"Es wird der Tag kommen, wo man sagen kann, der westliche Balkan hat sich integriert in
die europäische Familie"
Ljubljana/Wien (hofburg) - Unter dem Eindruck des Brexit-Schocks feiert Slowenien am Freitagabend mit hohen
Staatsgästen den 25. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. "Wir werden diese Situation überwinden",
sagte Bundespräsident Heinz Fischer bei seiner Ankunft im Präsidentenpalast von Ljubljana am 24.06.,
wo sich unter anderem seine Kollegen Joachim Gauck (Deutschland) und Sergio Mattarella (Italien) versammelt hatten.
Präsident Gauck sagte in Anspielung auf den EU-Austritt der Briten, er feiere gerne mit "Freunden, die
treu zu Europa stehen, Europa weiterbauen, verteidigen und schöner machen wollen." Bundespräsident
Heinz Fischer sagte, es werde jetzt einen "Übergangsprozess" von zwei Jahren bis zum Austritt Großbritanniens
geben, "dann werden wir wieder geordnete Verhältnisse haben mit 27 Mitgliedern". "Ich glaube,
dass es für Großbritannien in Zukunft größere Probleme geben wird als für die Europäische
Union", fügte er vor österreichischen Journalisten hinzu.
Sloweniens Präsident Borut Pahor rief die EU-Staaten auf, nach dem Brexit eine tiefgreifende Reform der Union
in Richtung eines Bundesstaates zu beginnen. "Wenn nichts passieren wird, wenn es keine Visionen geben wird,
wird dieser langsame Zerfallsprozess der Union weitergehen", warnte der sozialdemokratische Politiker. Für
ein kleines Land wie Slowenien sei das Überleben der EU "von lebenswichtiger Bedeutung". Daher solle
in einer Volksabstimmung darüber entschieden werden, "ob wir in einer solchen föderalen Union sein
wollen".
Italiens Präsident Mattarella betonte, dass das europäische Projekt "im Namen der jüngeren
Generation" neu gestartet werden müsse. Seine kroatische Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic forderte,
dass die europäischen Bürger "mehr Einheit bei der Entwicklung des europäischen Projekts zeigen".
Von den geladenen Präsidenten der Nachbarländer Sloweniens hatte einzig der Ungar Janos Ader sein Kommen
kurzfristig abgesagt. Dafür war auch die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im französischen
Parlament und frühere Europaministerin Elisabeth Guigou nach Ljubljana gekommen. Sie sprach von einem "traurigen
Tag", doch könnten seine negativen Folgen eingedämmt werden, wenn die Europäische Union künftig
besser auf die Wünsche ihrer Bürger eingehe.
Slowenien hatte am 25. Juni 1991 gemeinsam mit Kroatien seine Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärt,
das daraufhin in blutigen Kriegen zerfiel. Bundespräsident Heinz Fischer sagte, die Unabhängigkeit Sloweniens
sei "unvergleichbar" mit dem Brexit. Während damals "viel Blut geflossen ist und großer
Hass im Spiel war", gebe es für den EU-Austritt Großbritanniens Spielregeln. Zugleich äußerte
er die Hoffnung, dass nach Slowenien (2004) und Kroatien (2013) auch die anderen früheren jugoslawischen Teilrepubliken
der EU beitreten. "Es wird der Tag kommen, wo man sagen kann, der westliche Balkan hat sich integriert in
die europäische Familie", sagte Heinz Fischer. Das werde "ein höheres Maß an Stabilität
bringen als es je existiert hat."
Für Bundespräsident Heinz Fischer ist die Teilnahme an der slowenischen Unabhängigkeitsfeier der
Auftakt der letzten Auslandsreise seiner zwölfjährigen Amtszeit. Ursprünglich hätte ihn der
designierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen begleiten sollen, doch verzichtete dieser wegen der laufenden
Wahlanfechtung "aus Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof", dessen Entscheidung er nicht vorgreifen
wolle.
Quelle: APA/Prk
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