Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) mahnt höhere Dynamik bei der
Umsetzung ein – „Aus heutiger Sicht werden wir es nicht schaffen, bis 2020 zu den führenden Innovationsnationen
aufzuschließen!“
Wien (rat-fte) - „Um das selbstgesteckte Ziel, Österreich bis 2020 in die Gruppe der Innovation Leader
zu führen, erreichen zu können, braucht es mehr Nachdruck und vor allem eine Konkretisierung der Maßnahmen.
Ansonsten werden wir kläglich scheitern und Österreich wird in Sachen Leistungsfähigkeit des Innovationssystems
gegenüber den Innovation Leadern immer weiter zurückfallen, mit entsprechenden Konsequenzen für
seine Wettbewerbsfähigkeit und damit auch für seinen Wohlstand“, so der Vorsitzende des Rates für
Forschung und Technologieentwicklung, Dr. Hannes Androsch, anlässlich der Präsentation des jährlichen
Berichts zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs.
Zwar sind – wie schon in den vergangenen Jahren – in einigen Bereichen des Innovationssystems durchaus Aufwärtstrends
zu verzeichnen, diese bleiben aber deutlich hinter den Entwicklungen der führenden Innovationsnationen zurück,
weshalb der Abstand zur Gruppe der Innovation Leader nicht kleiner, sondern größer wird. Einmal mehr
mahnt Hannes Androsch daher „größere Anstrengungen bei der Umsetzung der FTI-Strategie, vor allem die
rasche Umsetzung des seit Jahren angekündigten Forschungsfinanzierungsgesetzes“ ein.
Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, stellvertretender Ratsvorsitzender, präzisiert: „Neben dem Bildungsbereich
ist vor allem das Fördersystem eine dringende Baustelle. Hier spiegelt sich noch immer das Schrebergartendenken
der politischen Zuständigkeiten wider. Das Problem könnte nur auf politischer Ebene durch verbesserte
Governance gelöst werden. Der Ball liegt hier beim Bundeskanzleramt und beim Bundesministerium für Finanzen.“
Die Ergebnisse des Innovationsmonitorings im Detail
Der fünfte Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs
und der erste nach dem großen Mid-Term Review des Vorjahres bringt eine Reihe von Neuerungen: So werden erstmals
nicht alle Teilbereiche und Zielsetzungen der von der Bundesregierung 2011 verabschiedeten Strategie für Forschungs-,
Technologie- und Innovation (FTI-Strategie) in vollem Umfang behandelt. Stattdessen erfolgt eine Fokussierung auf
die im Rahmen des Mid-Term Review als prioritär identifizierten folgenden fünf Handlungsfelder:
- eine hinter den Erwartungen zurückbleibende Performance des Bildungssystems,
- eine im internationalen Vergleich nicht konkurrenzfähige (kompetitive) Finanzierung
der Grundlagenforschung,
- die unzureichende Gründungsdynamik bzw. die ungenügende Wachstumsdynamik
von Gründungen bei gleichzeitigem Fehlen von entsprechendem Investitionskapital,
- ein grundsätzlich zu niedriger privater Finanzierungsanteil von F&E
sowie
- Schwächen in der Governance des FTI-Systems.
In diesen fünf Bereichen wurde der aktuelle Status des österreichischen FTI-Systems vor dem Hintergrund
der Entwicklungen seit 2010 analysiert, Stärken und Schwächen aufgezeigt und Handlungsvorschläge
in Form von Empfehlungen ausgearbeitet.
Bildungssystem
Auch wenn sich in den letzten Jahren einiges zum Positiven verändert hat, gehen die Entwicklungen im Bildungssystem
insgesamt nur schleppend voran. Insbesondere die angekündigte große Bildungsreform kommt nur in kleinen
Teilschritten zum Tragen. Zentrale Schwächen des Bildungssystems bleiben weiterhin die Bildungsvererbung und
die eingeschränkte Schulautonomie. Zwar wurden den Schulen im Rahmen des „Autonomiepakets“ eine Reihe von
Freiräumen zugestanden, bei der Personalauswahl bestehen aber immer noch signifikante Einschränkungen.
Wichtigster Kritikpunkt am „Autonomiepaket“ ist jedoch der Umstand, dass das Reformpapier keine Angaben darüber
enthält, wie die aus der Autonomie resultierenden neuen Möglichkeiten für die Schulen tatsächlich
finanziert werden sollen.
Im Bereich der tertiären Bildung führt das fehlende Studienplatzmanagement weiterhin zu überlaufenen
Universitäten und einem im internationalen Vergleich äußerst ungünstigen Betreuungsverhältnis.
Ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Studienbedingungen und zur Planbarkeit der notwendigen Ressourcen
wäre die Umsetzung der angedachten kapazitätsorientierten Studienplatz- bzw. Universitätsfinanzierung.
Insgesamt gesehen liegt die Finanzierung der Hochschulen nach wie vor unter dem von der Bundesregierung definierten
Ziel. Um die angestrebte Hochschulausgabenquote von 2 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erreichen, müssten die
Ausgaben auf rund 8 Mrd. Euro steigen. Auf Basis der aktuellen Budgetplanung erscheint die Erreichung dieses Ziels
daher völlig unrealistisch.
Grundlagenforschung
Die Ausgaben für die Grundlagenforschung sind in Österreich zwischen 2002 und 2013 von 17 auf 19
Prozent der gesamten F&E-Ausgaben angestiegen. Mit einer Quote von 0,56 Prozent am BIP liegt Österreich
damit im vorderen Mittelfeld forschungsstarker Nationen. Keine Verbesserung konnte bisher beim Anteil kompetitiv
vergebener Forschungsmittel erzielt werden. In Kombination mit der zu geringen Hochschulfinanzierung wirkt dies
langfristig hemmend auf den wissenschaftlichen Output. Eine Erhöhung des kompetitiven Finanzierungsanteils
zur Förderung der Grundlagenforschung ist daher dringend erforderlich.
