Innenausschuss stimmt Regierungsvorschlägen mit S-V-F-T-Mehrheit zu
Wien (pk) - Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen wird organisatorisch aus dem Innenministerium ausgegliedert
und in eine gemeinnützige Bundesanstalt umgewandelt. Der Innenausschuss des Nationalrats hat am 29.06. entsprechenden
Regierungsvorschlägen mit breiter Mehrheit seine Zustimmung erteilt. Ziel ist es, aus der derzeit vorwiegend
als Mahnmal fungierenden Gedenkstätte einen professionellen Museumsbetrieb mit umfassender Geschichtsvermittlung
zu machen. Die neue Struktur soll mehr Bewegungsspielraum ermöglichen und mehr Effizienz bringen. Zudem erwartet
man sich mehr Zielsicherheit beim Ressourceneinsatz und Verwaltungsvereinfachungen. Die wirtschaftliche Kontrolle
durch den Bund und die parlamentarische Kontrolle bleiben jedoch erhalten.
Gegen den Gesetzentwurf ( 1150 d.B.) stimmten die Grünen und die NEOS. Sowohl Abgeordneter Harald Walser (G)
als auch Abgeordneter Nikolaus Alm (N) hätten die Einrichtung einer Stiftung bevorzugt. Ihrer Meinung nach
wäre damit die Unabhängigkeit der Gedenkstätte besser gewährleistet gewesen. Er erkenne an,
dass mit der Gesetzesnovelle etwas Positives bewegt werden solle, sagte Alm, die NEOS hätten sich aber eine
Lösung gewünscht, "die etwas weiter weg ist von der Realpolitik". Man habe eine große
Chance vertan, waren er und Walser sich einig. Allgemein bedauerte Walser, dass es im Vorfeld der Ausschusssitzung
keine politischen Gespräche gegeben habe, die Einwände der Grünen sind ihm zufolge bislang ignoriert
worden.
Als konkreten Kritikpunkt neben der grundsätzlichen Organisationsstruktur nannten Walser und Alm die Zusammensetzung
des Kuratoriums, die nach Meinung von Walser einer längst überholten "Proporzlogik" folgt,
bzw., wie Alm monierte, den Sozialpartnern zu viel Mitbestimmungsmöglichkeiten gibt. Walser hat außerdem
kein Verständnis dafür, dass die Gedenkstätte neben Mauthausen auch noch einen zweiten Sitz in Wien
hat, und vermisst Bestimmungen, die eine parlamentarische Kontrolle tatsächlich sicherstellen.
Besonders kritisch setzte sich Walser auch mit der Finanzierung auseinander. Es müsse sichergestellt werden,
dass eingenommene Drittmittel nicht für die Infrastruktur der Gedenkstätte verwendet werden, forderte
er. Dies sei durch die derzeitige Formulierung nicht gewährleistet. Auch die zugesagte Valorisierung der öffentlichen
Mittel ist ihm zufolge nicht gesetzlich festgeschrieben. Insgesamt räumte Walser ein, dass sich die Gedenkstätte
in den letzten Jahren trotz chronischer Unterfinanzierung positiv entwickelt habe.
Gedenkstätte erhält erstmals gesetzliche Grundlage
Nicht nachvollziehbar sind die Einwände der beiden Oppositionsparteien für SPÖ und ÖVP. Abgeordneter
Werner Amon (V) appellierte an Walser, "politische Eitelkeiten" zurückzustellen. Es sei kleinlich,
dass die Grünen nicht bereit seien über ihren Schatten zu springen, meinte er.
Die gewählte Organisationsform begründete Amon damit, dass sich die Republik nicht aus ihrer Verantwortung
zurückziehen dürfe. Durch die Regelung in einem Bundesgesetz sei außerdem die parlamentarische
Kontrolle gewährleistet. Die Behauptung, durch die Lukrierung von Drittmitteln drohe eine Kürzung der
öffentlichen Mittel, ist für Amon "eine bösartige Unterstellung". Dies sei keinesfalls
intendiert.
Auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl wies darauf hin, dass die Gedenkstätte Mauthausen nun erstmals
eine gesetzliche Grundlage erhalte. Durch die von der öffentlichen Hand bereitgestellten Mittel könne
nicht nur die Erhaltung der Gedenkstätte, sondern auch ein regelmäßiger Museumsbetrieb inklusive
Forschung finanziert werden. Gerstl hob in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Präventionsarbeit hervor.
Für SPÖ-Abgeordneten Hannes Weninger ist Mauthausen das zentrale Mahnmal Österreichs für Verbrechen
des Nationalsozialismus und für die Mitverantwortung Österreichs. Er bedankte sich ausdrücklich
bei den vielen engagierten Freiwilligen, die über Generationen hinweg in Mauthausen wertvolle demokratische
Arbeit geleistet haben. Eine Stiftungslösung hätte sicher ihren Reiz gehabt, meinte Weninger, vorrangig
sei aber, dass es nunmehr eine gesetzliche Grundlage für die Gedenkstätte gebe. Nichts Negatives kann
er an der Zusatzfinanzierung durch Drittmittel erkennen.
