Landesverteidigungsausschuss debattiert über Jahresbericht der Parlamentarischen Bundesheerkommission
Wien (pk) - 2015 gab es wieder weniger Beschwerden beim Bundesheer. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil
sieht trotzdem einen "gewissen Nachholbedarf", vor allem was den Umgang mit Grundwehrdienern und Frauen
betrifft, und kündigte am 21.06. in der Debatte im Landesverteidigungsausschuss über den aktuellen Bericht
der Parlamentarischen Bundesheerkommission zudem Verbesserungen bei der Ausrüstung und der Mobilität
als Folge der nunmehr geänderten Budgetsituation im Ressort an.
Anzahl der Beschwerden rückläufig
Insgesamt nahmen 2015 2.795 Personen die Kommission in Anspruch, wobei in 398 Fällen (2014: 508 Fälle)
ein Beschwerdeverfahren durchgeführt wurde. Den größten Anteil der Beschwerdeführer stellten
dabei mit 30% die Rekruten. Wie schon in den vorangegangenen Jahren war auch diesmal der Bereich Ausbildung und
Dienstbetrieb häufigster Anlass für Beschwerden (63%), gefolgt von Personalangelegenheiten (18%) und
Infrastruktur (12%).
Abgeordnete sehen Handlungsbedarf bei Sicherheitsausrüstung, Fahrzeugen und Infrastruktur
SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl leitete als amtsführender Vorsitzender der Kommission konkreten Handlungsbedarf
aus den Beschwerden ab. So sei der Sold der Grundwehrdiener mit knapp über 300 € pro Monat zu niedrig, Defizite
gebe es nach wie vor auch bei der Ausrüstung, bei der baulichen Infrastruktur und im Fahrzeugbereich. Ko-Vorsitzender
Michael Hammer (V) sprach von einer produktiven Arbeit der Kommission und begrüßte insbesondere die
Verzahnung mit dem Ausschuss. Als positiv hob er die zahlreichen Prüfungsbesuche bei der Truppe hervor, bei
der sich die Kommission ein Bild von der Situation vor Ort machen konnte.
Hermann Brückl (F) zeigte sich ebenso wie die Abgeordneten Christoph Hagen (T) und Rainer Hable (N) besorgt
über Mängel bei der Ausrüstung vor allem bei Auslandseinsätzen und meinte, es gehe nicht an,
dass sich Soldaten Sicherheitswesten und Ähnliches selbst kaufen müssen. Grünen-Mandatarin Tanja
Windbüchler-Souschill will entsprechende Sicherheiten für die Grundwehrdiener, damit diese ihre Beschwerden
ohne das Risiko von Repressalien vorbringen können.
Doskozil: Heer muss attraktiver Arbeitgeber werden
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil schickte voraus, zahlreiche Beschwerden über die Personalsituation
oder über Ausrüstungsmängel seien Folgen der budgetieren Situation der Vergangenheit. Durch die
strukturelle Budgeterhöhung auf 2,5 Mrd. € bis 2020 sei es nun möglich, wesentliche Verbesserungen bei
der Schutzausrüstung sowie bei Mobilität und Infrastruktur abzudecken. Die von ÖVP-Abgeordnetem
Georg Vetter geforderte Attraktivierung des Grundwehrdienstes sieht Doskozil im Zusammenhang mit der Infrastruktur,
wobei er anfügte, hier seien noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Klar ist für den Ressortchef auch,
dass das Bundesheer ein attraktiver Arbeitgeber werden muss. Durch ein Lebens-Arbeitszeit Modell soll in diesem
Sinn jungen Menschen eine berufliche Perspektive angeboten werden.
Debatte im Landesverteidigungsausschuss über Bericht zum Strukturpaket ÖBH 2018
Der Verteidigungsminister bekräftigte, er beabsichtige nicht, Kompetenzen des Innenministeriums an sich zu
ziehen. Das Bundesheer sei im Rahmen von Assistenzeinsätzen vielmehr dort tätig, wo die Exekutive mit
ihren Kräften nicht zu Rande kommt. Im Lichte der neuen Herausforderungen durch die Terrorbedrohung sei die
Abgrenzung der Zuständigkeiten aber unklar, hier gelte es noch, eine offene Diskussion zu führen. Doskozil
reagierte damit auf Vorwürfe der Grünen, das Verteidigungsministerium würde zunehmend Aufgaben des
Innenressorts übernehmen. Hintergrund der Debatte war ein Bericht, in dem der Minister Anpassungen des Strukturpakets
ÖBH 2018 präsentierte und dabei vor allem das Augenmerk auf zusätzliche Investitionen und die Reform
der Grundstruktur des Bundesheers legt.
