VfGH: Deutlich mehr Normenprüfungen
 durch "Gesetzesbeschwerde"

 

erstellt am
10. 06. 16
11:00 MEZ

Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofs 2015 liegt Nationalrat vor
Wien (pk) - Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) musste sich im vergangenen Jahr deutlich öfter mit der Frage beschäftigen, ob gesetzliche Bestimmungen verfassungskonform sind. Konkret ist die Zahl der Anträge auf Gesetzesprüfung von 256 im Jahr 2014 auf 679 im Jahr 2015 hinaufgeschnellt. Das geht aus dem aktuellen Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofs hervor, der noch vom früheren Kanzleramtsminister Josef Ostermayer dem Nationalrat vorgelegt wurde ( III-273 d.B.). Hauptgrund dafür ist die Einführung der so genannten "Gesetzesbeschwerde", die es nunmehr auch Verfahrensparteien in Gerichtsverfahren ermöglicht, sich direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden, wenn sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer vom Gericht anzuwendenden Rechtsvorschrift haben. Erwartet wurden ursprünglich rund 150 zusätzliche Normenprüfungsverfahren pro Jahr, de facto hat es 2015 aber 321 Parteianträge, davon 312 gegen Gesetze gegeben. Gleichzeitig ist auch die Zahl der von den Gerichten selbst gestellten Anträge deutlich gestiegen.

Für den Verfassungsgerichtshof ist das eine enorme Herausforderung. Auch deshalb, weil die gesetzlichen Regelungen zur "Gesetzesbeschwerde" zahlreiche schwierige Fragen aufwerfen, wie im Bericht angemerkt wird. Trotzdem wollen die VerfassungsrichterInnen nicht an diesem Instrument rütteln, das ihrer Ansicht nach eine deutliche Verbesserung des Rechtsschutzes bringt und auch die Verfassung stärkt. Gefordert ist der VfGH darüber hinaus auch durch seine neue Rolle als Streitschlichter bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und durch die nach wie vor hohe Zahl von Asylbeschwerden.

VfGH hob 27 von 84 geprüften Gesetzesnormen zumindest teilweise auf
Auf die Zahl der aufgehobenen Gesetzesbestimmungen hatte die neue Anfechtungsmöglichkeit, zumindest vorerst, noch keine Auswirkungen. Von 84 geprüften Normen hob der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr 27 zumindest teilweise auf, das sind sogar weniger als im Jahr 2014 (45). Neben dem Hypo-Sanierungsgesetz HaaSanG hielten etwa das Verkaufsmonopol von Trafiken für E-Zigaretten sowie einzelne Bestimmungen im Datenschutzgesetz, im BFA-Verfahrensgesetz und im Versicherungsvertragsgesetz der Prüfung durch den VfGH nicht stand. Abgewiesen wurden hingegen etwa Beschwerden gegen das Bundesgesetz zur Schaffung der Hypo-Abbaueinheit HETA (GSA), das Glücksspielgesetz, das Öffnungszeitengesetz und das Schaumweinsteuergesetz. 254 Gesetzesprüfungsverfahren waren zum Jahresende noch offen.

3.488 abgeschlossene Verfahren, 8% der Beschwerden erfolgreich
Insgesamt hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2015 3.488 Verfahren erledigt. Dazu zählen neben 521 Gesetzesprüfungs- und 176 Verordnungsprüfungsverfahren auch 2.731 Bescheid- und Erkenntnisbeschwerden nach Art. 144 B-VG (davon 1.545 Asylbeschwerden), eine Staatsvertragsprüfung, 14 Wahlanfechtungen und zwei Anträge auf Mandatsverlust. Außerdem traf der Verfassungsgerichtshof zehn Entscheidungen in seiner neuen Rolle als Streitschlichtungsstelle in Sachen U-Ausschuss. Da gleichzeitig 3.551 neue Akten anfielen, stieg die Zahl der offenen Rechtssachen zum Jahresende von 910 auf 973 an. Acht dieser offenen Fälle datieren aus dem Jahr 2014.

In 304 Fällen (8%) gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin laut Bericht statt. Dem stehen 125 Abweisungen, 275 Zurückweisungen und 903 Ablehnungen gegenüber. Dazu kommen 1.658 negative Entscheidungen über Verfahrenshilfeanträge und 223 "sonstige Erledigungen" wie Verfahrenseinstellungen.

Ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der 2015 neu eingelangten Beschwerden fiel wieder auf Asylrechtssachen. Sie machten mit 1.560 Fällen 44% des Neuzugangs aus. Von der neuen Möglichkeit von Parteianträgen auf Normenkontrolle waren nicht nur 312 Gesetze betroffen, in sieben Fällen wurden Verordnungen und in zwei Fällen Staatsverträge beanstandet.

Durchschnittliche Verfahrensdauer sank auf fünf Monate
Die durchschnittliche Verfahrensdauer, vom Eingangsdatum bis zur Abfertigung der Entscheidung gerechnet, ist trotz der gestiegenen Zahl von Gesetzesprüfungsanträgen deutlich gesunken, und zwar von knapp sieben Monaten auf rund fünf Monate. Als Grund dafür wird im Bericht eine Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes angegeben, die Verfahrensvereinfachungen ermöglichte. Nicht berücksichtigt sind hier die Asylbeschwerden, deren Erledigungsdauer mit durchschnittlich 89 Tagen meist kürzer ist.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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