IWF-Direktorin Lagarde und Finanzminister Schelling diskutieren Europas Herausforderungen für
die Zukunft
Paris/Wien (bmf) - Zum bereits neunten Mal begrüßt Österreichs Finanzminister Dr. Hans Jörg
Schelling einen hochkarätigen Gast zu seiner Diskussionsreihe „Finanz im Dialog“. Christine Lagarde, Direktorin
des Internationalen Währungsfonds (IWF), sprach am 17.06. vor 500 Gästen in der Wiener Hofburg über
Europas Herausforderungen und Chancen der EU.
Finanzminister Hans Jörg Schelling bedankte sich bei Christine Lagarde ausdrücklich für ihre Bereitschaft,
wenige Tage vor dem Referendum in Großbritannien die IWF-Sicht auf Europa zu skizzieren und betonte dabei
auch, dass der IWF und die Eurogruppe bereits schon viele Probleme gemeinsam in Angriff genommen und gelöst
haben.
Lagardes Rede zur Lage Europas
„Weil wir heute hier in Wien sind, darf ich eine Analogie zwischen einer meiner Lieblingsopern – Mozarts Zauberflöte
– und der Geschichte Europas ziehen. Beide Geschichten zeigen den Weg aus der Finsternis ins Licht, von Misstrauen
hin zu Aufklärung und aus dem Chaos hin zum Beginn einer neuen Ära“, begann die IWF-Direktorin ihre Ansprache
unter dem Titel „Europe – Unity in Diversity“. „Europa ist seit der Geburt der Nationalstaaten im Zuge des Westphälischen
Friedens 1648 die größte und erfolgreichste Innovation. Die Mitgliedsstaaten sind durch Internationales
Recht miteinander verbunden, ganz im Sinne Emmanuel Kants. Es war möglich, die Staaten zu einigen – durch
den europäischen Binnenmarkt, die Einheitswährung Euro und den gemeinsamen Willen zur Europäischen
Integration. In Europa produzieren rund 500 Millionen Menschen gemeinsam 25 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.
Europa ist eine Erfolgsstory – doch wir müssen gemeinsam daran weiterarbeiten“, betonte Lagarde.
Europas Herausforderungen
In ihrer gut halbstündigen Rede zur Lage Europas identifizierte die IWF Chefin das Vermächtnis der Krise
in der Eurozone, die Flüchtlingswelle und die Abstimmung über einen möglichen Austritt Großbritanniens
aus der EU als die größten Herausforderungen.
„Europa hat schon oft bewiesen, dass es geeint und gemeinsam stärker ist. Daran sollte Europa auch in Zukunft
weiterarbeiten, um international mithalten zu können“, so die IWF-Direktorin. „Flüchtlinge müssen
so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die europäischen Mitgliedsstaaten müssen
koordiniert ihre Fiskalpolitik weiterführen und Krisenprävention betreiben, um Wachstum und Beschäftigung
zu generieren. Und Großbritannien sollte sich daran erinnern, dass seine Erfolgsstory unweigerlich mit dem
Beitritt zu Europäischen Union verbunden ist“, betonte Lagarde und führte dabei die drei Problemfelder
stärker aus.
Lösungen für Europa
Im zweiten Teil ihrer Ansprache führte Lagarde mögliche Lösungsansätze an, die Europa für
die Zukunft krisensicherer machen sollten: Die Steigerung der Lebenserwartung, die Erhöhung der wirtschaftlichen
Widerstandskraft sowie eine Inklusion innerhalb der Währungsunion. „Europa muss sich gegenüber 6,5 Milliarden
Menschen behaupten. Aber ich weiß, Europa hat alles, was es dazu braucht: Europa kann im Wettbewerb, bei
Innovationen und bei der Forschung absolut mithalten – Europa ist bereit für eine ‚next revolution‘. Europas
Kreativität und Unternehmergeist müssen gefördert und finanziert werden“, so Lagarde. Lagarde sprach
auch vom einstigen ‚sick man of Europe‘ – nämlich Deutschland: „Vor knapp 10 Jahren noch als das Sorgenkind
Europas bekannt, ist Deutschland jetzt die stärkste Volkswirtschaft innerhalb der Eurozone“, erinnerte Lagarde
daran, dass nichts in Stein gemeißelt sei und ein gemeinsames Fortkommen nur durch gemeinsame Veränderungen
möglich sei.
Zum Schluss ihrer Ansprache kehrte Lagarde wieder zum Vergleich mit der Zauberflöte zurück: „Mozart hat
es geschafft, das hohe C einer Königin der Nacht mit den Melodien eines Papageno zu einem Meisterwerk zu verbinden.
Auch Europa ist zur Integration fähig, davon bin ich fest überzeugt – das sind wir unseren Kindern und
Kindeskindern schuldig.“
Im Anschluss fand eine rege Diskussion unter Publikumsbeteiligung zu den Themen Griechenland, Bankenunion und einen
möglichen drohenden ‚Brexit‘ statt.
Sowohl IWF-Direktorin Christine Lagarde als auch Finanzminister Schelling präsentierten sich als unerschütterliche
Optimisten und Verfechter der Europäischen Idee. „Wir werden in weiteren Marathonsitzungen für dieses
Europa kämpfen“, waren sich die beiden abschließend einig.
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