Zur Diskussion über die Zukunft des Bundesheers steuerte das Team Stronach einen Entschließungsantrag
mit der Forderung nach einer etappenweisen Anhebung des Heeresbudgets auf 1,4% des BIP im Jahr 2018 bei. Die NEOS
wiederum griffen das Flüchtlingsthema auf und sprachen sich in einer Initiative gegen Abschiebungen von abgewiesenen
AsylwerberInnen mit Transportmaschinen des Bundesheers aus. In einem weiteren Antrag brachten die NEOS ihre Kritik
an den Plänen des Ressorts zum Ausdruck, das Bundesheer zum Objektschutz heranzuziehen. Sämtliche Anträge
der Opposition wurden allerdings vertagt.
Einstimmige NR-Entschließung forderte Anpassung des Strukturpakets ÖBH 2018
Die Abgeordneten hatten bereits in einer einstimmig angenommenen Entschließung des Nationalrats vom 26.11.2015
massive Einwände gegen den Sparkurs beim Bundesheer vorgebracht und eine Überprüfung des unter dem
Titel ÖBH 2018 vom damaligen Ressortleiter Gerald Klug vorgelegten Strukturpakets gefordert. In seinem Bericht
(III-284 d.B.), der den Ausgangspunkt der Debatte im Ausschuss bildete und mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP,
FPÖ und Team Stronach zur Kenntnis genommen wurde, teilte Hans Peter Doskozil nun die Bedenken der sechs Parlamentsfraktionen
und bekannte sich zur Korrektur der ursprünglich vorgesehenen Personalkürzungen sowie zur Forcierung
von Investitionen in die wesentlichen Fähigkeitsbereiche des Bundesheers – von der Ausrüstung bis zur
Miliz.
Reaktion des Ministeriums trifft auf viel Zustimmung
Die mittlerweile von der Bundesregierung zugunsten des Bundesheers gesetzten Maßnahmen stießen auf
ein positives Echo bei den Regierungsparteien und auch bei FPÖ und Team Stronach. Nun gehe es an die Umsetzung,
betonte SPÖ-Wehrsprecher Otto Pendl, der sich mit Nachdruck für die Autarkie und die Erhaltung der Einsatzfähigkeit
der militärischen Verbände aussprach. Klar ist für Pendl auch, dass bei der geplanten Personalaufstockung
des Bundesheers die Frage der Einkommenshöhe im Mittelpunkt stehen wird. Das Ministerium sei bereits auf die
Kritikpunkte und Vorschläge des Berichts eingegangen, stellte namens der ÖVP Bernd Schönegger fest,
dem auch Reinhard Eugen Bösch von der FPÖ beipflichtete.
Die einstimmige Entschließung des Nationalrates sei eine Sternstunde des Parlamentarismus gewesen, zumal
man eine Änderung der Politik im Verteidigungsressort bewirken konnte, stellte der Wehrsprecher der FPÖ
fest. Bösch begrüßte insbesondere die Neustrukturierung des Bundesheers in vier große Verbände
und stellte überdies anerkennend fest, die nunmehr bewilligte Sonderfinanzierung habe den freien Fall gestoppt.
Er sagte Doskozil die Unterstützung seiner Fraktion auf dem Weg der Stärkung des Bundesheers zu, gab
aber zu bedenken, es werde einer kontinuierlichen Zuführung von Budgetmitteln bedürfen, um den nachhaltigen
Aufbau der Struktur sicherzustellen. Lob für den Sonderinvest spendete auch Team Stronach-Abgeordneter Christoph
Hagen, der in diesem Zusammenhang von einer Notmaßnahme sprach und weitere Budgetmittel für eine längerfristige
Planung als unbedingt notwendig erachtet.
Inlandseinsätze des Bundesheers: Bedenken von Grünen und NEOS
Aus dem Chor der Zustimmung scherten Grüne und NEOS aus. Peter Pilz (G) setzte mit seiner Kritik am Prozedere
an und zeigte sich irritiert darüber, dass das Parlament den Bericht erst jetzt vor sich habe, wo doch die
wesentlichen Strukturveränderungen bereits vorgenommen wurden. So übernehme das Verteidigungsressort
immer mehr Aufgaben, die bisher noch vom Innenministerium erfüllt wurden. Schwere Bedenken meldete der Sicherheitssprecher
der Grünen dabei vor allem gegen die Heranziehung des Bundesheers bei der Bekämpfung des Terrorismus
an, wobei er einwandte, dies sei niemals mit den Abgeordneten diskutiert worden, noch gebe es dafür einen
entsprechenden parlamentarische Beschluss. Im Visier der Kritik hatte Pilz überdies auch Maßnahmen wie
Crowd-Control und den Einsatz von Drohnen. Ähnlich äußerte sich auch Rainer Hable von den NEOS,
der Inlandseinsätze durch das Bundesheer als Reaktion auf Migration und Terrorismus grundsätzlich für
problematisch hält, wobei er vor allem entsprechende rechtliche Grundlagen vermisst.
