Ombudsstelle im Volksanwaltschaftsausschuss: Empfehlungen nur durch Gesetzgebung zu verwirklichen
Wien (pk) - Die bereits sehr gute Zusammenarbeit mit dem Parlament noch weiter zu intensivieren, das wünscht
sich die Volksanwaltschaft, sodass die Politik anstehende Probleme der Bevölkerung umfassend behandelt. Volksanwalt
Günther Kräuter spezifizierte dieses Anliegen mit dem 2014 in der Ombudseinrichtung gegründeten
NGO-Forum zur Schaffung des "Nationalen Aktionsplans Menschenrechte" der Bundesregierung unter Einbindung
der Zivilgesellschaft. Derzeit lägen von Regierungsseite die Arbeiten daran auf Eis, vor diesem Hintergrund
sei der Rückzug zivilgesellschaftlicher Organisationen vom Forum verständlich, so Kräuter. Erfreulich
findet er allerdings, dass ein Novellenentwurf zur Abschaffung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
bei Aufnahmen im öffentlichen Dienst kurz bevorsteht.
Im Austausch mit Kräuter und den VolksanwältInnen Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer ergaben sich
am 01.06. im Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats in zahlreichen anderen Bereichen ebenfalls Anknüpfungspunkte
für eine vermehrte Kooperation zwischen den Mitgliedern der Gesetzgebung und der Ombudsstelle, die ja ein
Kontrollorgan des Nationalrats ist. So sagte Brinek "ich hoffe auf einen Durchbruch gemeinsam mit dem Parlament"
in Bezug auf die Bestrebungen, das Sachwalterrecht zu reformieren. Fichtenbauer, der noch bis Ende Juni den Vorsitz
der Volksanwaltschaft innehat, lud die Abgeordneten ein, auf eine Erleichterung der Waffenpassausstellung für
Polizeibedienstete hinzuwirken.
Nachdem im Fokus der heutigen Ausschusssitzung die Verwaltungskontrolle stand, wird die Tätigkeit der Volksanwaltschaft
bei der präventiven Menschenrechtskontrolle in der nächsten Sitzung kommende Woche beleuchtet. Die Abgeordneten
vertagten den Bericht einstimmig.
Hohe Akzeptanz der Volksanwaltschaft ungebrochen
Für 2015 weist die Volksanwaltschaft (VA) im Gegensatz zu den Vorjahren einen Beschwerderückgang auf
– für Volksanwältin Brinek eine natürliche Entwicklung, angesichts der Rekordmeldungen an Beschwerden
zuvor. Mit insgesamt 17.231 Beschwerden über die öffentliche Verwaltung gab es um 2.417 weniger als im
Jahr 2014. Die ersten Plätze im Beschwerdeaufkommen nehmen aber weiterhin die Bereiche Inneres (28,16%), Soziales
(28,01%) und Justiz (14,31%) ein. In 8.181 Fällen wurde ein formales Prüfverfahren eingeleitet, 7.850
davon schloss die Ombudsstelle ab. Gemeinsam mit 2.308 erledigten Verfahren aus den Jahren vor 2015 ergab sich
ein Erledigungsgrad von 84,8%. Die Zahl von Missständen in der Verwaltung im Vorjahr beziffert der Tätigkeitsbericht
mit 1.812. Alle Fraktionen im Ausschuss zollten der Volksanwaltschaft großen Respekt für ihr Eintreten
im Sinne der Bevölkerung.
Volksanwaltschaft weiterhin kritisch zu Massenquartieren
Bei den im Tätigkeitsbericht 2015 geschilderten Besuchen in Einrichtungen für AsylwerberInnen wie dem
Erstaufnahmezentrum Traiskirchen registrierten die VolksanwältInnen in den überbelegten Unterkünften
vielfach Missstände, von mangelnder medizinischer Versorgung, gesundheitsgefährdenden und entwürdigenden
Sanitäranlagen bis zu Einschränkungen bei Nahrungsmittelversorgung und Schlafplätzen, selbst für
"besonders vulnerable Personen" wie Schwangere, Minderjährige oder Kranke. Bei ihren letzten Besuchen
in Traiskirchen habe man aber eine Entspannung der Situation ausgemacht, sieht Volksanwalt Kräuter eine Verbesserung
der Unterbringungsbedingungen. Seit Oktober 2015 kann das Innenministerium mittels Durchgriffsrecht auch gegen
den Willen von Ländern und Gemeinden Quartiere auf Grundstücken des Bundes schaffen. Speziell für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bilden Massenquartiere jedoch grundsätzlich keine geeignete
Unterkunft, denn gemäß UN-Kinderrechtskonvention müssen alle Minderjährigen ungeachtet ihrer
Herkunft gleich behandelt werden, mahnt die Volksanwaltschaft. Aufgeworfen wurde das Thema in der Ausschussdebatte
von SPÖ, Grünen und NEOS, wobei aus sozialdemokratischer Sicht die Bundesländer bei der Obsorgefrage
besonders in die Pflicht zu nehmen sind. Kräuter erinnerte hier erneut, für eine umfassende Sicherstellung
der Kinderrechte benötige die Volksanwaltschaft, auch wenn sie mit rechtlicher Expertise eindeutig Position
beziehe, das Parlament als gesetzgebende Kraft.
