Einzelhandelsumsatz wuchs 2015 um 2,1 Prozent nominell auf 59,2 Milliarden Euro
Wien (bank austria) - Österreichs Einzelhandelskonjunktur hat sich nach drei wachstumsschwachen Wirtschaftsjahren
2015 etwas erholt. Allerdings blieb das Umsatzwachstum mit 2,1 Prozent nominell unter dem langfristigen Wachstumsniveau,
wie der aktuelle Branchenbericht der Bank Austria Ökonomen zeigt. In Summe erlöste die Branche 59,2 Milliarden
Euro. „Für eine stärkere Konsumnachfrage fehlten vor allem Impulse von den Haushaltseinkommen. Zudem
ist der Druck am Arbeitsmarkt gestiegen und hat die Konsumentenstimmung im Lauf des Jahres wieder eingetrübt“,
analysiert Bank Austria Ökonom Günter Wolf.
Die höchsten Wachstumsbeiträge lieferte 2015 einmal mehr der Lebensmittelhandel. Inklusive des Lebensmittel-
und Getränkefachhandels trägt der Bereich über 23 Milliarden Euro beziehungsweise fast 40 Prozent
zum Einzelhandelsumsatz bei und ist seit 2010 um durchschnittlich 3,3 Prozent im Jahr nominell gewachsen – der
Einzelhandel insgesamt nur um 1,8 Prozent. Wie die Ergebnisse für das erste Quartal 2016 zeigen, profitiert
Österreichs Lebensmittelhandel im laufenden Jahr unverändert von überdurchschnittlich hohen Nachfragezuwächsen.
Für die relativ hohe Lebensmittelnachfrage sorgt vor allem das starke Bevölkerungswachstum.
Insgesamt haben sich die Rahmenbedingungen für die Einzelhändler im ersten Halbjahr 2016 verbessert,
vor allem weil die positiven Auswirkungen der niedrigen Inflation auf die Realeinkommen durch die Steuerreform
verstärkt worden sind. Die Einzelhändler selbst sind in ihren Konjunktureinschätzungen optimistischer
geworden, wobei der Saldo des Geschäftsvertrauens im April 2016 erstmals seit dem Frühjahr 2011 ausgeglichen
war und zumindest eine leichte Absatzbeschleunigung ankündigte. Dazu Wolf: „Trotz des erfreulichen Konjunkturumfelds
ist ein stärkeres Umsatzwachstum im Einzelhandel 2016 ausgeschlossen. Voraussichtlich wird ein größerer
Teil der verfügbaren Einkommen gespart und dem Konsum entzogen. Darüber hinaus entgehen dem Einzelhandel
die Mehrausgaben privater Haushalte für Kfz ebenso wie die zu erwartenden Zuwächse für Einkäufe
auf internationalen Online-Plattformen.“ Die Branche kann voraussichtlich ein Umsatzplus im Bereich von 2,5 Prozent
nominell erwarten.
Ertragslage des Einzelhandels hat sich verschlechtert
Mit der Öffnung der Produktmärkte ist der Konkurrenz- und Preisdruck im Einzelhandel in den letzten zwei
Jahrzehnten erheblich gestiegen. Zudem wurde der zunehmenden Nutzung elektronischer Marktplätze und der damit
einhergehenden Preistransparenz, der Preissetzungs- und Margenspielraum der Händler immer enger. Infolgedessen
sind die Erträge im Einzelhandel nur unterdurchschnittlich gestiegen, vor allem im Vergleich zu den Produktionsbranchen.
Der Nettobetriebsüberschuss der Branche als Ertragsindikator, legte von 1995 bis 2014 um durchschnittlich
2,8 Prozent im Jahr zu, in der Industrie gleichzeitig um 3,4 Prozent. Nach einer Phase kontinuierlicher Ertragszuwächse,
sind die Erträge nach 2010 aufgrund der schwachen Einzelhandelskonjunktur wieder unter Druck geraten.
Auf Spartenebene hat der Schuh- und Lederwarenhandel im Bilanzjahr 2013/2014 den Uhren und Schmuckhandel als ertragreichste
Einzelhandelsbranche abgelöst. In der Auswertung der KMU Forschung Austria konnte die Einzelhandelssparte
einen Gewinn von 6,4 Prozent vom Umsatz erzielen. Auf den Plätzen folgen mit einem ähnlich hohen Ergebnis
die Apotheken und der Medizinproduktehandel. Am unteren Ende des Rentabilitätsranking findet sich fast schon
traditionell der Lebensmittelhandel mit einer durchschnittlichen Umsatzrentabilität im Bereich von 2 Prozent
bis 3 Prozent. Trotz der erfreulichen Absatzentwicklung hat sich die Rentabilität im Zeitablauf nicht verbessert
und spiegelt den hohen Konkurrenzdruck und engen Margenspielraum im Lebensmittelhandel in Österreich.
Einzelhandelsrelevante Konsumausgaben verlieren langfristig an Bedeutung
Die Zukunftsaussichten des Einzelhandels bestimmen im Wesentlichen die Demografie und die Entwicklung der verfügbaren
Einkommen beziehungsweise der Anteil der Einkommen, den die Haushalte im Einzelhandel ausgeben. Langfristig wachsen
die Konsumausgaben der Österreicher, allerdings immer weniger zugunsten einzelhandelsrelevanter Waren. „Noch
in den letzten zehn Jahren ist der gesamte private Konsum in Österreich nominell um durchschnittlich um 3,1
Prozent jährlich gestiegen, die Ausgaben für einzelhandelsrelevante Waren allerdings nur mehr um 2,6
Prozent im Jahr. Ihr Anteil an den Konsumausgaben verringerte sich von knapp 50 Prozent auf 47 Prozent, mit fallender
Tendenz“, analysiert Wolf.
Die Ursachen für den Bedeutungsverlust einzelhandelsrelevanter Waren am Konsum sind vielfältig: Langfristig
schwächten Änderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen, wie die sinkenden Haushaltsgrößen
oder die wachsende Frauenerwerbsquote, die Nachfrage. Darüber hinaus wuchs die Marktsättigung mit Gütern
des täglichen Bedarfs aufgrund der geringen Bevölkerungszuwächse und des zunehmende Wohlstands.
Kurzfristig spielt die Konjunkturentwicklung eine wichtige Rolle, wobei in wirtschaftlich unsicheren Jahren größere
Anschaffungen sehr oft aufgeschoben werden. Gleichzeitig ist eine gegenläufige Entwicklung zu erkennen, indem
Restaurant- und Kantinenbesuche mit einer höheren Lebensmittelnachfrage substituiert werden. Umfrageergebnisse
der deutschen BAT Stiftung zeigen, dass Österreichs Bevölkerung bei knappen Haushaltsbudgets in erster
Linie beim „Ausgehen“ und bei Reisen spart und erst danach weniger im Einzelhandel ausgibt.
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