Was man bisher für Proteincluster auf Zelloberflächen hielt, ist in Wahrheit oft
lediglich eine Mehrfachzählung. Eine Methode der TU Wien kann beides nun unterscheiden.
Wien (tu) - Mit Licht kann man keine Strukturen abbilden, die kleiner sind als die halbe Wellenlänge
- zumindest dachte man das für lange Zeit. Die Entwicklung der sogenannten Nanoskopie hat allerdings gezeigt,
dass diese Regel gewisse Schlupflöcher offenlässt. Wenn man unterschiedliche Moleküle zu unterschiedlichen
Zeitpunkten aufleuchten lässt, kann man sie am Ende zu einem scharfen Bild zusammenfügen. Im Jahr 2014
wurde dafür der Chemie-Nobelpreis vergeben. Inzwischen ist die Nanoskopie eine weltweit angewandte Methode,
mit der unter anderem die Struktur der Zellmembran untersucht wird.
Dabei beobachtete man überraschenderweise immer wieder, dass sich Membranproteine in Gruppen zusammenzuballen
schienen. Auch an der TU Wien untersuchte man diese Cluster und erkannte, dass es sich bei vermeintlichen Gruppen
von Proteinen oftmals um einzelne blinkende Moleküle handelt, die mehrfach gezählt werden. Eine neue
Methode, die das Team der TU Wien nun im Fachjournal „Nature Methods“ publizierte, kann zwischen echten Clustern
und solchen Artefakten unterscheiden.
Moderne Abbildungsverfahren für die Biologie
„Für viele biologische oder medizinische Fragestellungen ist es entscheidend, die Struktur der Zellmembran
genau zu verstehen“, sagt Florian Baumgart von der Biophysik-Forschungsgruppe um Gerhard Schütz am Institut
für Angewandte Physik der TU Wien. „Nanoskopie ist ein ideales Werkzeug, um die räumliche Anordnung von
Proteinen auf der Zellmembran zu untersuchen. Wir forschen an T-Zellen, die Antigene erkennen und dadurch eine
zentrale Rolle in unserem Immunsystem spielen.“
Um Nanoskopie auf biologische Proben anzuwenden, werden Proteine mit fluoreszierenden Molekülen (sogenannten
Fluorophoren) markiert. In der klassischen Fluoreszenzmikroskopie ist ein einzelner Fluorophor nicht als klarer
Punkt, sondern als leicht verschwommene Scheibe sichtbar. Leuchten alle Moleküle der Probe gleichzeitig, überlappen
ihre Abbildungen und man verliert die Information über ihre räumliche Anordnung. Über einen chemischen
Trick kann man die Fluorophore allerdings zum Blinken bringen. Man nimmt dann eine Serie von Bildern auf, wobei
Jeweils immer nur einige wenige Fluorophore aufleuchten. Am Computer kann man die Position der Moleküle in
jedem Einzelbild bestimmen und daraus schließlich ein hochaufgelöstes Bild der Probe rekonstruieren.
Mysteriöse Cluster
„Verschiedenen Arbeitsgruppen haben in der Vergangenheit untersucht, wie die Proteine auf der Zellmembran angeordnet
sind. Dabei wurde immer wieder beobachtet, dass sich fast alle untersuchten Proteine nicht zufällig verteilen,
sondern an bestimmten Stellen geballt als Cluster vorzukommen scheinen“, erklärt Florian Baumgart.
Das wirkte durchaus glaubwürdig. Man wusste bereits, dass T-Zellen bei der Antigenerkennung in kurzer Zeit
stabile Proteincluster ausbilden können, die so groß sind, dass man sie sogar mit klassischer Fluoreszenzmikrokopie
nachweisen kann. Nanoskopisch kleine Proteincluster, so dachte man, könnten Vorläufer dieser größeren
Strukturen sein – mit entscheidender Bedeutung für die Funktion von T-Zellen.
Auch Baumgart machte sich auf die Suche nach solchen Nanoclustern. Aber Nanoskopie ist eben nicht so einfach wie
Urlaubsfotos schießen. Es gibt viele Fehlerquellen, man muss die gewonnenen Daten sorgfältig auswerten,
um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten. Manche Moleküle können wiederholt aufleuchten, diese mehrfachen
Lichtsignale kann man dann leicht als Molekülcluster fehlinterpretieren.
„Wir haben überlegt, wie man Cluster abwechselnd leuchtender Moleküle von einem einzigen, immer wieder
blinkenden Molekül unterscheiden kann“, berichtet Florian Baumgart. Gelungen ist das, indem die Konzentration
der zur Markierung verwendeten Fluorophore schrittweise verändert wurde. „In den aufgenommen Bildern können
zufällig verteilte Moleküle mehrfach abgebildet werden, oder es kann sich tatsächlich um Clusterbildung
handeln“, sagt Baumgart. „Doch statistisch unterscheidet sich die Verteilung der Molekülpositionen in den
beiden Fällen.“ Versammeln sich die Proteine tatsächlich in Clustern, dann werden dort zwar mehr Molekülpositionen
sichtbar, aber dazwischen bleiben dunkle Freiräume. Handelt es sich allerdings um einzelne Moleküle,
die mehrfach aufleuchten, dann wird bei steigender Konzentration fluoreszierender Moleküle die gesamte Fläche
der Probe mit Molekülpositionen aufgefüllt ohne sich lokal massiv zu häufen.
„Auf diese Weise fanden wir, dass die untersuchten Membranproteine der T-Zellen vor deren Aktivierung gar keine
Cluster bilden – diese Theorie muss verworfen werden“, sagt Florian Baumgart. „Es gibt auch Beispiele für
Proteine, die nachweislich molekulare Cluster ausbilden. Mit ihnen ergeben sich dann Bilder mit ganz anderen statistischen
Eigenschaften als die zufällig verteilten T-Zell Proteine.“
Die Methode, mit der man Proteincluster von mehrfach blinkenden Molekülen unterscheiden kann, wurde nun im
renommierten Fachjournal „Nature Methods“ publiziert. Sie soll in Zukunft helfen, Bilder aus der Nanoskopie richtig
zu deuten und die großen Rätsel der Zellmembran aufzuklären.
Originalpublikation: Baumgart et al.,
Varying label density allows artifact-free analysis of membrane-protein nanoclusters', Nature Methods, DOI: 10.1038/nmeth.3897
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