Die letzte österreichische „Gerechte unter den Völkern“

 

erstellt am
13. 06. 16
11:00 MEZ

Edeltrud Posiles feiert 100. Geburtstag
Wien (rk) - Anlässlich des 100. Geburtstags von Edeltrud Posiles fand Anfang Juni im Maimonides Zentrum, einer Seniorenresidenz der Israelitischen Kultusgemeinde, wo die Wienerin seit 2010 lebt, fand eine Feier statt. Monika Beckmann, Leiterin der Bücherei Erdbergstraße, und Heimo Gruber, ehemaliger Mitarbeiter der Bücherei Erdbergstraße und Kollege von Gertrud Posiles, gratulierten der letzten noch lebenden österreichischen „Gerechten unter den Völkern“ im Namen der Büchereien Wien. „Edeltrud Posiles ist für unsere und alle noch nachfolgenden Generationen ein leuchtendes Beispiel an Zivilcourage und mutigem, selbstlosen Handeln. Wir sind ihr zu großem Dank verpflichtet“, betont Gruber.

Posiles wurde, wie viele ihrer FreundInnen und Verwandten, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. Dieser Ehrentitel bezeichnet nicht-jüdische Personen, die Jüdinnen und Juden vor der Ermordung durch den Nationalsozialismus retteten.

Mehr als 1.500 Menschen jüdischer Herkunft lebten während der Herrschaft des Nationalsozialismus in Österreich als „U-Boot“ im Verborgenen. Ein Drittel davon wurde entdeckt und ermordet. Dass die Brüder Hans, Ludwig und Walter Posiles von diesem Schicksal verschont blieben, ist vor allem dem Mut und der Zivilcourage der jungen Wienerin zu verdanken. Die damals 20-jährige Edeltrud Becher verliebte sich 1936 tschechoslowakischen Staatsbürger Walter Posiles, der in Wien eine Weinhandlung betrieb. Als das Paar schließlich heiraten wollte, wurde das durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die sogenannten Nürnberger Rassengesetze verunmöglicht.

Nach einigen Aufenthalten in Bratislava und Prag kam Edeltrud Becher mit Walter Posiles und seinen zwei Brüdern zurück nach Wien, wo Becher die Brüder in Wien-Neubau versteckte. Mit Kreativität, Improvisationstalent und viel Mut organisierte Becher Lebensmittel, gefälschte Ausweise und immer wieder neue Unterkünfte. Dabei konnte sie sich auf ein Netz von FreundInnen und Verwandten verlassen, die selbst im Widerstand aktiv waren und später als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet wurden.

1946 heirateten Edeltrud und Walter Posiles, die Ehe wurde zwar 1962 geschieden, die beiden blieben einander aber weiterhin freundschaftlich verbunden. Ihre letzten zehn Berufsjahre bis 1984 verbrachte Edeltrud Posiles als Bibliothekarin bei den Wiener Städtischen Büchereien, jetzt Büchereien Wien genannt. Ihre persönlichen Aufzeichnungen und Forschungen zu den Familien Posiles und Becher hat sie dem Wiener Stadt- und Landesarchiv übergeben.

 

 

 

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