Konferenz über Chancen und Risiken der Beitrittsverhandlungen Serbiens in die Europäische
Union bei Lansky, Ganzger + Partner
Wien (lansky) - Am 27.06. wurde über den Stand und die Perspektiven der EU-Beitrittsverhandlungen Serbiens
mit einer hochkarätig besetzten Runde bei Lansky, Ganzger + Partner diskutiert. Unter der Moderation von Wolfgang
Petritsch, Topdiplomat, Balkanexperte und LGP Of Counsel debattierten Experten über Chancen und Risiken des
serbischen EU-Beitritts. Gerade die aktuelle Entscheidung Großbritanniens zum Austritt aus der EU vergangene
Woche wurde von den Teilnehmern zum Anlass genommen, über die Möglichkeiten einer erfolgreichen europäischen
Integration Serbiens zu diskutieren.
Der Präsident des Senat der Wirtschaft Serbien, Ivan Gros, präsentierte die beeindruckenden Wirtschaftsdaten
Serbiens: Ein – weit über den Prognosen liegendes – Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent, und ein florierender
Außenhandel, vor allem mit der EU: Mit knapp 64 Prozent ist die EU der wichtigste Handelspartner Serbiens,
davon ist Deutschland der größte, Österreich bereits der zweitgrößte Handelspartner
in Europa. Aber auch mit China wurden in den letzten Jahren intensive Wirtschaftsbeziehungen geknüpft.
Aleksandar Vlahovic, Präsident der Vereinigung serbischer Wirtschaftsmanager und Vorstandsmitglied bzw. Aufsichtsrat
bei Erste Bank Serbien und der Wiener Städtischen Versicherung in Belgrad, verwies auf die Budgetkonsolidierung
Serbiens seit 2014. Die Befürchtungen, der konsequente Sparkurs der Regierung werde das Wachstum bremsen,
habe sich nicht bewahrheitet, so Vlahovic, im Gegenteil: Konsum und Industrieproduktion hätten angezogen,
Serbien sei wirtschaftlich auf einem sehr guten Weg, das Außenhandelsdefizit sei von 17 und rund 10 Prozent
des BIP gesunken.
Für Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist die Integration des Westbalkan die dritte große europäische
Herausforderung, nach dem Friedensprojekt EU und dem Fall des Eisernen Vorhangs. Gusenbauer: „Die EU muss sich
dieser Herausforderung stellen.“ Serbien sei mit einem Durchschnittseinkommen von 400 Euro im Monat mit gut ausgebildeten
Arbeitskräften ein guter Platz für Investitionen. Gusenbauer nannte drei Bereiche, die für Serbien
vielversprechend seien: “Erstens die Bildung eines Autoclusters nach dem slowakischen Vorbild, zweitens die Agrarindustrie
und drittens, auf Grund der geographischen Lage Serbiens, Logistik und Infrastruktur für den Bahn- und Autogüterverkehr.“
Allerdings, so Gusenbauer, müsse sichergestellt sein, dass Serbien ein funktionierender Rechtsstaat sei; und
das Verhältnis zum Nachbarn Kroatien müsse geklärt sein.
Auch der stellvertretende Präsident der WKO, Christoph Matznetter, sieht in Serbien „den Tigerstaat“ Südosteuropas.
Der Unternehmer Hanno Soravia berichtete indes über seine Erfahrungen als langjähriger Investor in den
Staaten des Westbalkans. Für Soravia hat Belgrad das Potential „die Hauptstadt des Balkans“ zu werden.
Im zweiten Teil der Konferenz lag der Fokus auf der Frage nach den politischen Herausforderungen und Chancen des
serbischen Wegs in die EU, gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Krise Europas nach dem Brexit. Für Othmar
Karas, Mitglied des Europäischen Parlaments, ist die Europäische Union die einzig sinnvolle Stimme Europas
in einer globalisierten Welt. Aber dieses Haus ist noch nicht fertig gebaut, wegen persönlicher und nationaler
Befindlichkeiten dürfe kein Stein dieses Gebäudes herausgerissen werden. Ein wichtiger Teil dieses europäischen
Gebäudes ist der Westbalkan und Serbien, daher bleibe die Erweiterung ein integraler Bestandteil und habe
Priorität für die zukünftige Ausgestaltung der Europäischen Union. Dieser Mehrwert, gemeinsam
die Interessen Europas und seiner Regionen zu vertreten, sei der Hauptgewinn des Vereinigungsprozesses der letzten
60 Jahre. Dies müsse nach innen und außen kommuniziert werden, man dürfe die Regie nicht den Populisten
überlassen. Serbien habe bereits viele Fortschritte und Reformen auf dem Weg in die EU gemacht, rechtlich,
wirtschaftlich und auch in den Beziehungen mit seinen direkten Nachbarn. Auch bei der letztjährigen Flüchtlingskrise
habe das Land bewiesen, wie eng es bereits mit der EU kooperiere. Der EU-Abgeordnete unterstrich zudem die Brückenfunktion
Serbiens für die zukünftigen Beziehungen zwischen Westeuropa und Russland. „Wir dürfen nicht locker
lassen beim Erreichen des Ziels, Serbien im Haus der EU willkommen zu heißen“, so Othmar Karas zum Abschluss
seines Impulsreferats.
