Beton ist kein Grund zu wackeln

 

erstellt am
04. 07. 16
11:00 MEZ

Wie kann man verhindern, dass die Masten von Betonpumpen gefährlich zu schwingen beginnen? Eine Kooperation von TU Wien und Industriepartnern hat dieses Problem gelöst.
Wien (tu) - Dutzende Meter weit wird auf Baustellen der Beton gepumpt, vom Fahrmischer bis zum Einbringungsort. Lange Betonförderleitungen werden von Masten getragen, die aus mehreren beweglichen Mastelementen bestehen. Wenn Beton durch die Leitungen gepumpt wird, können diese Mastelemente in bestimmten Situationen stark zu schwingen beginnen – dann muss die Pumpleistung reduziert werden. Im schlimmsten Fall kann die Situation für Personen, die am Endschlauch arbeiten, sonst gefährlich werden.

Die Unternehmen TTControl, HYDAC und SCHWING haben gemeinsam mit der TU Wien nun ein elektronisches Schwingungsdämpfungssystem entwickelt, das dieses Problem löst.

Wenig Gewicht macht schwingungsanfällig
„Über die Mastelemente, die mit Gelenken verbunden sind, wird auf der Baustelle der Beton gepumpt – wenn es sein muss auch 60 Meter senkrecht nach oben“, sagt Johannes Henikl. Er entwickelte im Rahmen seiner Dissertation bei Prof. Andreas Kugi am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) an der TU Wien Regelungssysteme für solche Anlagen, nun arbeitet er beim deutschen Betonpumpenhersteller SCHWING. „Man versucht, das Gewicht der Mastelemente gering zu halten, um möglichst hohe Reichweiten zu erzielen und gleichzeitig die gesetzlichen Vorgaben an das zulässige Gesamtgewicht von Autobetonpumpen einzuhalten.“, erklärt Henikl. „Allerdings kann geringeres Gewicht auch geringere Stabilität bedeuten. Die Steifigkeit der Mastelemente wird reduziert und der Mast wird schwingungsanfällig.“

Eine Betonpumpe liefert keinen perfekt kontinuierlichen Strom von Beton. Wenn die Pumpe einen Rhythmus vorgibt, der im ungünstigsten Fall genau der Eigenfrequenz des Mastes entspricht, dann kann der Mast stark in Schwingungen geraten. „Es kann dann rasch zu Schwingungen mit einer Auslenkung von ein bis zwei Metern am Endschlauch kommen“, sagt Johannes Henikl. „Damit lässt sich natürlich nicht arbeiten, normalerweise versucht man in dem Fall sofort, die Pumpleistung zu senken und den Mast wieder zu stabilisieren.“
Viel besser ist es allerdings, ein automatisches Regelungssystem zu integrieren, das solche Probleme von Anfang an verhindert und die Schwingungen gar nicht erst entstehen lässt – und genau das ist nun, durch die Zusammenarbeit der TU Wien mit mehreren Firmenpartnern, gelungen.

Erst das Modell, dann die Steuerung
„Zunächst muss man das System physikalisch wirklich gut verstehen“, erklärt Henikl. „Wir haben am Computer ein Modell erstellt, die auftretenden Schwingungen analysiert und überlegt, wie man die einzelnen Gelenke des betonfördernden Mastes am besten ansteuern kann, um Schwingungen zu dämpfen.“ So gelang es, ein Regelungskonzept zu entwickeln, das sich auf relativ einfache Weise umsetzen lässt. Ein neues Hydrauliksystem zur Ansteuerung der hydraulischen Aktuatoren war dafür nötig und verschiedene Sensoren mussten an den Armen und Gelenken des Auslegers eingebaut werden. „Die Anforderungen an ein solches System sind hoch – schließlich muss es mit den rauen Umgebungsbedingungen auf der Baustelle zurechtkommen“, sagt Henikl. „Das muss man bei der Planung von Anfang an systematisch berücksichtigen.“

Nach mehreren Jahren Arbeit hat sich das Schwingungsdämpfungssystem nun in verschiedenen Praxistests bestens bewährt. „Besonders wichtig ist, dass sich das System in unterschiedlichsten Szenarien als sehr robust erweist“, berichtet Johannes Henikl. „Durch den Aufwand, den wir bei der genauen Modellierung und der mathematischen Analyse des Systems betrieben haben, konnten wir ein regelungstechnisches Konzept entwickeln, das nicht nur in einer bestimmten Betriebssituation gute Ergebnisse liefert, sondern in jeder beliebigen Stellung des Auslegers gut funktioniert. Zudem ist es verhältnismäßig einfach auf weitere Maschinentypen übertragbar.“ Die Schwingungsbewegungen des Mastes können dadurch größtenteils eliminiert werden und der Endschlauch kann sicherer und präziser geführt werden, so dass auch in schwierigen Situationen eine hohe Pumpleistung erzielt werden kann. Der Betrieb einer Autobetonpumpe wird dadurch noch einfacher und sicherer.

Das Projekt wurde von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt. Beteiligt waren neben dem Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) der TU Wien auch die Schwing GmbH, die TTControl GmbH und HYDAC International.

 

 

 

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