Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und die TU Wien entwickelten eine Kraftanlage,
mit der man große Kräfte mit hoher Präzision einbringen kann.
Wien (tu) - Wenn zwei verschiedene Messgeräte unterschiedliche Ergebnisse liefern, welches hat dann
recht? Wie auch in anderen Staaten gibt es in Österreich eine zentrale Stelle, die für die Metrologie,
die Wissenschaft vom Messen und ihren Anwendungen zuständig ist – das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen
(BEV). Für Industriebetriebe und Forschungsinstitutionen, bei denen es auf höchste Präzision ankommt,
ist so eine zentrale Stelle unverzichtbar. Das Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik
(IFT) der TU Wien hat gemeinsam mit dem BEV nun eine neue Primärkraftanlage geplant, errichtet und erfolgreich
getestet.
Sie kann exakt bestimmbare Kräfte darstellen, mit denen man dann Kraftmessgeräte kalibrieren kann. Die
Kraftanlage kann somit einen festen „absoluten“ Ausgangspunkt für andere Kraftmessungen liefern – das ist
unverzichtbar, weil die Kraft eine Messgröße ist, die in der Praxis nur relativ gemessen werden kann.
Man schließt bei der Messung immer von einer bekannten auf eine unbekannte Kraft. Am Donnerstag, den 16.
06. 2016 wurde diese Anlage offiziell an das BEV übergeben.
Gewaltige Kräfte präzise messen
Die neue Anlage, für die am Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen eigens ein neues Gebäude errichtet
wurde, besteht aus vier Teilanlagen, die für unterschiedlich große Kräfte konzipiert sind. Die
größte von ihnen kann Kräfte von bis zu 250 000 Newton darstellen– das entspricht ungefähr
der Kraft, mit der eine Masse von 25 Tonnen eine Waage belastet. Durch spezielle hydraulische Übersetzungen
ist eine Erweiterung des Kraftbereichs sogar auf bis zu 5 Millionen Newton möglich – das entspricht der Gewichtskraft
von mehr als 500 Tonnen.
Möchte man nun einen Kraftmesssensor kalibrieren, kann man ihn in so einer primären Kraftanlage mit genau
bekannten Kräften belasten. Viele unterschiedliche Massen können ausgewählt werden, deren Gewicht
dann über ein speziell konstruiertes Gehänge auf den Kraftmesssensor einwirkt. Dabei muss man berücksichtigen,
dass das Gehänge selbst auch ein Gewicht ausübt – bei der neuen österreichischen Anlage wird das
durch einen ausgeklügelten Gewichtsausgleich gänzlich kompensiert. Eine lange Liste möglicher Störeffekte
musste berücksichtigt werden, etwa die Verbiegung der Balken unter der Belastung, Verformungen von Kraftteilen,
niederfrequente Schwingungen des Gehänges, der Auftrieb, den die Massen in der Luft erfahren und sogar der
Einfluss des Mondzyklus.
Beschrieben wird dies unter anderem in einer Dissertation bei Prof. Friedrich Bleicher, dem Leiter des IFT der
TU Wien über die Konzeptionierung und Validierung der neuen Anlage.
Präzise und anerkannte Messverfahren unterstützen die Wirtschaft
In der Produktion und im Handel spielen die angewandten Messverfahren eine wichtige Rolle, wie Mag. Robert Edelmaier,
der Leiter der Gruppe Eichwesen im BEV, betont. „Gerade die exportorientierte Industrie Österreichs braucht
genaue Messungen von Materialeigenschaften, wie sie durch zerstörerische Prüfungen in sogenannten Zug-
und Druckprüfanlagen erfolgen. Die internationale Anerkennung dieser Prüfungen ist eine Voraussetzung
für den Export, zusätzlich können wiederholte Prüfungen vermieden und dadurch auch Zeit und
Kosten gespart werden. Die dabei geforderten technischen Anforderungen sind sehr hoch und müssen von unserer
komplexen und hochgenauen Anlage erfüllt werden“, so Robert Edelmaier.
Die Kraftmessanlage erreicht eine relative Genauigkeit, die besser ist als 2x10-5. Das entspricht einer maximalen
Messunsicherheit von zwei Tausendstel von einem Prozent auf die realisierte Kraft. Diese Präzision kann in
der neuen Anlage über den gesamten Messbereich erreicht werden, obwohl die Kraftanlage nur einen Bruchteil
der Baugröße vergleichbarer Anlagen mit ähnlichem Messbereich aufweist.
Zur internationalen Anerkennung der Messergebnisse dieser primären Kraftnormalanlage wurden Vergleichsmessungen
in Zusammenarbeit mit einem der weltweit führenden Metrologieinstitute, der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt
in Braunschweig, durchgeführt und die Ergebnisse als Nachweis der Eignung publiziert und den entsprechenden
Gremien präsentiert. Durch die Akzeptanz der Ergebnisse im Rahmen des internationalen Übereinkommens
zur gegenseitigen Anerkennung der Kalibriernormale und Kalibrierzertifikate CIPM-MRA (Internationales Komitee für
Maß und Gewicht - CIPM) werden somit die Kraftmessungen des österreichischen BEV von allen Unterzeichnerstaaten
des CIPM-MRA anerkannt.
Dieser große Erfolg wurde bei der offiziellen Eröffnung der neuen Anlage am 16. Juni 2016 gefeiert.
Die Errichtung der Kraftanlage war nicht die erste erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem BEV und dem Institut
für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien. „Wir kooperieren seit vielen Jahren in Projekten
zur Realisation von Anlagen zur Darstellung und Weitergabe von Maßeinheiten mit dem BEV, das Projekt zur
Entwicklung der Kraftanlage wurde 2011 gestartet. Schon alleine auf Grund des baulichen Umfanges und der Komplexität
nimmt dieses Projekt sicher eine herausragende Stellung ein“, sagt der Leiter des IFT, Prof. Friedrich Bleicher.
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