Landwirtschaftsausschuss debattiert über Briten-Votum, Milchwirtschaft und CETA
Wien (pk) - Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter schätzt die Auswirkungen von Brexit auf
den österreichischen Agrarsektor als relativ gering ein, zumal nicht zu erwarten sei, dass sich Großbritannien
als Verfechter des Freihandels nun abschotten werde. Der Wille des britischen Volkes sei zu akzeptieren und nun
konsequent umzusetzen, betonte der Ressortchef in der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses vom 29.06. und gab
in diesem Zusammenhang zu bedenken, eine EU-Mitgliedschaft "light" dürfe es nach dem Votum der Briten
jedenfalls nicht geben.
Was die Lage auf dem Milchmarkt betrifft, die in der Aussprache mit den Abgeordneten ebenfalls breiten Raum einnahm,
tritt Rupprechter für Anreizsysteme zur Mengenreduzierung ein und sieht in der Frage der Aussetzung der Sozialversicherungsbeiträge
für die bäuerlichen Betriebe noch Verhandlungsbedarf mit dem Koalitionspartner. Bei CETA wiederum zeigte
der Minister kein Verständnis für einen Alleingang Brüssels und pochte vielmehr gemeinsam mit den
Abgeordneten auf eine Befassung der nationalen Parlamente.
Rupprechter für konsequente Umsetzung des Brexit
Der Ball liege nun bei den Briten, die nach den Bestimmungen des Vertrags von Lissabon einen Antrag auf Austritt
stellen müssen, erklärte Rupprechter. Innerhalb der EU werde vor allem darum gehen, die wirtschaftlichen
Auswirkungen des Brexit möglichst gering zu halten und darüber hinaus Antworten auf die großen
Fragen der Union – Migration, Arbeitslosigkeit, sozialer und wirtschaftlicher Zusammenhalt, Außen- und Sicherheitspolitik
– zu finden. Der Minister rechnet damit, dass sich Großbritannien trotz des Austritts wirtschaftlich von
Europa nicht abwenden wird, sondern vielmehr seine Handelsbeziehungen nun in einem Freihandelsabkommen mit Brüssel
oder im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) regeln wird. Keine großen negativen Folgen erwartet
Rupprechter für den heimischen Agrarsektor, wobei er daran erinnerte, dass Österreich mit Großbritannien,
das für die heimische Landwirtschaft der elft-wichtigste Markt ist, eine positive Agrarhandelsbilanz aufweist.
Auch für SPÖ-Landwirtschaftssprecher Erwin Preiner geht es nun darum, den britischen Volksentscheid zu
respektieren. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU sei jetzt die logische Konsequenz, pflichtete ihm Nikolaus
Berlakovich (V) bei, der überdies davor warnte, mit "Verrenkungen" zu versuchen, die Briten in der
Union zu halten. "Jetzt muss Klartext gesprochen werden", meinte auch Wolfgang Pirklhuber (G). Wenn die
Briten austreten wollen, dann sollen sie dies tun. Ein Austritt bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der alten Privilegien
durch Großbritannien kommt für den Agrarsprecher der Grünen aber nicht in Frage. Nach Ansicht von
Christian Höbart (F) wiederum ist die Union nun gefordert, Großbritannien in eine Art von europäischem
Wirtschaftsrahmen einzubauen.
Milch: Rupprechter für Mengenreduktion
"Wir müssen die Menge in den Griff bekommen, um die Krise auf dem Milchmarkt zu bewältigen",
steht für den Landwirtschaftsminister fest. Rupprechter unterstützt in diesem Sinn eine jüngst beim
Agrarministerrat in Luxemburg präsentierte Initiative von Frankreich, Deutschland und Polen, die auf die Schaffung
eines Anreizsystems zur kurzfristigen Mengenreduktion abzielt, betont jedoch, dies bedeute keine Rückkehr
zur Quote. Eine Mengenregulierung wünschen auch Harald Jannach (F) und Wolfgang Pirklhuber (G), wobei der
Agrarsprecher der Grünen auf entsprechende Forderungen des EU-Ausschusses für Regionen verwies. An einer
Mengenreduktion werde man nicht vorbeikommen, glaubt Leopold Steinbichler vom Team Stronach. Wenn man aber nach
wie vor Palmfett importiert, dann haben sämtliche Milchdialoge keinen Sinn, warnte er und forderte eine Besteuerung
der großen Importeure. Ein Bonus-Malus-System zur Milchmengenreduktion empfahl überdies Erwin Preiner
(S), der zudem den Fokus verstärkt auf die Qualität der Produktion legen will.
Reserviert begegnete Preiner Plänen des Ministers, angesichts der angespannten Lage auf den Agrarmärkten
die Sozialversicherungsbeiträge der bäuerlichen Betriebe für ein Quartal auszusetzen. Ein klares
Nein zu diesem Vorschlag kam auch von Wolfgang Pirklhuber (G), der eine Stundung der Beiträge aus gesellschaftspolitischer
Sicht für nicht argumentierbar hält und negative Folgen für die Solidarität gegenüber
der Landwirtschaft befürchtete. Besser wäre es, die Beitragserhöhungen um ein Jahr auszusetzen und
darüber hinaus die Auszahlung der Agrarförderungsmittel vorzuziehen. Michael Pock (N) wiederum plädierte
dafür, der Landwirtschaft die gesamtgesellschaftlichen Leistungen konkret abzugelten, eine Aussetzung von
Sozialversicherungsbeiträgen macht für den NEOS-Umweltsprecher hingegen wenig Sinn. Gänzlich anders
sah dies ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Berkalovich. Eine Sistierung der Beiträge sei gerechtfertigt, zumal
die Landwirtschaft momentan in fast allen Bereichen mit einer katastrophalen Entwicklung konfrontiert ist. Ein
positives Echo fand der Rupprechter-Vorschlag zudem auch bei FPÖ-Agrarsprecher Harald Jannach.
CETA: Ausschuss pocht auf Entscheidung durch nationale Parlamente
Überrascht zeigte sich Andrä Rupprechter über die Ankündigung von Kommissionspräsident
Juncker, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nicht den nationalen Parlamenten vorzulegen. CETA ist
ein gemischtes Abkommen, steht für den Minister fest, der sich in seiner Meinung durch ein entsprechendes
Rechtsgutachten des juristischen Dienstes des Europäischen Rates bestätigt fühlt und in diesem Zusammenhang
auch die Möglichkeit eines Einspruchs beim EUGH gegen das Vorgehen der Kommission in den Raum stellte.
CETA muss als gemischtes Abkommen ins Parlament kommen, forderte Erwin Preiner (S) und zog dabei an einem Strang
mit Christian Höbart (F) Wolfgang Pirklhuber (G), Michael Pock (N) und Leopold Steinbichler (T).
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