Nationalrat: Standing Ovations für scheidenden Rechnungshofpräsidenten
Wien (pk) - Einfacher, transparenter und aufgabenorientierter soll der neue Finanzausgleich werden – das
ist das Ziel bei der Reform des Finanzausgleichs, über die Finanzminister Hans Jörg Schelling derzeit
mit Ländern und Gemeinden verhandelt. Überwindung der Kompetenzzersplitterung, Stärkung der Wirkungsorientierung
und Entflechtung der Zahlungsströme zwischen den Gebietskörperschaften zählen auch zu den 1007 Vorschlägen,
die Rechnungshofpräsident Josef Moser vorlegte, ehe er sich am Ende seiner zwölfjährigen Funktionsperiode
am 16.06. mit Standing Ovations der Abgeordneten aus dem Nationalrat verabschiedete.
Zu einem wesentlichen Aspekt des Finanzausgleichs, zur Gemeindefinanzierung, lag dem Nationalratsplenum heute ein
überaus kritischer Bericht des Rechnungshofs zum Finanzzeitraum 2008 bis 2013 ( III-249 d.B.) samt Fallbeispielen
aus Niederösterreich und der Steiermark vor. Mittelpunkt der Debatte waren zentrale Instrumente der Gemeindefinanzierung:
Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel mit dem der Bund den kommunalen Anteil am gemeinsamen Steuerertrag
(2013: 7,71 Mrd. €) auf alle Gemeinden aufteilt und die Bedarfszuweisungen (2013: 1,12 Mrd. €), mit denen Länder
finanziell notleidenden Kommunen unter die Arme greifen. Den abgestuften Bevölkerungsschlüssel kritisiert
der Rechnungshof als ein historisches System, das ohne Bezug zu aktuellen Entwicklungen Besitzstände wahrt.
Bedarfszuweisungen verschieben die Finanzkraft von großen zu kleinen Gemeinden, ohne Ausgabenstruktur und
Einsparungspotentiale zu berücksichtigen und ohne Wirkungen und Ziele der Zuwendungen auszuweisen. Der Rechnungshof
empfiehlt, die Gemeindefinanzierung zu evaluieren, unterschiedliche Anforderungen der Gemeinden, deren Finanzkraft
und Finanzkraft–Kopfquote nach einheitlichen Methoden zu ermitteln und die mit Bedarfszuweisungen angestrebten
Wirkungen transparent festzulegen. Zur Vereinfachung der Verwaltung empfiehlt der Rechnungshof, Bedarfszuweisungen
in den Finanzausgleich einzubeziehen und das Bedarfszuweisungsgesetz außer Kraft zu setzen.
Lob und Anerkennung für Rechnungshofpräsident Josef Moser
Dieser Bericht zur Gemeindefinanzierung war der letzte, den der scheidende Rechnungshofpräsident Josef Moser
am Ende seiner zwölfjährigen Funktionsperiode vor dem Nationalrat zu vertreten hatte. Ehe die Abgeordneten
den Bericht einstimmig zur Kenntnis nahm, würdigten RednerInnen aller Fraktionen mit dem vorsitzführenden
Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf an der Spitze die hervorragenden Leistungen Josef Mosers an der Spitze
des Rechnungshofs und verabschiedeten ihn mit Standing Ovations.
"Sie haben die Aufgabe des Rechnungshofs im Sinne des Controllings verstanden und die ParlamentarierInnen
mit hervorragenden Hinweisen versorgt, sagte Präsident Kopf und fügte hinzu: Moser habe dem Rechnungshof
als Kontrolleinrichtung des Parlaments ein Gesicht gegeben und zu seiner Reputation und Glaubwürdigkeit beigetragen.
Die Abgeordneten brachten dem scheidenden Rechnungshofpräsidenten ihren Dank für die gute Zusammenarbeit
und seine Objektivität vielfach in sehr persönlichen Worten zum Ausdruck. Ausschussobfrau Gabriela Moser
lobte nicht nur die Qualität der Berichte und Empfehlungen des Rechnungshofs sowie Josef Mosers internationales
Engagement, sondern auch seine Freundlichkeit und seinen Humor. Hermann Gahr (V) sah die Empfehlungen Mosers als
ein Vermächtnis für die Zukunft und Wolfgang Zanger (F) versprach Moser, sich für die Umsetzung
seiner Vorschläge zur Weiterentwicklung des Rechnungshofs einzusetzen. Die politisch inspirative Wirkung seiner
Analysen und Empfehlungen würdigte Matthias Strolz (S).
