), Harald Petermichl (Feldkirch) und Martin Hölblinger (Hohenems) haben von den Bürgermeistern den Auftrag bekommen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu treffen, was von den vier Kulturausschüssen mit überzeugendem Votum positiv beurteilt wurde. Denn was im ersten Moment widersprüchlich erscheint, ist als wesentliches Merkmal kultureller Bewegung und Dynamik zu sehen: Nichts ist eindeutig, sondern alles ist immer vielschichtig und mehrdeutig.

 

 

 

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