WIFO-Chef Aiginger fordert mehr Dynamik
 bei Zukunftsinvestitionen

 

erstellt am
08. 06. 16
11:00 MEZ

Wirtschaftsausschuss debattiert über Strategien zur nachhaltigen Entwicklung des Standorts Österreich
Wien (pk) - "Gegensteuern bevor es zu spät ist" lautet die Devise Karl Aigingers als Reaktion auf die aktuelle Wachstumsschwäche der österreichischen Wirtschaft. In der Sitzung des Parlamentarischen Wirtschaftsausschusses vom 07.06. mahnte der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) insbesondere Investitionen in Zukunftsbereiche wie Umwelttechnologie ein, rief aber auch zu einer Senkung der Besteuerung des Faktors Arbeit sowie zum Bürokratieabbau auf. Als Folge der Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen sind für Aiginger überdies tiefgreifende Änderungen des Steuersystems unumgänglich, wobei seine Präferenz vor allem in Richtung von Energie- und Emissionssteuern geht. Klar ist für Aiginger ebenso wie für Staatssekretär Harald Mahrer, dass sich Österreich in Zukunft stärker an den Innovationsführern orientieren muss.

Aiginger: Österreich muss wieder ökologische Exzellenz zurückgewinnen
Nach vielen Jahren der erfolgreichen Entwicklung verzeichnet Österreichs Wirtschaft augenblicklich einen "Durchhänger", diagnostizierte Aiginger. Als Ursachen dafür nannte er den Wegfall von positiven Schocks wie der Öffnung von Nachbarländern, aber auch die Konsumschwäche durch fallende Realeinkommen als Folge der kalten Progression und der im internationalen Vergleich hohen Inflation. Dazu kommen noch eine Investitionsflaute aufgrund geringer Auslastung der Unternehmen und gedämpfter Erwartungen sowie Fehler des Staates in der Steuerpolitik, wo der Faktor Arbeit zu stark belastet wird. Insgesamt habe man die vorausgegangene gute Entwicklung zu wenig für Vertiefungen und Reformen genützt.

Die Lage sei trotz allem nicht dramatisch, meinte Aiginger, der die Qualität des Standortes nach wie vor als sehr gut einschätzte. Nun gelte es aber, rechtzeitig gegenzusteuern, bevor es zu spät und zu teuer wird. Handlungsbedarf sah der WIFO-Chef nicht nur in Sachen Bürokratieabbau, sondern vor allem auch bei Zukunftsbereichen wie Bildung, Forschung und Umwelt. Hier dürfe sich Österreich nicht am europäischen Durchschnitt ausrichten, der Maßstab müssten vielmehr die Top 5 sein. Gerade der Rückfall im Bereich Umwelttechnologie sei bedauerlich, zumal Österreich hier hervorragende Chancen hätte. Aiginger rief zu einem Investitionsschub bei den neuen Technologien auf, um ökologische Exzellenz wieder zu gewinnen. Dies sei vor allem auch im Lichte des Pariser Klimaabkommens notwendig, das ja ein grundsätzliches Umdenken erfordere. So werde man nicht umhinkommen, Subventionen in fossile Treibstoffe zu reduzieren.

WIFO-Chef plädiert für Energiesteuern
Auch beim Steuersystem plädierte Aiginger für eine Neuausrichtung, wobei er vor allem die derzeitige Abgabenbelastung und insbesondere die Besteuerung des Faktors Arbeit als zu hoch kritisierte. Vorstellbar sind für Aiginger eine Energie- und Emissionssteuer als Folge der Pariser Verpflichtungen, wünschenswert wäre hier aber der Gleichklang mit den europäischen Partnern. Das Argument, derartige Steuern würden Unternehmen wie der VOEST schaden, ließ er nicht gelten. Exzellenz definiere sich heute durch Qualität in der Ausbildung, der Forschung und der Technologie, nicht aber durch die Energiekosten. Aiginger versicherte in diesem Zusammenhang SPÖ-Abgeordnetem Dietmar Keck, der hochwertige österreichische Stahl müsse keine Konkurrenz durch Importe aus China fürchten.