Doskozil: Verteidigungsressort will keine Kompetenzen des Innenressorts
Sein Ressort wolle keine Kompetenzen des Innenministeriums an sich ziehen, es gehe aber darum, vor dem Hintergrund
der neuen Herausforderungen die Kompetenzfrage zu diskutieren und rechtlich zu klären, schickte Hans Peter
Doskozil voraus. So leiste das Bundesheer Assistenz im Bereich Katastrophenschutz und Grenzschutz und unterstütze
dabei die Exekutive, ohne originär zuständig zu sein. Bei der Terrorbekämpfung sei die Kompetenzlage
aber unklar, zumal hier auch die Exekutive zur Unterstützung der Justiz herangezogen wird.
Die von Pilz kritisierte Crowd Control sieht Doskozil in erster Linie im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen.
Im Inland komme eine derartige Maßnahme unter Umständen im Rahmen des Grenzschutzes in Frage. Was die
Drohnen betrifft, befinde man sich, wie der Minister unterstrich, derzeit in einer Testphase. Das Bundesheer habe
diesbezüglich einen Nachholbedarf, Beschaffungs- oder Einführungspläne gebe es aber nicht.
NEOS gegen Abschiebungen mit Transportmaschinen des Bundesheers
Pläne des Ressorts, abgewiesene Flüchtlinge mit C-130 "Hercules"- Maschinen des Bundesheers
abzuschieben, stoßen auf ein dezidiertes Nein bei den NEOS. Es bestehe kein Bedarf, die ohnehin sehr knappe
militärische Transportkapazität für Außerlandesbringungen heranzuziehen, argumentiert Rainer
Hable in einem Entschließungsantrag (1722/A(E)) und tritt vielmehr für kostengünstigere Charter-Rückführungen
ein. Auch würde die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX bei Sammelrückführungen aus mehreren
Mitgliedstaaten die Koordination und in den meisten Fällen auch die Finanzierung übernehmen.
Demgegenüber hielt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil fest, dass gerichtliche Entscheidungen durchzusetzen
seien. Hercules-Flugzeuge sollen nicht nur für Reisen des Bundespräsidenten und den Transport von Soldaten
und Gütern in Krisen- und Katastrophenfällen eingesetzt werden, sondern auch bei der Rückführung
von Flüchtlingen, die in Österreich kein Asyl bekommen. Sammelrückführungen der FRONTEX seien
nicht kostengünstiger, klärte Doskozil auf. Diese Ansicht unterstützten ausdrücklich die Abgeordneten
Christian Lausch (F), Harald Troch (S) und Georg Vetter (V). Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Regierungsparteien
vertagt.
NEOS problematisieren Assistenzleistung des Bundesheers beim Objektschutz
Bedenken melden die NEOS auch gegen die von Doskozil beabsichtigte Heranziehung des Bundesheers zur Unterstützung
der Polizei beim Objektschutz in Wien an. Auch hier sieht Rainer Hable keine unbedingte Notwendigkeit und meint
zudem, eine Anforderung militärischer Assistenzleistungen bloß aus "Bequemlichkeit" oder aus
Gründen der Kostenersparnis sei nicht rechtmäßig. Seine Initiative (1762/A(E)) mit der Forderung
nach einer schriftlichen Begründung des Ressorts unter spezieller Bedachtnahme auf die verfassungsrechtlichen
Normen wurde allerdings vertagt.
Während Antragsteller Rainer Hable (N) den Einsatz von Bundesheersoldaten im Inneren als grundsätzlich
heikel und nur in begründeten Ausnahmefällen für rechtlich möglich hielt, merkte Christoph
Hagen (T) kritisch an, der Antrag sei unvollständig, weil er keine Vorschläge für die Behebung des
Personalbedarfs bei der Sicherheitsexekutive enthalte. Hagen hielt es, wie auch Peter Pilz (G), für richtig,
dass Soldaten die Exekutive beim Objektschutz entlasten. Pilz unterstützte Hables Antrag aber insoferne, als
es um die Klärung von Rechtsfragen beim Assistenzeinsatz gehe.
An dieser Stelle räumte Bundesminister Doskozil ein, dass der Assistenzeinsatz beim Objektschutz durch den
Ministerratsbeschluss vom letzten September rechtlich nicht gedeckt sei und kündigte eine Ergänzung an.
Der Antrag wurde auf Vorschlag von Hermann Krist (S) mit der Mehrheit der Koalitionsparteien vertagt.
Team Stronach für etappenweise Anhebung des Verteidigungsbudgets
Christoph Hagen (T) konkretisierte seine Kritik an den Sparmaßnahmen überdies mit einem Entschließungsantrag
(1521/A(E)) und forderte eine stufenweise Anhebung des Verteidigungsbudgets auf einen BIP-Anteil von 1,4% im Jahr
2018. Diese Initiative vertagten die Regierungsparteien mit dem Argument, dass sie mit der Anhebung des Verteidigungsbudgets
um 1,7 Mrd. € bis 2020 bereits überholt sei.
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