Entwurf zur nachhaltigen Sanierung freigegeben, Projekt im Zeit- und Kostenplan
Wien (pk) - Der Entwurf zur nachhaltigen Sanierung des Parlamentsgebäudes ist genehmigt. Mit der Sanierung
werden die Voraussetzungen geschaffen, das Parlament noch weiter für BürgerInnen und Bürger zu öffnen.
Einen Schwerpunkt bildet dabei der Ausbau des Dachgeschoßes. Den BesucherInnen werden sich völlig neue
Einblicke in das parlamentarische Leben, aber auch bisher unbekannte Ausblicke auf die Stadt eröffnen.
"Wir sind der Generalsanierung des Parlamentsgebäudes einen weiteren großen Schritt nähergekommen,
zog Nationalratspräsidentin Doris Bures am 13.06. im Rahmen einer Pressekonferenz Zwischenbilanz auf dem Weg
zu diesem Jahrhundertprojekt. Der Entwurf des Generalplaners ist in den vergangenen Monaten weiterentwickelt und
vertieft worden, hat alle Prüfinstanzen durchlaufen und konnte somit freigegeben werden.
Mit der Planung wurde auch die Kostenermittlung vertieft. Ergebnis: Das Projekt bewegt sich weiterhin innerhalb
des vorgegebenen Budgetrahmens. Per einstimmigem Gesetzesbeschluss von Juli 2014 ist die Kostenobergrenze für
die Sanierung mit 352,2 Mio. Euro festgelegt. Mit zunehmender Entwurfstiefe wird auch die Schwankungsbreite der
Kostenberechnung immer enger; sie beträgt derzeit +/-10 Prozent und ist durch Reserven bzw. Planungsvarianten
abgedeckt.
Das Projekt befindet sich auch im Zeitplan: In der tagungsfreien Zeit im Sommer 2017 wird der parlamentarische
Betrieb in die verschiedenen Ausweichquartiere abgesiedelt und unmittelbar danach beginnen die Sanierungsarbeiten.
"Die Planungen schreiten zügig, effizient und zielgerichtet voran", fasste NR-Präsidentin Bures
zusammen. Wichtig sei die hohe Funktionalität: "Wir sanieren das Parlamentsgebäude von Grund auf
und machen es zukunftsfit: Das sanierte Haus wird allen Anforderungen eines modernen Arbeitsparlaments genügen
und noch weiter für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes geöffnet werden", so Bures.
Nächster Schritt: Baugesuch im Sommer
Parlamentsvizedirektor und Projektleiter Alexis Wintoniak erläuterte die jüngsten Arbeitsschritte, den
Planungsstand und die nächsten Etappen. Der Entwurf des Generalplaners wurde zuletzt in einer Vielzahl an
Detailfragen – vom Keller bis zum Dachgeschoß – vorangetrieben und verfeinert. Das erfolgte in enger Abstimmung
mit der Parlamentsdirektion und den verschiedenen NutzerInnengruppen. Zudem wurde dieser breit angelegte Diskussions-
und Genehmigungsprozess von allen Fraktionen sowie von Projektsteuerung, Begleitender Kontrolle und Aufsichtsrat
der Projektgesellschaft begleitet. Was jetzt auf dem Tisch liegt, zeichnet sich bereits durch eine sehr große
Detailschärfe aus", stellte Wintoniak fest. Ziel sei, im Sommer eine inhaltliche und funktionale Grundlage
für die Einreichung des Baugesuchs vorliegen zu haben. "Wir sind zuversichtlich, das zu schaffen",
erklärte Wintoniak.
4.500 Quadratmeter neue Nutzfläche
Neben der nachhaltigen Sanierung ist eine weitere Öffnung des Hauses zentrales Ziel des Sanierungsprojekts.
"Dem Ausbau des Dachgeschoßes kommt dabei besondere Bedeutung zu", führte Architekt András
Pálffy (Generalplaner-Team Jabornegg & Pálffy_AXIS) aus. Voraussetzung dafür ist, dass das
Dach bauphysikalisch ertüchtigt, mit einer Dämmung versehen und zu einem guten Teil neu eingedeckt wird.