SPÖ für Direktfinanzierung der Kinderbetreuung ohne Umweg über die Länder
Für die SPÖ dankte Elmar Mayer (S), der die Debatte zum Rechnungshofbericht einleitete, dem Rechnungshofpräsidenten
für die Informationen, Aufklärungen und übersichtlichen Darstellungen, mit denen er die Abgeordneten
versorgt hat. Die Neuausrichtung des Finanzausgleichs sei angesichts der dramatischen Fehlentwicklungen, die der
Rechnungshof aufzeigt, unerlässlich, sagte Mayer und kritisierte die Zunahme von Zahlungsströmen zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden außerhalb des Finanzausgleichs. Im Rahmen von 15a-Verträgen würden
die Wünsche des Bundes, etwa bei der Ganztagsbetreuung von Kindern, nicht umgesetzt. "Wer zahlt, soll
auch anschaffen können", sagte Mayer und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass Finanzminister Schelling
seine zukunftsweisenden Reformansätze in den Verhandlungen mit den Ländern umsetze. Fraktionskollege
Erwin Preiner nannte es ungerecht, dass große Gemeinden mehr Geld aus dem Finanzausgleich bekommen, während
kleine Kommunen im ländlichen Raum große Ausgaben und Infrastrukturinvestitionen zu tragen haben. Preiner
will mit einem Sockelbetrag und der Dotierung von Aufgaben dafür sorgen, dass alle Menschen in Österreich
im Finanzausgleich gleich behandelt werden, egal wo sie wohnen. In dieselbe Kerbe schlug Marianne Gusenbauer-Jäger
(S), die auf steigende Ausgaben der Gemeinden – Lebensraum der Menschen - und deren Leistungen in der Daseinsvorsorge
und für Infrastrukturinvestitionen hinwies sowie auf die vielen Menschen, die dort Beschäftigung finden.
Die Mandatarin schlug vor, Transfers zu entflechten und im neuen Finanzausgleich Mittel für die Kinderbetreuung
direkt, ohne Umweg über die Länder an die Gemeinden zu überweisen. Dieser aufgabenorientierten Idee
schloss sich auch Karin Greiner (S) an. Ruth Becher (S) bekannte sich ebenfalls zur zweckgewidmeten Zuweisung von
Finanzausgleichsmittel, wobei die Wiener Abgeordnete auf den besonderen Finanzbedarf großer Gemeinden bei
der Lösung der Wohnungsprobleme infolge des überdurchschnittlichen Bevölkerungszuwachses in den
Ballungsräumen hinwies. SPÖ-Abgeordneter Philipp Kucher drängte in der heißen Phase der Finanzausgleichsverhandlungen
auf eine Neuaufstellung und auf Überwindung der Kompetenzzersplitterung samt klarer Aufgabenverteilung.
ÖVP mahnt beim Finanzausgleich Rücksicht auf kleine Gemeinden ein
Von Seiten der ÖVP bekannte sich Hermann Gahr (V) zur Überwindung der historisch gewachsenen Komplexität
des Finanzausgleichs und nannte mehr Transparenz, klarere Ziele und Aufgabenorientierung als zentrale Punkte einer
Reform, die dazu führen soll, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in einer Hand zu vereinen. Johann
Singer (V) empfahl, die Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofs im neuen Finanzausgleich zu nützen,
verteidigte aber zugleich die Länder gegen Kritik und verwahrte sich vor Formulierungen in der Debatte, die
den Eindruck erwecken, Geld versickere in dunklen Kanälen. Bedarfszuweisungen nützen kleinen Gemeinden,
die aus dem Finanzausgleich pro Kopf gleich viele Mittel erhalten wie Gemeinden über 10.000 Einwohnern. Bei
der Reform dürfen Betroffene und Probleme kleiner Gemeinden nicht übersehen werden, sagte Singer.
