Wien (wifo) - Wie eine aktuelle Untersuchung des WIFO zeigt, nahmen die Progressions- und die Umverteilungswirkung
des österreichischen Steuer- und Sozialabgabensystems zwischen 2007 und 2010 zu und blieben zwischen 2010
und 2016 weitgehend unverändert.
Die Belastung durch Einkommensteuer, indirekte Steuern und Sozialbeiträge machte im Jahr 2010 für die
privaten Haushalte durchschnittlich 39% ihrer Gesamteinkommen (Bruttomarkteinkommen zuzüglich monetärer
staatlicher und privater Transfers) aus. Für die Periode 2007/2016 ergibt sich insgesamt ein Rückgang
der Abgabenbelastung der privaten Haushalte um durchschnittlich 0,5 Prozentpunkte des Haushaltsgesamteinkommens.
Im unteren Drittel der Einkommensverteilung nahm die Abgabenbelastung zu, am stärksten im untersten Dezil
(10% der Haushalte mit dem geringsten Einkommen; +1,5 Prozentpunkte). Für die Haushalte zwischen dem 4. und
dem 9. Dezil verringerte sich die Belastung um 0,9 bis 1,2 Prozentpunkte, im obersten Dezil stieg die Gesamtbelastung
um 0,3 Prozentpunkte. Für die einkommensschwächsten Haushalte war dafür die Belastung durch Sozialbeiträge
und indirekte Steuern (u. a. Umsatzsteuer auf Nahrungsmittel und Mieten) ausschlaggebend, im obersten Dezil ausschließlich
der Anstieg der Einkommensteuerschuld relativ zum Gesamteinkommen.
Die Steuerreformen 2009/10 und 2015/16 erhöhten jeweils den Progressionsgrad der Einkommensteuer. Die Durchschnittsbelastung
durch die Einkommensteuer blieb zwischen 2007 und 2016 konstant bei rund 11% des Bruttogesamteinkommens.
Der Anteil der entrichteten indirekten Steuern am Gesamteinkommen fällt erwartungsgemäß mit zunehmendem
Haushaltseinkommen geringer aus. Während sich der Regressionsgrad der indirekten Steuern zwischen 2007 und
2010 etwas abschwächte, bewirkte insbesondere der starke Anstieg der Lebensmittel- und Mietpreise in den letzten
Jahren eine zunehmende Belastung der niedrigen Einkommen durch indirekte Steuern. Die Progressions- und Umverteilungsmaße
der indirekten Steuern liegen 2016 nahezu auf dem Niveau von 2010. Insgesamt nahm die Umverteilungswirkung des
Steuersystems (Einkommensteuer und indirekte Steuern) zwischen 2007 und 2010 sowie zwischen 2010 und 2016 zu.
Die Sozialbeiträge sind für alle Einkommensgruppen - mit Ausnahme der Haushalte in den zwei unteren Dezilen,
in denen die indirekten Steuern dominieren - gemessen am Haushaltsgesamteinkommen die Abgabe mit dem höchsten
Gewicht und machten im Jahr 2010 im Durchschnitt knapp 20% der Haushaltsgesamteinkommen aus. Sie wirken in Relation
zum Erwerbseinkommen ab der Geringfügigkeitsgrenze proportional und ab der Höchstbeitragsgrenze regressiv.
Bezogen auf die Haushaltsgesamteinkommen wirken die Sozialbeiträge allerdings leicht progressiv, da der Anteil
der Erwerbseinkommen am gesamten Haushaltseinkommen mit zunehmendem Haushaltseinkommen steigt. Für die Veränderung
der Abgabenbelastung durch Sozialbeiträge ist neben Änderungen der Sozialversicherungsbeitragssätze
das Zusammenspiel zwischen dem Wachstum der Bemessungsgrundlagen und den jährlichen Anpassungen der Geringfügigkeitsgrenze
sowie der Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung entscheidend. Die Belastung durch Sozialbeiträge
erhöhte sich in den unteren Dezilen zwischen 2007 und 2016 und sank aufgrund des überproportionalen Wachstums
der hohen Einkommen bei ab der Höchstbeitragsgrundlage konstanten Sozialbeiträgen in den oberen Dezilen.
Die Progressions-und Umverteilungswirkung der Sozialbeiträge schwächte sich daher ab. Die Umverteilungswirkung
des Steuer- und Sozialabgabensystems insgesamt stieg zwischen 2007 und 2010 leicht, blieb aber zwischen 2010 und
2016 weitgehend unverändert: Die Stärkung der Progressionswirkung durch die Steuerreformen wurde jeweils
durch die Schwächung der Umverteilungswirkung der gewichtigeren Sozialbeiträge konterkariert.
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