Dank dieser Maßnahmen werden bisher weitgehend brachliegende Raumpotenziale erschlossen und rund 4.500 Quadratmeter
neue Nutzfläche geschaffen.
Pálffy erläuterte die wichtigsten architektonischen Akzente:
Der Dachstuhl und die Zwischendecke über dem Nationalratssitzungssaal werden entfernt. Stattdessen wird ein
Glasdach eingezogen, das den Blick ins Freie eröffnet und für Öffnung und Transparenz steht.
Durch diesen baulichen Eingriff entsteht eine neue Ebene, ein Gästepanorama. Von diesem Rundumgang können
BesucherInnen auch in laufender Sitzung das Geschehen im Plenarsaal beobachten.
Der Dachstuhl über dem Historischen Sitzungssaal bleibt aus Denkmalschutzgründen erhalten, hier werden
neue Büroflächen geschaffen.
Über dem Mitteltrakt wird ein neuer gastronomischer Bereich entstehen, der die jetzige Cafeteria ersetzen
und auch für BesucherInnen zugänglich sein wird.
Links und rechts davon entstehen zwei multifunktionale Konferenzräume mit jeweils 160 Quadratmetern.
Vier Terrassen (Gesamtfläche rund 400 Quadratmeter) runden die völlig neugestaltete Dachlandschaft ab.
Von diesen aus wird sich nicht nur ein spektakulärer Nahebezug zu den Figurengruppen und den Wandreliefs ergeben,
darüber hinaus werden sich auch neue Blickwinkel auf die Stadt auftun.
"Mit dem Ausbau des Dachgeschoßes schaffen wir de facto eine zweite Beletage", brachte Architekt
Pálffy diesen Zugewinn auf den Punkt. Unter Rücksichtnahme auf die architektonische Qualität würde
Raum geschaffen, der das Haus noch attraktiver mache. Den Bürgerinnen und Bürgern würden dadurch
neue Einblicke in das Innenleben des Parlaments sowie neue Ausblicke auf die Umgebung eröffnet. Zudem würden
dringend erforderliche Arbeitsräume geschaffen.
Planungen zu Ausweichquartier auf Schiene
Auch das zweite Großvorhaben im Rahmen der Sanierung – die Übersiedelung in diverse Interimslokationen
– ist laut Projektleiter Wintoniak auf Schiene. Nationalrat und Bundesrat werden während der dreijährigen
Sanierungsphase in der Hofburg tagen. Die Planungen sind weit gediehen, erforderliche Einbauten werden von der
Burghauptmannschaft nach den Vorgaben des Parlaments durchgeführt.
Zudem werden auf dem Heldenplatz bzw. im Bibliothekshof der Hofburg insgesamt drei temporäre Pavillons für
Büroräume und Sitzungslokale errichtet. Der Auftrag dazu wurde nach einem EU-weit ausgeschriebenen Verhandlungsverfahren
an die Strabag AG vergeben, die als Totalunternehmer fungiert. Die Generalplanung erfolgt durch die Werkstatt Grinzing
WGA ZT GmbH.
Nachhaltig: Aus Parlaments-Pavillons könnten Kindergärten oder Einfamilienhäuser werden
Baubeginn für die Pavillons wird Anfang Oktober sein, die Übergabe ist für April 2017 vorgesehen.
Anschließend erfolgen die parlamentsspezifischen technischen Ergänzungen (EDV, Medientechnik, Sicherheit).
Die drei Häuser werden, rund um einen Erschließungskern in Massivbauweise, in einem innovativen Baukastensystem
errichtet, das von der Lukas Lang Building Technologies GmbH entwickelt wurde und geliefert wird: Vorgefertigte,
standardisierte Holzbauteile werden mittels Schraub- und Steckverbindungen an Ort und Stelle zusammengefügt.
Das ermöglicht kurze Bauzeiten ohne Schmutz- und Lärmbelästigung.
"Das System liegt in ökologischer Hinsicht im Trend der Zeit und ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet",
freut sich die Nationalratspräsidentin. Denn: Die für die drei Pavillons benötigte Menge an Fichtenholz
wächst in Österreich in gut 30 Minuten nach – und wird großteils wiederverwendet. Die Pavillons
werden nach der Rückübersiedelung des Parlaments in das sanierte Gebäude abgebaut, die Bauteile
werden vom Hersteller zurückgenommen und andernorts in anderer Konfiguration neu zusammengebaut. "So
könnten aus den drei Pavillons beispielsweise 9 Kindergärten oder 80 Einfamilienhäuser entstehen",
erklärt Bures.
