Bures: Möglichkeit von Wahlanfechtungen ist wichtiges demokratisches Instrument
Wien (pk) - Die am 8. Juli geplante Sitzung der Bundesversammlung zur Angelobung des designierten Bundespräsidenten
Alexander Van der Bellen wird trotz vorliegender Wahlanfechtungen vorbereitet. Allerdings wird die Sitzung nur
dann stattfinden, wenn bis dahin ein endgültiges Wahlergebnis vorliegt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht
ist. Das gab Nationalratspräsidentin Doris Bures am 10.06. bei einem Pressegespräch bekannt. Sollte der
Verfassungsgerichtshof die Wahl bzw. Teile der Wahl aufheben bzw. keine rechtzeitige Entscheidung treffen, würde
ab dem 8. Juli interimistisch das Präsidium des Nationalrats die Funktion des Bundespräsidenten übernehmen.
"Wir werden aber nicht Bundespräsident", stellte Bures für sich und ihre beiden Amtskollegen
klar, vielmehr übe man lediglich dessen Funktion aus.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) habe signalisiert, zeitgerecht eine Entscheidung treffen zu wollen. Grundsätzlich
beträgt die Frist für den VfGH bei einer Anfechtung der Bundespräsidentenwahl vier Wochen, das wäre
der 6. Juli. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass das Verfahren länger dauert, wenn komplexe Fragen
zu klären sind. Insgesamt liegen laut Bures acht Wahlanfechtungen vor, eine davon mit rund 150 Seiten. Bestätigt
der VfGH das amtliche Wahlergebnis, kann es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Das Parlament treffe
für alle Eventualitäten Vorkehrungen – "wir bereiten alles vor", so Bures.
Bures bekräftigte, dass Wahlanfechtungen "ein wichtiges demokratisches Mittel und legitim sind".
Nun müsse der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Allerdings ist sie einigermaßen überrascht, dass
eine relativ einfache Wahl, wie es die Stichwahl des Bundespräsidenten ist, für derartig viele Diskussionen
sorgt. Sie führt das auf das knappe Wahlergebnis zurück. Grundsätzlich sollte der Umstand, dass
die Parteien in den Wahlbehörden sind, verhindern, dass es zu Unregelmäßigkeiten kommt. Als Reaktion
auf die Debatte hofft Bures auf die rasche Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters. An der Briefwahl will
sie nicht rütteln, die Nationalratspräsidentin ist überzeugt, dass sich diese positiv auf die Wahlbeteiligung
auswirkt.
Einberufen werden muss die Bundesversammlung zur Angelobung des neuen Bundespräsidenten von Bundespräsident
Heinz Fischer, und zwar auf Vorschlag der Bundesregierung. Dies soll – unter dem Vorbehalt des Vorliegens der Kundmachung
des endgültigen Wahlergebnisses – auch so geschehen. Nationalratspräsidentin Bures will sich noch heute
mit einem entsprechenden Ersuchen an die Bundesregierung wenden. Auf den Einladungen zur Sitzung wird aber deutlich
vermerkt, dass diese nur dann stattfindet, wenn ein endgültiges Wahlergebnis vorliegt. In jedem Fall wird
am 8. Juli aber der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer im historischen Sitzungssaal des Parlaments feierlich
verabschiedet, da seine Amtszeit endet.
Hebt der Verfassungsgerichtshof die Wahl oder Teile der Wahl auf, wird es laut Bures rund 80 bis 100 Tage zur Neuwahl
dauern. Bis zur Angelobung des neuen Bundespräsidenten übt das Präsidium des Nationalrats die Funktion
des Bundespräsidenten als Kollegialorgan aus, wobei Nationalratspräsidentin Bures als Sprecherin fungieren
und Schriftstücke unterschreiben würde. Sie müsste sich jedoch mit ihren Kollegen Karlheinz Kopf
und Norbert Hofer abstimmen. Das Kollegium bleibt aber auch beschlussfähig, wenn ein oder zwei Mitglieder
verhindert sind. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet die Mehrheit, bei Stimmengleichstand gibt die Stimme
des ranghöheren Präsidenten den Ausschlag.
Eine derartige Interimslösung hat es in der Geschichte erst zweimal gegegeben, und zwar nach dem Tod von Franz
Jonas für drei Monate und nach dem Tod von Thomas Klestil für zwei Tage. Zuvor hatte laut der damals
geltenden Verfassung der Bundeskanzler die Funktion des Bundespräsidenten übernommen, wenn dieser dauerhaft
verhindert war.
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