Der frühere Minister für Europaangelegenheiten und internationale Beziehungen Baden- Württembergs
und SPD-Parteichef Peter Friedrich machte deutlich, dass geopolitische und werteorientierte Interessen nun auch
wieder Teil der EU-Politik sein würden. In dieser Hinsicht spiele Serbien eine herausragende Rolle, da mitten
durch Serbien die Grenze neuer Gegensätze innerhalb Europas verlaufe: ein liberales Verständnis der europäischen
Idee versus neuer nationalistischer und autokratischer Tendenzen. Dies sei für Belgrad Herausforderung und
Chance zugleich. Die Hauptaufgabe der verantwortlichen Akteure des Beitritts in Brüssel und Belgrad liege
auch darin, diese Werte erfolgreich in die Mitte der serbischen Gesellschaft zu tragen. Zudem unterstrich Friedrich
in seinen Ausführungen, dass die zivilgesellschaftlichen Reformen in Serbien noch ausbaufähig seien,
besonders in Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit, Parteienvielfalt und Unabhängigkeit der Justiz. Ebenso
müsse auch in der orthodoxen Kirche Serbiens der Geist eines liberalen Europas erkennbarer werden.
Dusan Reljic, Leiter des Brüsseler Büros der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ aus Berlin, unterstreicht
die Relevanz von Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit als wichtigstes Element in den Beitrittsverhandlungen
Serbiens mit der EU. Die Befriedung der Kosovo- Frage müsse gerade in der serbischen Bevölkerung auch
ankommen und legitimiert werden in der öffentlichen Meinung. Zudem müsse man eine bereits länger
anhaltende Vertrauenskrise zwischen den Regierungen des West-Balkans zu ihren Wählern konstatieren. Für
Reljic sollte jedoch auch Brüssel notwendige interne Initiativreformen beim Beitrittsprozess flexibler umsetzen.
Als konkretes Beispiel nennt der deutsche Politikberater die EU-Strukturfonds, welche nicht erst nach dem Beitritt,
sondern bereits jetzt angewendet werden sollten, da diese eine Investition für die EU, nicht bloß für
Serbien seien; zudem könne so die Schuldenschere rascher geschlossen werden. „Die Union sollte in ihrer Erweiterungspolitik
neue Wege gehen und die Kanzleiphilosophie von LGP übernehmen „to think out of the box!“, so Reljic zum Abschluss
seiner Ausführungen.
Gabriel Lansky, Managing Partner bei LGP und Gastgeber der Konferenz, fasst in seinem Schluss-Statement die Diskussionen
in Thesen zum Wertedenken der EU zusammen. Für ihn befinde sich die EU in einem globalen Wettbewerb um Länder
und Märkte, allerdings habe sie diese Führungsrolle aufgegeben; somit sei die Präpotenz Brüssels
im Widerspruch zur Realität. Dieser Gegensatz setze sich auch fort in vielen inadäquaten Strukturen der
Brüsseler Politik, sei es in Fragen der Investitionen, der Flüchtlingskrise. Mit diesen werden wesentliche
Elemente der europäischen Identität in Frage gestellt. Eine solche Politik wirke sich auch auf das Bild
aus, das Brüssel bei den Beitrittskandidaten habe. Daher sollte die EU mehr als vorsichtig sein beim bloßen
Proklamieren ihrer Werte, denn sie stehe im globalen Wettbewerb mit anderen Märkten und Systemen. Die Nationalisten
und Populisten Europas bildeten einen Teil dieser „Ideen“: „Sie betreten die Bühne mit diesen Waffen! Unser
Kampf gegen diese Demagogen muss darin bestehen, endlich wieder glaubwürdig zu werden für die Idee Europas“,
so Gabriel Lansky. Für ihn brauche die EU Serbien für diese europäische Vision genauso wie umgekehrt
Serbien die EU, daher müssten die Beitrittsverhandlungen auf gleicher Augenhöhe geführt werden,
ohne jegliche Präpotenz Brüssels, beide Seiten müssten erkennen, dass der Weg das Ziel sei. Es wäre
ein großer Fehler, wenn die Union schon jetzt Forderungen aufstellen würde bei den Verhandlungen mit
Brüssel, sie dürfe sich nicht als „Diktator“ generieren. Dies gelte auch für die noch offene „Kosovo-Frage“,
welche von den Beitrittsverhandlungen losgelöst werden müsse. „ Ich bin überzeugt, dass der Weg
Serbiens in die EU ein erfolgreicher sein wird!“, so Gabriel Lansky zum Abschluss der Konferenz in den Räumen
von Lansky, Ganzger + Partner.
Über Lansky, Ganzger + partner
Mit rund 140 Mitarbeitern an fünf Standorten in Wien, Bratislava, Belgrad, Baku und Astana zählt
Lansky, Ganzger + partner (LGP) zu den größten international orientierten Wirtschaftskanzleien Österreichs.
Das mehrsprachige Team des SEE Desk in Wien und Belgrad unterstützt Unternehmen beim Markteintritt in den
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien mit wirtschaftlicher, juristischer und länderspezifischer Expertise.
Mitglieder der Sozietät sind seit den 1990er Jahren im südosteuropäischen Raum aktiv und engagieren
sich für die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Serbien. Darüber hinaus bildet die
Spezialisierung auf EU-Recht und öffentliches Wirtschaftsrecht eine der Kernkompetenzen. Mit im Team sind
neben den Kanzleigründern Dr. Gabriel Lansky und Dr. Gerald Ganzger, Univ.-Doz. Dr.Dr. Alexander Egger, der
Leiter des SEE Desk, Daniel Gros sowie Dr. Wolfgang Petritsch, Botschafter a. D., Präsident der Marshallplan-Jubiläumsstiftung
sowie LGP Of Counsel.
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