Hinter das Gesetz stellte sich auch Christoph Hagen vom Team Stronach. Es würden richtige Schritte gesetzt,
sagte er.
Sobotka hält Bundesanstalt für bessere Lösung als Stiftung
Innenminister Wolfgang Sobotka äußerte massive Zweifel daran, dass die Einrichtung einer Stiftung eine
bessere Lösung gewesen wäre. Man habe gute Erfahrungen mit Bundesanstalten gemacht, bekräftigte
er. Außerdem zeige sich bei Stiftungen immer wieder, dass im Laufe der Zeit von der ursprünglichen Stiftungsidee
oft wenig übrig bleibe, ohne dass man auf die Stiftungsorgane Einfluss nehmen könne. Das vorliegende
Gesetz gebe dem Parlament die Möglichkeit, den Rahmen klar abzustecken.
"Es ist ein schlankes Gesetz geworden", das versuche, den Zeiterfordernissen gerecht zu werden, unterstrich
Sobotka. Dem Entwurf seien viele Gespräche vorangegangen. Seiner Ansicht nach hat Österreich die moralische
Verpflichtung, die wirtschaftliche Basis für die Gedenkstätte zu sichern. Dass im Gesetz auch zusätzliche
Einnahmen durch Drittmitteln vorgesehen seien, sieht Sobotka nicht als Widerspruch, damit würde die Eigenverantwortung
der Museumsleitung gestärkt. Wichtig ist für ihn die klare Trennung zwischen kaufmännischer und
pädagogisch-didaktischer Verantwortung.
Dass die Gedenkstätte nicht, wie von einigen Seiten gewünscht, den Namen Mauthausen-Gusen erhält,
begründete Sobotka damit, dass es viele Außenlager von Mauthausen gebe, von Gusen bis Melk, vom Loiblpass
bis Wiener Neustadt. Man wisse nicht einmal, ob man alle Außenlager kenne. Als sinnvoll erachtet er auch,
dass die Gedenkstätte einen zusätzlichen Sitz in Wien hat, damit sei eine bessere Anbindung an andere
wissenschaftliche Einrichtungen gewährleistet. Mit der Vertretung mehrerer Ministerium im Kuratorium bringt
die Regierung ihm zufolge ihre Gesamtverantwortung zum Ausdruck.
Allgemein wies Sobotka darauf hin, dass sich die Gedenkstätte in den letzten Jahren auch zu einem Ort der
wissenschaftlichen Auseinandersetzung und einem Ort der Kommunikation entwickelt habe. Sie sei in diesem Sinn für
historisches Lernen in Österreich von großer Bedeutung. Sobotka will die Expertise der Einrichtung auch
für die Ausbildung der Polizei nutzen.
Bundesanstalt wird mit 1. Jänner 2017 eingerichtet
Aufgabe der neuen Bundesanstalt "KZ-Gedenkstätte Mauthausen / Mauthausen Memorial" ist es unter
anderem das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen sowie
deren Außenlagern zu bewahren, Zeugnisse der Geschichte zu sammeln, die damaligen Geschehnisse einer möglichst
breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, wissenschaftliche Forschung zu betreiben und Überlebende und Angehörige
zu betreuen. Auch Präventionsarbeit gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung und die Zusammenarbeit
mit anderen nationalen und internationalen Gedenkstätten gehören zum gesetzlichen Aufgabenkatalog. Finanziert
wird die Anstalt aus dem Bundeshaushalt, daneben sind aber auch eigene Einnahmen, etwa aus Leistungserbringungen,
und die Lukrierung von Drittmittel möglich.
Geleitet wird die Bundesanstalt von einem Direktor, der ebenso wie ein kaufmännischer und ein pädagogischer
Leiter vom Innenminister – nach Anhörung des 15-köpfigen Kuratoriums – bestellt wird. Diesem Kuratorium
obliegt im Wesentlichen die wirtschaftliche Aufsicht über die Geschäftsführung. Zudem sind ein wissenschaftlicher
Beirat, bestehend aus fünf bis acht Personen, und ein "Internationaler Beirat Mauthausen" vorgesehen.
Letzterem gehören unter anderem auch Vertreter von Opferverbänden und Vertreter jener Länder an,
deren Staatsangehörige in Mauthausen bzw. Gusen interniert waren. Auch alle anerkannten Religionsgemeinschaften
und die Interessenvertretungen können je ein Mitglied in den Internationalen Beirat entsenden. Die allgemeine
Aufsicht über die Bundesanstalt hat das Innenministerium.
Eingerichtet wird die Anstalt mit 1. Jänner 2017, wobei im ersten Betriebsjahr aus dem Bundeshaushalt 3,83
Mio. € bereitgestellt werden sollen. Für die Folgejahre geht das Innenministerium von durchschnittlichen jährlichen
Kostensteigerungen von 2,65% aus.
|