Grüne für Föderalismusreform und Sorgfalt beim Umgang mit Steuergeld
Gabriela Moser (G) betonte die Empfehlungen von Rechnungshofpräsident Moser, Steuergeld nur dort einzusetzen,
wo Verantwortung für einen sparsamen Einsatz der Mittel garantiert sei. Für die Reform der finanziellen
Verhältnisse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bedeute dies die Notwendigkeit einer Aufgaben- und
Ausgabenreform. Derzeit fließen Millionen an Steuergeld unter dem Titel Föderalismus alljährlich
in komplexe Strukturen, die längst beseitigt gehörten, sagte Moser. Darüber bestehe Konsens zwischen
ExpertInnen, Rechnungshofpräsident und Finanzminister. Dennoch versickere Geld weiter, das Eltern, Kinder,
PädagogInnen und Pflegebedürftige dringend brauchen. "Alle wollen Reformen aber nichts gehe weiter",
klagte Moser, die ihre Hoffnungen auf die Reformgemeinschaft der Fraktionsführer im Rechnungshofausschuss
setzt. Fraktionskollege Bruno Rossmann (G) sah den abgestuften Bevölkerungsschlüssel als Dauerbaustelle
des Finanzausgleichs und meinte, die Kritik des Rechnungshofs komme zur richtigen Zeit. Der Finanzausgleich brauche
neue Ziele und neue Kriterien für den regionalen Ausgleich, denn er habe sich zu einem Instrument zur Wahrung
von Besitzständen entwickelt. Die Reform des Finanzausgleichs brauche ein neues Föderalismusmodell und
eine neue Herangehensweise nach dem Vorbild des Schweizer Reformprozesses, das aus Besitzstand- und Blockadedenken
herausführt und das "Weiterwursteln" mit 15a-Verträgen beendet.
NEOS schöpfen Inspiration aus den Ideen Josef Mosers
Matthias Strolz (N) sah die große Leistung des Rechnungshofs darin, seinen kritischen Finger in die Wunden
der Republik zu legen, wo viel Geld in dunklen Kanälen versickere. Man wisse viel zu wenig, was mit dem Geld
geschehe, das der Bund in die Länder schicke, meinte Strolz, weil "Landesfürsten" keinen Einblick
geben, wohin das Geld fließe. Die Kritik des Rechnungshofs sei für ihn eine politische Inspirationsquelle,
hielt Strolz fest und versprach Rechnungshofpräsident Moser, sich mit aller Kraft für die Umsetzung seiner
1.007 Vorschläge einzusetzen. Für Fraktionskollegin Angela Gamon ist der bestehende Finanzausgleich kaputt.
Diesem historischen System fehle jede Logik, es wahre mit dem Getränkesteuerausgleich Besitzstände, was
in ihrem Bundesland
Vorarlberg etwa dazu führe, dass wenige kleine Gemeinden die höchsten Prokopfanteile am Finanzausgleich
erhalten. Statt an den kostspielig verwalteten Bedarfszuweisungen festzuhalten, empfiehlt Gamon darüber hinaus,
Gemeindemittel ziel- und aufgabenorientiert zu verteilen.
FPÖ ortet einen Sumpf der Geldverschwendung
Als einen Sumpf der Geldvernichtung bezeichnete Gerald Hauser (F) den Finanzausgleich und kritisierte den aufgabenorientierten
Bevölkerungsschlüssel als ungerecht, weil er Gemeinden über 10.000 Einwohner bevorzuge. Was nach
dem Krieg beim Wiederaufbau der zerstörten Stätte sinnvoll gewesen sei, sei nunmehr ungerecht, sagte
Hauser und bekannte sich dazu, den Finanzausgleich im Sinne der Empfehlungen des Rechnungshofs an den jeweiligen
Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden auszurichten. Wolfgang Zanger (F) würdigte die Arbeit von Rechnungshofpräsident
Josef Moser und dankte ihm für sein Vermächtnis, eine Publikation mit 1.700 Reformempfehlungen, sowie
für seine Vorschläge zur Weiterentwicklung des Rechnungshofs.
