Agrarmarktkrise und Klimaschutz beschäftigen den Bundesrat
Wien (pk) - Gemeinsam mit Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter diskutierten die Ländervertreter
im Bundesrat aktuelle Fragen der europäischen Agrar- und Umweltpolitik, wobei alle RednerInnen die Sorgen
der MilchbäuerInnen wegen des dramatischen Verfalls der Erzeugerpreise auf unter 30 Cent teilten. Bundesminister
Rupprechter erklärte am 02.06. die Marktkrise erstens mit sanktionsbedingten Ausfällen beim Käseexport
nach Russland, wobei er Probleme bei der raschen Erschließung neuer Märkte einräumte. Dazu komme
zweitens das Auslaufen der Milchquote und die Steigerung der Produktion, etwa in Norddeutschland, Dänemark
und in den Niederlanden. Im Juli plane die EU, ein zweites Hilfspaket zu beschließen, berichtete der Minister,
der auch für die kurzfristige Entlastung der Betriebe plädierte und den Vorschlag des Abgeordneten Jakob
Auer unterstützte, den BäuerInnen durch eine befristete Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen
unter die Arme zu greifen. "Die Landwirtschaft braucht einen New Deal und eine Gesamtstrategie für den
Milchsektor", formulierte Rupprechter und setzte auf den für 14.06. geplanten Milchgipfel im Parlament.
Grundlage der Debatte bildete der Vorhabensbericht der Europäischen Union zur europäischen Agrarpolitik
im Jahr 2016 ( III-579-BR/2016 d.B.), der sich schwerpunktmäßig der Marktentwicklung und dem internationalen
Handel, aber auch der Kreislaufwirtschaft, dem Bürokratieabbau und einer besseren Abstimmung mit assoziierten
Märkten widmet. In der Umweltpolitik steht das Prinzip der Nachhaltigkeit im Vordergrund, sei es bei der Umsetzung
des Weltklimavertrags von Paris, der UN-Nachhaltigkeitsstrategie oder bei Gesetzesvorhaben für Biolandbau
und Biodiversität, in der Chemiepolitik oder in der Fischerei.
Samt: Landwirtschaft aus TTIP herauslösen
Mit Überschriften, wie sie der EU-Bericht liefere, werde man die Probleme der MilchbäuerInnen und die
Schockstarre in der europäischen und heimischen Agrarpolitik nicht lösen, sagte Peter Samt (F/St). Als
wichtigste Maßnahme für die MilchbäuerInnen forderte Samt die Wiedereinführung der Milchquote.
Statt Beiträge der Nettozahler für Marktstützungen auszugeben, sollte die EU die unnötigen
Sanktionen gegen Russland, so Samt, aussetzen. Opfer dieser Politik seien nicht nur die Milchbetriebe, sondern
die Wirtschaft insgesamt sowie der Tourismus. Beim Thema CETA/TTIP registrierte Samt starkes Interesse der Industrie
am Freihandel – die Interessen der BäuerInnen dürfen dabei aber nicht übersehen werden. "Die
Landwirtschaft soll aus TTIP herausgelöst werde", schlug Samt vor.
"Bauer sucht Zukunft", überschrieb Gerhard Dörfler (F/K) seinen Beitrag zu einer agrarpolitischen
Betandsaufnahme mit den Stichwörtern Milchsee, Preisverfall, Marktkrise, Bioproduktion unter Druck und Bauernsterben.
Dem Trend zur "Hochleistungstankstelle Kuh", die mit Harnstoffen gefüttert wird und immer mehr Milch
mit immer weniger Qualität liefere, erteilte Dörfler eine Absage und mahnte Respekt vor Tieren und KonsumentInnen
ein. Während immer mehr BäuerInnen aufhören, wachse die Agrarmarkt Austria immer rascher, kritisierte
Dörfler weiter und verlangte Bauern zu fördern statt die Agrarbürokratie. Probleme mit Russland
will Dörfler durch politische Verhandlungen statt mit Sanktionen lösen. Bei den Problemen der BäuerInnen
sagte der Bundesrat dem Minister Unterstützung durch seine Fraktion zu.
Lindner: Milch ist schon billiger als Mineralwasser
"Milch ist billiger als manches Mineralwasser", klagte Michael Lindner (S/O) und vermisste rückblickend
Programme, mit denen sich die MilchbäuerInnen auf das Auslaufen der Milchquote hätten vorbereiten können.
Der Kritik Dörflers an der Entwicklung zu "Turbokühen" schloss sich Lindner an, begrüßte
die Einberufung eines "Milchgipfels" im Parlament und forderte die Verlängerung der EU-Lagerprogramme
für Butter. Linder problematisierte die Verteilung der Mittel im EU-Agrarförderungssystem, insbesondere
die schlecht steuerbaren Flächenförderungen, die große Betriebe bevorzugen. Lindner präferiert
eine Schwerpunktverlagerung zur zweiten Säule, zur Förderung des ländlichen Raumes. Den historischen
Klimaschutzvertrag von Paris begrüßte der Redner und insbesondere die Parlamentarische Enquete über
dessen Umsetzung in Österreich, wobei er die Schwerpunkte Gebäudesanierung, Verkehr, Landwirtschaft und
erneuerbarer Energieträger betonte – an dieser Stelle wies Lindner auf lokale Solarenergie-Initiativen in
seiner Mühlviertler Heimat als Vorbilder hin.
Schreyer: Qualität statt Quantität in der Milchproduktion
Lob für die Autoren des Berichts spendete Nicole Schreyer (G/T), merkte aber zugleich kritisch an, ihr fehlten
die österreichischen Positionen zu den dargestellten EU-Vorhaben. Schreyer forderte die Erfüllung dieses
Verpflichtung durch den Minister beim nächsten Bericht. Die Rednerin der Grünen konzentrierte sich auf
die Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris, wobei sie Bemühungen Österreichs um niedrigere nationale
Ziele bei der Emissionsreduktion von Luftschadstoffen kritisierte. Forcieren statt abschwächen will Schreyer
auch die Umsetzung der Naturschutzrichtlinie – auch hier sei das Engagement Rupprechters gefordert, sagt sie. Bei
der Lösung der Milchkrise setzt Schreyer auf Qualitätsproduktion, höhere Standards und Ausbau der
Bioproduktion.
Tiefnig: BäuerInnen brauchen eine Strategie der Regionalität
Lob für den umfassenden und tiefgehenden Bericht zollte Ferdinand Tiefnig (V/O), der beim Thema "russischer
Agrarmarkt" darauf hinwies, dass dort wegen der zuletzt stark gestiegenen Eigenversorgung in Zukunft nur mehr
Spezialprodukte gefragt sein werden. "Der Druck auf den internationalen Agrarmärkten wächst",
registrierte Tiefnig, der eine Strategie der Regionalität als wichtig für die Zukunft der heimischen
Landwirtschaft bezeichnete. Angesichts der aktuellen Starkregenkatastrophe in seiner oberösterreichischen
Heimat brach Tiefnig auch eine Lanze für den Klimaschutz.
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