OeNB-Gouverneur Nowotny und Vizegouverneur Ittner informieren den Finanzausschuss
Wien (pk) - Nach vier schwachen Jahren kommt es in Österreich nun wieder zu einer Konjunkturbelebung.
Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny rechnet für 2016 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,6% und erwartet
für die Jahre 2017 und 2018 jeweils Wachstumsraten von 1,5%. In seinem routinemäßigen Briefing
der Abgeordneten des Finanzausschusses begründete der OeNB-Chef die Erholung der heimischen Wirtschaft vor
allem mit Sondereffekten aufgrund der Steuerreform, die den Konsum und damit die Inlandsnachfrage ebenso stützen
wie die Ausgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Positiv auf die Konjunktur wirken sich
zudem auch die steigenden Ausrüstungsinvestitionen aus. Vom Brexit wiederum ist Österreich nach Einschätzung
Nowotnys weniger betroffen als der Euroraum-Durchschnitt.
Sondereffekte führen zu Anstieg der Inlandsnachfrage
Die Konjunkturbeschleunigung in Österreich findet vor dem Hintergrund einer sehr gemäßigten internationalen
Entwicklung statt und ist Ergebnis von Sondereffekten. Wie Nowotny vorrechnete, werden sich die Auswirkungen der
Einkommensteuerreform vor allem dieses Jahr mit einem Wachstumsbeitrag zum realen BIP von 0,4 Prozentpunkten bemerkbar
machen. Die zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge schlagen sich mit einem Wachstumsplus von 0,2
Prozentpunkten nieder. Die Schätzungen der Nationalbank setzen allerdings einen deutlichen Anstieg der Investitionen
voraus. Nowotny rechnet in diesem Zusammenhang vor allem auch mit verstärkten Investitionen im Wohnbaubereich.
Der Wachstumsbeitrag der Nettoexporte schließlich wird 2016 negativ ausfallen, was Nowotny vor allem auf
den hohen Importgehalt der Investitionen und des privaten Konsums zurückführt. Mit dem Auslaufen der
inländischen Sondereffekte und dem zu erwartenden Abklingen des positiven Investitionszyklus kann für
die beiden kommenden Jahre allerdings wieder mit einem positiven Wachstumsimpuls der österreichischen Nettoexporte
gerechnet werden.
Österreich bei Inflation ab 2017 wieder im europäischen Gleichschritt
Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sieht Nowotny von einem starken Anstieg des Arbeitskräfteangebots geprägt.
Neben anerkannten AsylwerberInnen und MigrantInnen wirkt sich dabei auch die steigende Erwerbstätigkeit von
Frauen positiv auf das Arbeitsangebot aus. Trotzdem wird die Arbeitslosenquote 2016 und 2017 weiter ansteigen,
und zwar auf 6%, erst 2018 kann mit einer geringfügigen Abnahme gerechnet werden. Was die Inflation betrifft,
geht Nowotny von einem deutlichen Anstieg von derzeit 1,0% auf 1,7% bzw. 1,9% für 2017 und 2018 aus. Grund
für diese Prognose ist die Annahme, dass es zu keinem weiteren Verfall des Ölpreises kommen wird. Österreich
befindet sich mit diesen Inflationsraten dann wieder im Gleichschritt mit dem Euroraum. Eine unmittelbare Deflationsgefahr
besteht derzeit nach den Worten des OeNB-Gouverneurs nicht mehr, sodass auch keine zusätzlichen Maßnahmen
der EZB notwendig sind.
Österreich innerhalb der EU vom Brexit am wenigsten betroffen
Der Brexit wird für die österreichische Wirtschaft keine gravierenden Auswirkungen haben. Nowotny schätzt
den Wachstumsverlust für den Zeitraum bis 2018 auf 0,3% bis 0,5%, also rund 0,1% pro Jahr, und merkte an,
dies befinde sich im Rahmen der statistischen Fehlerbreite. Österreich zähle damit innerhalb der EU zu
den am wenigsten vom Brexit betroffenen Staaten, bestätigte auch Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Zu den politischen Folgen stellte Nowotny fest, London habe nun mehrere Möglichkeiten, seine Beziehungen zur
Union zu regeln, so etwa ein EWR-Modell inklusive einer Zollunion oder eine Lösung über bilaterale Verträge
nach dem Vorbild der Schweiz. Auch könnte Großbritannien der Freihandelszone EFTA beitreten oder überhaupt
keine speziellen Vorkehrungen treffen. Denkbar wäre auch ein Verbleib in der Europäischen Union, fügte
Schelling an und gab zu bedenken, Großbritannien könne nicht zur Stellung eines Austrittsantrags gezwungen
werden, für den Antrag sei vielmehr eine Entscheidung des britischen Parlaments notwendig. Je länger
der Schwebezustand andauert, desto negativer werden die Auswirkungen auf Europas Wirtschaft jedenfalls sein, sind
Nowotny und Schelling einer Meinung mit ÖVP-Abgeordnetem Andreas Zakotelsky.
Nowotny verteidigt Politik der EZB
Mit Nachdruck widersprach Nowotny den Abgeordneten Rainer Hable (N) und Axel Kassegger, die behauptet hatten, der
massive Ankauf von Wertpapieren durch die EZB hätte nicht zu den gewünschten positiven makroökonomischen
Wirkungen geführt. Durch die Politik von Mario Draghi konnte der Wachstumseinbruch aufgehalten werden, auch
sei die Deflationsgefahr mittlerweile gebannt. Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollte man allerdings
die Rolle der Geldpolitik nicht überschätzen, bemerkte Nowotny dem Abgeordneten Werner Kogler (G) gegenüber.
Der Aufkauf von Wertpapieren sei keineswegs rechtswidrig, erwiderte der OeNB-Gouverneur auf entsprechende Vorwürfe
des Abgeordneten Robert Lugar (T) und erinnerte an die diesbezügliche Entscheidung des Deutschen Bundesverfassungsgerichts
in Karlsruhe. Wie Nowotny FPÖ-Abgeordnetem Axel Kasseger versicherte, besteht auch keine Gefahr der Übertragung
von Risiken. Die EZB kaufe hauptsächlich Staatsanleihen auf, für die der jeweilige Staat haftet.
Ittner: Keine Diskussion in der EZB über Abschaffung des Bargelds
Vizegouverneur Andreas Ittner, der in der Diskussion im Ausschuss den Finanzsektor abdeckte, sprach von einer Verbesserung
der Profitabilität der österreichischen Banken, schränkte aber ein, durch den Rückgang des
Zinsertrags von rund 1 Mrd. € reduziere sich auch die Haupteinkunftsquelle. Auch haben die heimischen Geldinstitute
eine im EU-Vergleich immer noch schlechte Kapitalausstattung. Handlungsbedarf sieht Ittner vor allem bei der Beschränkung
von nicht nachhaltigen Immobilienkrediten, um das Risiko für die Banken aus dem Immobiliensektor einzudämmen.
Er hofft in diesem Zusammenhang auf die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen durch das Parlament.
Von Werner Kogler (G) über die Zukunft des Bargelds befragt, bekräftige Ittner, nirgendwo in den EZB-Gremien
gebe es eine Diskussion über die Abschaffung des Bargelds. Dies wäre auch unsinnig, zumal es in der Bevölkerung
ein starkes Interesse am Bargeld gibt. So würden in Österreich 30% der Menschen im Regelfall bar zahlen.
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