Den Darstellungen der Opposition trat Dorothea Schittenhell (V) entschieden entgegen und brach eine Lanze für
die Gemeinden, deren BürgermeisterInnen bei jeder Investition genau nachweisen müssen, wofür sie
Gelder aus dem Finanzausgleich verwenden. Veränderungen seien notwendig, man müsse aber dafür sorgen,
dass die Gemeinden für steigende Kosten und zunehmende Aufgaben, etwa bei der Pflege, ausreichend Geld bekommen.
Team Stronach für Bereinigung von Komptenzzersplitterungen
Martina Schenk (T) unterstrich die "Evergreens" im vorliegenden Rechnungshofbericht: Vorschläge
zur Bereinigung des Kompetenzzersplitterung, zur Zusammenführung von Ausgaben- und Aufgabenverantwortung,
zur Verbesserung interner Kontrollsysteme und für klare Richtlinien beim Umgang mit Steuergeld, insbesondere
auch bei der Verwendung von Gelder aus 15a-Verträgen bei der Kinderbetreuung.
Abschließend befasste sich Rupert Doppler (o.F.) mit Fehlern bei der Zuweisung und Verbuchung von Finanzausgleichsmitteln,
die auf das viel zu komplizierte Verteilungssystems zurückzuführen seien. Statt dessen sollten im neuen
Finanzausgleich die Leistungen und Aufgaben der Gemeinden berücksichtigt werden.
Josef Moser plädiert auch beim Abschied für Reformen
Rechnungshofpräsident Josef Moser dankte für die Anerkennung, die die Abgeordneten der Arbeit des Rechnungshofes
entgegenbringen und reichte das Lob umgehend an die MitarbeiterInnen des Rechnungshofs für deren engagierte
Tätigkeit weiter. Die Zusammenarbeit mit den Abgeordneten habe sich in den letzten zwölf Jahren hervorragend
entwickelt, resümierte Moser. Es sei gelungen, das öffentliche Problembewusstsein zu schärfen und
die positive Beurteilung des Rechnungshofs in der Öffentlichkeit zu stärken. Mehr als 1.100 Berichte
wurden in diesen 12 Jahren verfasst und 16.171 Empfehlungen abgegeben, von denen 80% umgesetzt wurden. Die Qualitätssteigerung
in der Arbeit des Rechnungshofs und das Bemühen, die Wirksamkeit der Empfehlungen zu erhöhen habe internationale
Anerkennung gefunden, berichtete Moser. Erfolge verbuchte der Rechnungshof zuletzt auch in seiner Öffentlichkeitsarbeit,
bilanzierte Moser weiter und wies auf 76.000 Pressemeldungen über sein Haus hin.
Besonders wichtig war Moser die Wertschätzung der Abgeordneten für die Arbeit des Rechnungshofes, weil
MandatarInnen die Möglichkeit haben, Empfehlungen umzusetzen. An diese Aussage knüpfte Moser seinen Appell,
auch die restlichen, noch nicht umgesetzten 20% seiner Empfehlungen, zu realisieren.
Moser machte auch auf die zunehmenden internationalen Aktivitäten des Rechnungshofs im Rahmen der INTOSAI
aufmerksam, auf erfolgreiche Initiativen des österreichischen Rechnungshofs im
Rahmen der Vereinten Nationen und auf die erfreuliche internationale Anerkennung, die der österreichische
Rechnungshof genießt.
Abschließend ging Rechnungshofpräsident Josef Moser noch einmal auf große Reformvorschläge
ein, auf die Überwindung der Kompetenzzersplitterung, die Stärkung der Wirkungsorientierung und die Entflechtung
der Zahlungsströme zwischen den Gebietskörperschaften. Handlungsbedarf sah Josef Moser auch bei der Reform
der öffentlichen Verwaltung. Es gelte sicherzustellen, dass öffentliche Aufgaben im Interesse der BürgerInnen
erfüllt werden können. Der Absicherung öffentlicher Leistungen dienen auch seine 1.007 Empfehlungen,
schloss der scheidende Rechnungshofpräsident Josef Moser.
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