Vom 17. Juni bis 30. Oktober 2016 im Unteren Belvedere
Wien (belvedere) - Die Erfindung der Fotografie im Jahr 1839 löste bei Künstlern Faszination und Schrecken
zugleich aus: Hatten beispielsweise Porträtmaler zu Recht Angst vor einem drastischen Rückgang ihres
Geschäfts, entdeckten andere rasch die zahlreichen Möglichkeiten, die ihnen das neue Medium eröffnete.
Sie benutzten es, um ihre Werke in billigen Reproduktionen unter die Leute zu bringen und auf demselben Weg Kenntnis
von den neuesten Trends im internationalen Kunstgeschehen zu erlangen. Doch auch als Erinnerungsstützen oder
direkte Vorlagen wurden Fotografien bald unentbehrlich. Viele Maler lernten, selbst mit der Kamera umzugehen, oder
beschäftigten Berufsfotografen, die hier eine spezielle Marktnische vorfanden. Auf Reisen, im Atelier und
im Kunstunterricht wurde unermüdlich fotografiert – ernsthaft oder zum Spaß –, was Lichtbilder hervorbrachte,
die sich von den Konventionen weit entfernten. Die Ausstellung "INSPIRATION FOTOGRAFIE - Von Makart bis Klimt"
in der Orangerie des Unteren Belvedere präsentiert vom 17. Juni bis 30. Oktober 2016 ein Thema, das an ein
Tabu rührt. Das Phänomen wird anhand einiger „Fallstudien“ beleuchtet, die sich entlang dreier Achsen
gruppieren: Maler sammeln Fotografie, Maler verwenden Fotografie, Maler fotografieren.
Die Ausstellung zeigt anhand von rund dreißig Gemälden, dreißig Zeichnungen und Druckgrafiken,
zwei Kameras aus dem 19. Jahrhundert und rund zweihundert Fotografien, wie Künstler von der Mitte des 19.
bis ins 20. Jahrhundert das Medium Fotografie für ihre Arbeit nutzten. Ausgangspunkte der von der Fotohistorikerin
Monika Faber getroffenen Auswahl waren vor allem in den Sammlungen des Belvedere verfügbare Werke, deren Entstehungsprozess
nun in neuem Licht gesehen werden kann. Von Carl Rahl bis Gustav Klimt, von Friedrich von Amerling bis Franz Matsch,
von August von Pettenkofen bis Emil Jakob Schindler, von Hans Makart bis Anton Kolig reicht das Spektrum der Künstler,
die auf ganz unterschiedliche Weise mit der Fotografie umgingen. War den Zeitgenossen sehr wohl bekannt gewesen,
dass Maler von Hans Makart bis zu den Mitgliedern von Gustav Klimts Künstler-Compagnie eine ausgesprochene
Vorliebe für die Fotografie hatten, man sie auch in der Akademie in Wien betrieb und sammelte, redete man
nach 1900 nicht mehr offen darüber. Der spielerische und kreative Umgang mit dem Medium, der bisher üblich
gewesen war, ging genau zu dem Zeitpunkt verloren, als die Wiener Secession erstmals Lichtbilder als eigenständige
Kunstwerke ausstellte.
„Für die Ausstellung "INSPIRATION FOTOGRAFIE - Von Makart bis Klimt" konnte das Belvedere eine profunde
Kennerin der historischen Fotografie, Monika Faber, als Kuratorin gewinnen. Das Arrangement der ausgestellten Werke
lässt die Besucherinnen und Besucher erstmals die vielfältigen Beziehungen zwischen Malerei und Fotografie
entdecken – der Umgang mit dem neuen Medium changiert zwischen Angst, Faszination und Inspiration, zeigt aber auch
erstaunlich spielerische Zugänge. Wir sehen uns mit der Tatsache konfrontiert, dass sich die Frage, wer sich
nun im Einzelnen mit dem neuen Medium auseinandergesetzt oder es für seine Zwecke genutzt hat, gar nicht stellt:
Das Phänomen war allgegenwärtig und wartet nun darauf, in weiteren Forschungen ausgewertet zu werden“,
so Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere und des
21er Haus.
Inspiration Fotografie: Wie sich die Kunst der neuen Technik bediente
Das Interesse für das technische Bild zieht sich durch das gesamte Spektrum der Malerei des 19. Jahrhunderts:
Wer sich auf Historiengemälde oder auf Orientbilder spezialisierte, wer dem „Stimmungsimpressionismus“ oder
eher dem Symbolismus anhing, dekorative Raumausstattungen, repräsentative Porträts oder intime Genreszenen
schuf, verzichtete nicht auf die Fotografie. Auch das Malen auf eigens dafür gekauften Fotografien wiesen
selbst anerkannte Meister wie Franz Alt nicht von sich. Und die Akademie der bildenden Künste in Wien erwarb
ab der Mitte der 1850er-Jahre Fotografien in-und ausländischer Provenienz in allerhöchster Qualität
– wer sich in Frankreich oder München mit den neuesten Strömungen der Malerei vertraut machte, lernte
ganz von selbst, Fotografien zu schätzen und als Inspiration oder Unterrichtsmaterial zu nutzen.
„Viele zeitgenössische Quellen belegen, dass ab 1875/80 der Griff zur Kamera schon am Beginn der Malerkarrieren
stand. Obwohl das Fotografieren an der Akademie der bildenden Künste in Wien nicht Teil der offiziellen Ausbildung
war, scheint etwa Leopold Carl Müller den Studenten seine Praxis der Stellung von Modellen als Erinnerungshilfe
und direkte Vorlage durchaus weitergegeben zu haben“, so Kuratorin Monika Faber.
Diese außergewöhnliche Konfrontation bietet die einmalige Gelegenheit, einen Blick in die Ateliers der
Maler zu werfen und neue Einblicke in den Entstehungsprozess ihrer Gemälde zu gewinnen.
Kuratorin: Monika Faber
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