Von den 1.496 Geschäftsfällen, die das Innenressort vergangenes Jahr betrafen, bezogen sich 64% auf das
Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenpolizeirecht, vor allem weil sich die Beschwerdezahl wegen der Verfahrensdauer
im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) verdreifacht hat, geht aus dem Volksanwaltschaftsbericht hervor.
Das Innenministerium erkenne inzwischen, dass Personalmangel zur langen Bearbeitungsdauer bei Asylanträgen
geführt hat, meinte Volksanwalt Fichtenbauer. Zufrieden stellte er auf Nachfrage der NEOS fest, schon im Vorjahr
seien deswegen über 200 neue MitarbeiterInnen im BFA aufgenommen worden, eine weitere Aufstockung um mehr
als 500 Personen sei am Laufen, außerdem trügen eigens eingerichtete Außenstellen in den Bundesländern
zur Erleichterung bei.
Expertenbericht zu chronisch kranken Schulkindern im Herbst
Den Schutz Minderjähriger thematisierte Volksanwalt Fichtenbauer einmal mehr, als er näher auf die Situation
chronisch kranker Kinder an Schulen einging, denen ein Fachsymposium im Palais Epstein gewidmet war. Die Publikation
der Ergebnisse dieses Expertentreffens, vor allem zur stärkeren Einbindung der Lehrkräfte in die eventuell
nötigen medizinischen Anwendungen für Kinder mit Krankheiten wie Diabetes, erwartet Fichtenbauer im Herbst.
Wichtig sei unter anderem, LehrerInnen die Furcht vor einer Klage zu nehmen – zum Beispiel mithilfe eines Amtshaftungsrechts
-, wenn sie als medizinische Laien chronisch Kranken helfen. Hoch an der Zeit ist für ihn die Lösung
einer weiteren schulspezifischen Frage, nämlich der Flexibilisierung von Schulsprengeln. Aus den FPÖ-Reihen
wurde dazu von einem Problemfall berichtet, der einem begabten Mädchen beinahe den Besuch einer Musikhauptschule
verwehrt hätte.
Sachwalterschaft Probe für Vertrauen in Justiz
Als Problem für die Demokratie wertet Volksanwältin Brinek den in ihren Augen nicht zu negierenden Vertrauensschwund
der Bevölkerung gegenüber der Justiz, den auch die ÖVP ausmacht. Man gehe lieber zur Bezirkshauptmannschaft
als zum Gericht, das mit seiner Formalsprache traditionell eher abschreckend wirke, befand Brinek. Hinzu kämen
strukturelle Belastungen wie hohe Gerichtsgebühren und Gutachterkosten. Praktisch zeige sich das unter anderem
bei den Sachwalterschaften.
Der Tätigkeitsbericht zeigt auf, dass sich wie in den Jahren davor auch im Berichtsjahr 2015 eine Vielzahl
an BürgerInnen mit Beschwerden oder Anfragen in Sachwalterschaftsbelangen an die Volksanwaltschaft wandten.
Da Sachwalterinnen und Sachwalter durch Gerichtsbeschluss bestellt bzw. abberufen werden, kann die Ombudsstelle
die erhoffte Hilfestellung zwar oft nicht bieten, sie verweist die Anfragenden aber an die zuständige Stelle,
in diesem Fall die jeweilige Gerichtsabteilung, und hilft mit Informationen weiter. Die Kritik von FPÖ und
Team Stronach, die Arbeiten an einer Reform des Sachwalterrechts dauere zu lange für die vielen Betroffenen,
relativierte Brinek mit dem Hinweis, das Justizministerium wolle eine entsprechende Regierungsvorlage bis Jahresende
fertiggestellt haben, die Volksanwaltschaft sei eingebunden. Die beabsichtigte Novelle würde generell von
einer Befristung der Sachwalterschaft ausgehen, beziehungsweise diese Institution so weit wie möglich zurückdrängen,
unter anderem durch vermehrte Alternativensuche im Rahmen eines erweiterten Familienbegriffs. Zu klären sei
noch die Abgeltung von SachwalterInnen, sagte sie und verdeutlichte ihre Hoffnung, unterstützt vom Parlament
mit der Anwaltskammer eine Lösung zu finden.
Größtes Problem in der Sachwalterpraxis stellt aus Sicht der Volksanwaltschaft immer noch die oftmals
unzureichende Fürsorge der SachwalterIn gegenüber der besachwalteten Person dar, beziehungsweise der
fehlende Kontakt mit den Angehörigen. Finanziell würden Besachwaltete immer wieder ausgenützt und
erhielten nur geringfügige Beträge zur eigenen Verfügung, selbst wenn ausreichend Geldmittel in
einem Haushalt vorhanden sind.