Öffentlicher Auftritt im Sinne guter Nachbarschaft
Die Pavillons haben eine Grundfläche von ca. 30 x 40 Meter und drei (Heldenplatz) bzw. vier Geschoße
(Bibliothekshof). Das ergibt eine Nutzfläche von insgesamt rund 10.000 Quadratmetern. Zum Sonnen- und Sichtschutz
werden an den Fassaden Netzfolien angebracht, die bedruckt werden sollen. Die Gestaltung der Folien wie der gesamte
Auftritt des Parlaments im öffentlichen Raum sind Gegenstand eines Konzeptions- und Abstimmungsprozesses,
der im Laufe des Herbstes abgeschlossen sein soll.
"Wir sind uns dessen bewusst, dass wir uns in einem viel frequentierten, sensiblen Umfeld bewegen", sagte
Projektleiter Wintoniak. Dementsprechend würden die Aktivitäten im Sinne einer guten Nachbarschaft in
enger Abstimmung mit den betroffenen Institutionen geplant.
Vorarbeiten zu Übersiedelung in vollem Gange: Es wird entrümpelt und digitalisiert
Die Komplettabsiedelung aus dem Parlamentsgebäude stellt für sich eine enorme organisatorische und logistische
Herausforderung dar. Derzeit läuft das Vergabeverfahren für den Speditionsauftrag.
Die Übersiedelung selbst wird in der tagungsfreien Zeit im Sommer 2017 in mehreren Etappen (jeweils 100 bis
150 Arbeitsplätze) abgewickelt. Die letzte Sitzung des Bundesrates ist für 6. Juli anberaumt, am Tag
danach kann die Übersiedelung anlaufen.
Rund 700 fixe und temporäre Arbeitsplätze werden in Summe wandern. Die Vorarbeiten dazu sind voll angelaufen.
Um Volumen und Kosten möglichst gering zu halten, wird bereits seit einigen Monaten im großen Stil entrümpelt
und digitalisiert. Das betrifft einerseits diverse Unterlagen aus den Abteilungen (Akten, Dokumente, Korrespondenz,
Rechnungen etc.) in einem Gesamtumfang von rund 4.400 Laufmetern. Zwischen 50 und 60 Prozent davon sollen dank
Digitalisierung entsorgt werden können.
Außerdem läuft seit längerem ein großangelegtes Projekt zur elektronischen Erfassung parlamentarischer
Materialien. So sind bereits rund 180.000 Seiten stenografische Protokolle seit 1945 erfasst. Ebenso alle Regierungsvorlagen,
Ausschussberichte und selbständige Anträge (ca. 25.000 Dokumente) aus diesem Zeitraum. Derzeit erfolgt
die Erfassung von ca. 65.000 parlamentarischen Anfragen und Beantwortungen der Jahre 1919 bis 1995. Bis zum Beginn
der Übersiedelung sollen sämtliche parlamentarischen Materialien der Ersten und Zweiten Republik online
verfügbar sein.
Mehrere Großprojekte als enorme Herausforderung
"Alles in allem gilt es gleich mehrere Großprojekte parallel zu planen und in der Folge abzuwickeln",
fasste NR-Präsidentin Bures zusammen. Das erfordere Professionalität und Engagement, Zeit- und Kostendisziplin
sowie Feingefühl und Verantwortungsbewusstsein. Schließlich sei es nicht alltäglich, ein wertvolles
historisches Gebäude zu sanieren, das Parlament für drei Jahre an einen anderen Ort zu verlagern und
ein nahtloses Funktionieren des parlamentarischen Betriebs zu gewährleisten.
Bures: "Ich danke allen Beteiligten für ihren Einsatz. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bitte ich
darüber hinaus um Verständnis für diese außergewöhnliche Situation, die uns allen Teamgeist
und gegenseitige Rücksichtnahme abverlangen wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Aufgabe gemeinsam
meistern werden."
|