Mahrer kündigt Klima- und Energiestrategie an, warnt aber vor "Hüftschüssen"
Staatssekretär Harald Mahrer teilte die Einschätzung Aigingers und betonte, Österreich müsse sich an der Gruppe der Investitionsführer orientieren, bestehende Stärken weiter stärken und Schwächen in Stärken umwandeln. Angesichts der bevorstehenden technologischen Umwälzungen gehe es für Österreich auch darum, sich auf den Umstand einzustellen, dass das Auto und damit auch die Zulieferindustrie in Zukunft an Bedeutung verlieren werde. Der Staatssekretär erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die nach Paris neue Situation und kündigte die Ausarbeitung einer Klima- und Energiestrategie durch das Wirtschafts- und das Umweltressort an, warnte aber vor "Hüftschüssen".

Viel Sympathie für Aigingers Vorschläge
Die Forderungen Aigingers stießen in der Debatte auf positive Reaktionen seitens der Abgeordneten. Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner bezeichnete die Umwelttechnologien als entscheidende Zukunftschance des Wirtschaftsstandortes und warnte vor weiteren Investitionen in fossile Energien. Österreich sollte sich vielmehr rechtzeitig auf die Dekarbonisierung und den Umstieg auf alternative Energien vorbereiten, unterstrich sie und erinnerte an die entsprechenden Verpflichtungen aus dem Pariser Klimavertrag. Ihre Fraktionskollegin Ruperta Lichtenecker sah in der Umwelttechnologie auch eine Chance für die heimischen KMU und ortete überdies Handlungsbedarf bei der Umgestaltung des Steuersystems. FPÖ-Wirtschaftssprecher Bernhard Themessl gab zu bedenken, die Vorschläge Aigingers würden seit 30 Jahren schon auf ihre Umsetzung warten. Grünen-Abgeordnete Birgit Schatz warf in diesem Zusammenhang den Sozialpartnern vor, viele Entwicklungen zu bremsen, und rief zur Überwindung dieser realpolitischen Pattsituation auf. Die Betriebe brauchen endlich Entlastung, bekräftigte NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn und deponierte ebenso wie Lichtenecker die Forderung nach Bürokratieabbau und Entrümpelung der Gewerbeordnung.

Leopold Steinbichler (T) nahm die Steuervorschläge zum Anlass für einen Ruf nach einer Palmölsteuer.

Wertschöpfungsabgabe weiter umstritten
Die von Bundeskanzler Christan Kern jüngst wieder in den Raum gestellte Wertschöpfungsabgabe sorgte hingegen für Differenzen zwischen den einzelnen Fraktionen. SPÖ-Abgeordneter Wolfgang Katzian bemerkte, man müsse sich mit der Frage auseinandersetzen, wie wir in einer Zeit des Wandels die soziale Sicherheit garantieren können. Eine Wertschöpfungsabgabe wäre da ein wichtiger Schritt in diese Richtung und keine investitionsfeindliche Maßnahme. Matthias Köchl von den Grünen rief dazu auf, bei diesem Thema nach 30 Jahren der Diskussion nicht immer wieder in die alten Reflexe zu verfallen. Mit großer Skepsis bedachte hingegen Kathrin Nachbaur (V) die Idee der Wertschöpfungsabgabe, wobei sie einwandte, die Unternehmen seien ohnehin schon stark belastet, es müssten klügere Lösungen zur sozialen Absicherung gefunden werden. Innovation und Fortschritt ließen sich jedenfalls nicht durch staatliche Verordnungen aufhalten. Karl Aiginger hielt zwar die Idee für grundsätzlich diskussionswürdig, meinte aber, wenn es um eine Verbreiterung der Steuerbasis geht, dann sei sein erster Kandidat die Energiesteuer.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.parlament.gv.at

 

 

 

 

 

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