Ein großer Aufholbedarf besteht auch weiterhin bei der Umstellung traditioneller Doktoratsstudien auf moderne
PhD-Studien. Begonnene Initiativen an den Universitäten sollten daher ausgebaut und unterstützt werden.
Innovative Unternehmensgründungen
Trotz der in der politischen Wahrnehmung gestiegenen Bedeutung des Gründungsbereiches liegt die Gründungsdynamik
in Österreich immer noch hinter den Zielvorgaben der Bundesregierung. Zentrale Gründe dafür sind
insbesondere die unzureichende Verfügbarkeit privater Finanzierungsformen wie Risikokapital oder Crowdfunding
sowie die ungünstigen bürokratischen, regulativen und steuerlichen Rahmenbedingungen, mit denen sich
UnternehmensgründerInnen in Österreich konfrontiert sehen. Hervorzuheben sind hier insbesondere Kosten
und Dauer der Gründung einer GmbH.
Dazu kommt noch, dass das österreichische Fördersystem für innovative Unternehmensgründungen
im internationalen Vergleich zwar sehr umfassend ist, sich jedoch durch ein hohes Maß an Komplexität
und Unübersichtlichkeit auszeichnet. Hier wären dringend ein Streamlining und eine Neustrukturierung
erforderlich, um den potentiellen UnternehmensgründerInnen den Zugang zum System zu erleichtern.
Governance
Zurzeit erfolgt die Koordination FTI-relevanter Politiken über die beim Bundeskanzleramt angesiedelte
Task Force FTI, der das BKA, BMWFW, BMVIT, BMBF und BMF angehören. Aufgrund der vielfältigen forschungs-
und innovationsrelevanten Aufgaben anderer Ministerien wäre dringend eine über diese Gruppe hinausgehende
interministerielle Abstimmung erforderlich. Angesprochen sind hier insbesondere die FTI-relevanten Fachbereiche
von BMASK, BMLFUW und BMG.
Auf Ebene der Instrumente steht die umfassende Harmonisierung der Aktivitäten von Bund und Ländern immer
noch aus. Das spiegelt sich auch in der inhaltlichen Umsetzung der einzelnen Strategiebereiche wieder. Das Fördersystem
ist entgegen der angestrebten Verbesserungen aus der Systemevaluierung nach wie vor teilweise kleinteilig und stark
segmentiert. Kritische Massen können so nur selten erreicht werden, Doppelgleisigkeiten herrschen weiter vor
und die Zielgruppen stehen vor komplexen und unübersichtlichen Strukturen. Dazu kommt noch, dass das gegenwärtige
Fördersystem eine verstärkte Abhängigkeit der Fördernehmer von öffentlichen Mitteln prolongiert,
so dass oftmals keine Notwendigkeit existiert, im Wettbewerb um private Finanzierungen zu partizipieren.
Der Governance-Bereich könnte von einer positiveren Wahrnehmung von Wissenschaft und Forschung in der österreichischen
Gesellschaft profitieren. Mit einer entsprechend stärkeren Gewichtung des Themas FTI durch die politisch Verantwortlichen
wäre dies ohne signifikanten Mehraufwand erreichbar. Kritisch könnten allerdings Koordination und Strukturierung
der öffentlich finanzierten Awarenessmaßnahmen auf Bundes- und Landesebene sein.
Finanzierung
Das Bild im Bereich der F&E-Finanzierung hat sich im Lauf der vergangenen fünf Jahre nur unwesentlich
verändert. Mit dem aktuellen Entwicklungspfad der F&E-Quote wird das für 2020 gesetzte Ziel von 3,76
Prozent auch mit einer sehr konservativ geschätzten BIP-Entwicklung keinesfalls erreicht werden.
Der Anteil privater F&E-Ausgaben von mindestens 30 Prozent liegt mit einem aktuellen Verhältnis privater
zu öffentlicher Finanzierung von 40:60 noch immer hinter den Zielvorgaben der FTI-Strategie zurück.
Prioritäre Handlungsfelder und Empfehlungen
Aufgrund der Analyseergebnisse ist der Rat der Ansicht, dass es vorrangig in folgenden Bereichen verstärkter
Anstrengungen bedarf, um die Leistungsfähigkeit des österreichischen Innovationssystems insgesamt zu
erhöhen. Der Rat empfiehlt daher:
- eine Intensivierung der Reformen im Bildungssystem,
- eine Erhöhung der Mittel für die kompetitive Finanzierung der Grundlagenforschung,
- die weitere Optimierung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für
Unternehmensgründungen und -wachstum,
- und die Forcierung der Maßnahmen zur Erhöhung des privaten Anteils
der F&E-Finanzierung, und schließlich
- eine Verbesserung der Governance-Strukturen zur Umsetzung der FTI-Strategie.
Hintergrund
Im März 2011 wurde vom Ministerrat die „Strategie für Forschung, Technologie und Innovation“ (FTI-Strategie)
der Bundesregierung verabschiedet und der Rat für Forschung und Technologieentwicklung mit dem Umsetzungsmonitoring
beauftragt. Seit 2012 legt der Rat daher seinen „Bericht zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit“
vor. Inhaltlicher Schwerpunkt des Berichts ist die Frage, ob die Ziele der FTI-Strategie, die auch im aktuellen
Regierungsprogramm als wesentlicher Orientierungsrahmen für die FTI-Politik der Bundesregierung angeführt
wird, erreicht werden können.
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