Mindestsicherung: Rückfall zur "alten" Sozialhilfe problematisch
Welche Folgen ein Scheitern der Bund-Länder-Verhandlungen über eine neue Vereinbarung zur Mindestsicherung
haben könnten, wollen sich die Grünen nicht ausmalen. Tatsächlich sei dies ein brennendes Thema
für die Volksanwaltschaft, nahm Günther Kräuter in der Sitzung den Faden auf. Die Umwandlung der
Sozialhilfe in die bedarfsorientiere Mindestsicherung 2010 hatte die Volksanwaltschaft durch ihre Prüfungen
in diesem Bereich mitangestoßen. Grundübel ist für Kräuter immer noch die unterschiedliche
Leistungsauszahlung durch die Bundesländer, wiewohl das gemeinsame Ziel die Armutsbekämpfung ist. Eventuell
brauche es daher ein Grundgesetz für die Mindestsicherung, das österreichweit rechtskonforme Regelungen
vorsieht. Überlegungen, ab dem dritten Kind eine Leistungsminderung vorzusehen, sind nach Ansicht des Volksanwalts
nicht mit dem rechtlichen Gleichheitsgrundsatz vereinbar.
Zu einem weiteren heiklen Punkt im Sozialbereich, dem Pflegegeld, meinte er, vielfach hätten Beschwerden über
inakzeptable ärztliche Begutachtungen ihre Berechtigung, wenn eine herabwürdigende Behandlung des Begutachteten
erfolgt. Kräuter gab aber auch zu bedenken, in einigen Fällen sei die gewünschte höhere Pflegegeldeinstufung
sachlich einfach nicht gerechtfertigt. Nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen konnte er die Sorge der Grünen,
KünstlerInnen würden vom Arbeitsmarktservice häufig die Leistungen verweigert, sicherte aber diesbezügliche
Gespräche mit dem Sozialministerium zu.
Ausstellung von Waffenpässen für Polizei erleichtern
Eine Gesetzesänderung sehr wohl für geboten erachtet die Volkanwaltschaft bei der Ausstellung von Waffenpässen
an Polizeibedienstete. Nach geltender Rechtslage darf die Waffenbehörde nur dann Waffenpässe ausstellen,
wenn der oder die Betroffene glaubhaft macht, dass er oder sie besonderen Gefahren außerhalb des Wohnsitzes
oder des Berufsorts ausgesetzt ist. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach auch Polizeibedienstete
in den meisten Fällen keinen Waffenpass erhalten, bezeichnet Fichtenbauer als gesetzeswidrig, sei doch die
subjektive Bedrohungslage in Zeiten der erhöhten Terrorismusbedrohung augenscheinlich. Nach seinen Informationen
steht ein Novellenvorschlag zum Waffenbesitzrecht vor dem Abschluss, das Parlament möge das Seine dazu tun.
Heute schon von den Grünen zugesichert wurde der Volksanwaltschaft parlamentarische Mithilfe in einem anderen
Feld, nämlich der Aufhebung einer ministeriellen Verordnung, die bei Rindern die dauernde Anbindehaltung erlaubt,
obwohl das im Tierschutzgesetz verboten ist.
Ombudsstellen international teilweise in prekärer Lage
Das Internationale Ombudsmann Institut (IOI), seit 2009 mit Sitz in Wien, genießt Günther Kräuter
zufolge jährlich steigendes Interesse. Derzeit umfasse das IOI 175 Mitglieder aus aller Welt. Einige davon
arbeiteten unter großem Druck, nannte Kräuter zum Beispiel die Ombudseinrichtung in Polen, die unter
Budgetkürzungen leide und gegen die Medienkampagnen geführt würden. Als Zeichen der Solidarität
plane die österreichische Volkanwaltschaft deswegen eine Fahrt nach Warschau. Die kirgisische Partnerorganisation
sei begeistert vom verfassungsrechtlichen Standing der österreichischen Volksanwaltschaft, berichtete Fichtenbauer
von einem der beinahe wöchentlichen Besuchen aus dem Ausland, man werde weiterhin intensiven Kontakt halten.
Gemeinsam mit seiner Kollegin Brinek schilderte Kräuter dem Ausschuss zahlreiche weitere Initiativen auf internationaler
Ebene, von Trainings und Forschungsprojekten in verschiedenen Ländern bis hin zu Regionalsubventionen. Zusammen
mit den Ombudsstellen der Westbalkanländer, der Türkei und Griechenlands habe man einen Aktionsplan zur
menschenrechtlichen Unterstützung im Zusammenhang mit den Fluchtbewegungen nach Europa erstellt. Von amtswegigen
Untersuchungen, menschenrechtlichen Kontrollen, Gesprächen mit den Parlamenten bis hin zum Kontakt mit der
Öffentlichkeit würden alle Instrumente genützt, Hauptaugenmerkt liege immer auf besonders schutzbedürftigen
Gruppen wie minderjährigen, kranken oder älteren Flüchtlingen. Zudem organisiere man derzeit die
IOI-Weltkonferenz 2016, informierte Kräuter als Generalsekretär der internationalen Ombudsgesellschaft.
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