Zwazl: „Digitalisierung als Highway nutzen, nicht auf Schotterstraße daherkommen“
St. Pölten (wknö/nlk) - Ihr 70jähriges Bestehen nahm die Wirtschaftskammer Niederösterreich
(WKNÖ) am 25.06. unter dem Motto „Zukunft braucht Herkunft“ als Anlass zu einem großen Zukunftskongress
beim WIFI St. Pölten. Im Zentrum standen die Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung.
„Wir wollen bei diesem Kongress unseren Unternehmerinnen und Unternehmern Anstöße geben, die sie im
Betrieb nutzen und von denen sie in ihrem Wirtschaftsleben profitieren können“, so WKNÖ-Präsidentin
Sonja Zwazl. „Wir wissen, dass die Digitalisierung den Highway in die Zukunft darstellt. Da müssen wir sicherstellen,
dass wir nicht auf der Schotterstraße daherkommen“, so Zwazl. In drei Arbeitskreisen – „Produktion und Handwerk
der Zukunft“, „Handel und Logistik der Zukunft“ und „Dienstleistung der Zukunft“ – wurden gleichermaßen fachspezifische
und branchenübergreifende Strategien erarbeitet. Rund 500 Wirtschaftstreibende aus ganz Niederösterreich
nahmen daran teil. Zwazl: „Die Wirtschaftskammer ist genau das, was wir als Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen:
Ein starker Partner!“
LH Pröll gratuliert zu Leistungen
Der Slogan „Zukunft braucht Herkunft“ betone, dass es wichtig sei, nach vorne zu blicken und ebenso wichtig sei,
„kraftvoll inne zu halten und zurück zu blicken“, so Landeshauptmann Pröll. „Im Blick zurück können
wir uns mit Vorbildern konfrontieren“, betonte Pröll, dass man von den Vorbildern der Vergangenheit sehr viel
lernen könne. Der Landeshauptmann gratulierte der Wirtschaftskammer Niederösterreich zu ihrem 70. Geburtstag
und auch deren Präsidentin Zwazl zu ihrem bevorstehenden runden Geburtstag. Bei einem Jubiläum wie diesem
werde „spürbar, worauf es ankommt“, betonte Pröll, dass es wichtig sei „starke Wurzeln und starke Flügel
zu haben“. „Nur dort, wo eine tiefe Verwurzelung ist, kann man auch weltoffen nach vorne gehen“, so Pröll.
Flügel seien das Faktenwissen, aber auch Neugierde und Offenheit. Man solle sich dabei an Vorbildern wie Julius
Raab orientieren, „die einen Handlauf am Weg nach vorne abgeben“, so der Landeshauptmann.
Bezugnehmend auf „Brexit“ sagte Pröll, dass man sich davon nicht unterkriegen lassen dürfe. Global gesehen
werde Europa zunehmend mit anderen Wirtschaftsräumen wie Amerika, Russland oder Afrika konfrontiert. Die Herausforderung
sei, konkurrenzfähig zu bleiben. Aus niederösterreichischer Sicht sei der Markt Großbritannien
mit einem Exportvolumen von 530 Millionen Euro ein wichtiger Markt, aber nicht einer der „top ten“ Exportmärkte.
Man habe „sehr kritische Situationen in der jüngeren Geschichte gemeistert“, erinnerte der Landeshauptmann
an den Eisernen Vorhang und die damit verbundenen Herausforderungen. Man habe gelernt, härter zu arbeiten
als andere und das habe man auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht abgelegt. Pröll betonte, dass Niederösterreich
das Bundesland mit der stärksten Kaufkraft sei, einen Rekord von 600.000 unselbstständig Beschäftigten
und ein Exportvolumen von 20 Milliarden Euro erreicht habe. Außerdem sei Niederösterreich vergangene
Woche in Brüssel als „Europäische Unternehmerregion“ ausgezeichnet worden. „Das ist in erster Linie ein
Kompliment an Sie als Unternehmerinnen und Unternehmer“, so der Landeshauptmann. Eine Region, die so tüchtige
Unternehmerinnen und Unternehmer habe, brauche keine Angst vor Herausforderungen haben.
Man müsse eine Linie finden zwischen der Erfahrung aus der Vergangenheit und der Offenheit für Neues.
„Das Entscheidende ist, mit beiden Beinen am Boden zu bleiben. Nur jemand, der das kann, kann auch schwierige Situationen
überwinden“, so der Landeshauptmann. Es sei wichtig, Zusammenarbeit zu pflegen. Das zeige die Partnerschaft
von Land Niederösterreich, Wirtschaftskammer Niederösterreich und Industriellenvereinigung Niederösterreich,
so Pröll.
Mitterlehner und Leitl mit Ausblicken in die Zukunft
Die Digitalisierung bringe große Veränderungen, eine Grundkonstante bleibe aber gleich, betonten Vizekanzler
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Christoph
Leitl, und Sonja Zwazl: „Das Wichtigste ist und bleibt der Mensch.“ Und unverändert bleibe auch, dass eine
„gute und fundierte Ausbildung“ die Basis zum Erfolg darstelle.
„Digitalisierung hat eine wesentlich höhere Wertschöpfung“, brauche weniger Kapitaleinsatz, betonte
Mitterlehner. Damit steige auch die Notwendigkeit neuer Modelle wie Venturecapital oder Crowdfunding. Ausbildungen
müssen weiter vernetzt und modularisiert, die Arbeitszeitregelungen flexibilisiert werden. Das Thema heiße
Flexibilisierung, nicht Arbeitszeitverkürzung. „Nicht Über-Regulierung, sondern richtige Regulierung“
müsse die Devise heißen, so der Wirtschaftsminister.
Leitl verwies darauf, dass die Wirtschaft immer Wandel unterworfen war und unterworfen sein werde. „Und bei allen
Veränderungen hat es nachher mehr Arbeitsplätze gegeben als vorher.“ Angst vor der Digitalisierung sei
daher nicht angebracht. Auch die Wirtschaftskammer selbst werde sich bis Jahresende „so neu aufstellen, dass sie
der Digitalisierung entspricht oder der Entwicklung sogar möglichst vorausgeht.“ Rufe nach Arbeitszeitverkürzungen
oder einer Maschinensteuer wies er strikt zurück. Mit solchen Forderungen sei man „mit Vollgas unterwegs,
allerdings im Rückwärtsgang.“
Als Keynote-Speaker wurde Richard David Precht gewonnen. Der Philosoph und Publizist setzte sich mit „Bildung
im Zeitalter der Digitalisierung“ auseinander.
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