Eisenstädter Bischof zelebriert Messe vor hunderttausend Gläubigen im historisch
bedeutendsten Wallfahrtsort Bosniens
Podmilacje/Eisenstadt (martinus) - Geistlicher Höhepunkt des mehrtägigen Arbeitsbesuches des Eisenstädter
Bischofs Ägidius Zsifkovics in Bosnien-Herzegowina war die Teilnahme an der jährlichen Wallfahrt zum
Heiligtum des heiligen Johannes des Täufers im zentralbosnischen Podmilacje. Der Bischof war damit einer Einladung
der bosnischen Franziskanerprovinz (Provincija Bosna Srebrena) gefolgt, deren Patres den Wallfahrtsort betreuen,
und nahm in Begleitung des Erzbischofs von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic, an der Pilgerfahrt teil.
Ankunft in einer berückenden Welt
Den Vorabendgottesdienst vor dem eigentlichen Festtag zelebrierte Bischof Zsifkovics an der Seite von Kardinal
Puljic gemeinsam mit Mitgliedern der bosnischen Franziskanerprovinz. Zuvor hatten beide Bischöfe die Statue
des heiligen Johannes des Täufers, Sveti Ivo, in einer feierlichen Prozession an den Gläubigen vorbei
an einen dafür vorgesehenen Platz der Verehrung geführt. Das Besondere: Auch viele Muslime nehmen teil
an der Feier zu Ehren des heiligen Johannes von Podmilacje. Es scheint an diesem besonderen Ort so etwas wie eine
Religiosität jenseits der Religion zu geben.
Vor der Messe hatte sich Bischof Zsifkovics kurzerhand entschlossen, den franziskanischen Beichtvätern
beim Beichthören auszuhelfen. Vor den im Wallfahrtszentrum eigens vorgesehenen Nischen hatten sich lange Menschenschlangen
gebildet und es herrschte ein Andrang auf das in Westeuropa so vergessene Sakrament, der hierzulande kaum vorstellbar
ist. Das Berückende dabei: Die Menschen in Bosnien nehmen die Möglichkeit zur Versöhnung mit Gott
und mit sich selbst mit entwaffnender Selbstverständlichkeit wahr, die keiner Erklärungen oder Begründungen
bedarf. Es herrscht keine Peinlichkeit, keinerlei Geheimniskrämerei oder Verstohlenheit um den Gang zur Beichte.
Man stellt sich in aller Öffentlichkeit an wie an der Kasse im Supermarkt oder an der Tankstelle. Weil man
auf etwas wartet, das man einfach braucht wie die Luft zum Atmen oder den Benzin im Tank. Um diese natürliche,
unverkopfte Fraglosigkeit ihres Glaubenslebens müssten die Menschen Bosniens von vielen anderen Völkern
und Gesellschaften Europas beneidet werden.
Bewegendes Zeugnis als Burgenlandkroate vor tausenden Gläubigen kroatischer Sprache"
Ich stehe vor Euch als Burgenlandkroate in der 18. Generation. Ich kann dies nur, weil vor 500 Jahren Franziskaner
die im Osmanischen Reich vertriebenen Kroaten, meine Vorfahren, auf ihrem Marsch nach Pannonien, von der alten
in die neue Heimat begleiteten, ihnen Mut und Trost zusprachen und für Ihr Seelenheil beteten." In seiner
Grußbotschaft an die versammelten Gläubigen am Ende der Messe fand Bischof Zsifkovics bewegende Worte,
die auf die essentielle Bedeutung des Glaubens für die kulturelle Identität und die existentielle Kontinuität
eines Volkes verwiesen und mit starkem Applaus bedacht wurden. Der Bischof betonte in diesem Zusammenhang die starke
spirituelle und kulturelle Verbundenheit der Diözese Eisenstadt und der Burgenlandkroaten mit der Kirche in
Bosnien. Gleichzeitig gratulierte er dem neuen Provinzial der Franziskaner, P. Jozo Marincic, zu seinem Amtsantritt
und dankte dessen Vorgänger, P. Lovro Gavran, für die segensreiche Zusammenarbeit.
Wahre Haltung beginnt dort, wo es anfängt weh zu tun
Der Hauptgottesdienst am kommenden Tag fand bei 38 Grad Celsius unter der sengenden Sonne Zentralbosniens statt.
Trotz der heißen Temperaturen hielten die Pilger tapfer aus, unterstützt von Einheiten der Rettung und
der Polizei sowie von den Labungen der auf der anderen Straßenseite gelegenen Getränkezelte und gigantischen
Fleischgrills. Viele Pilger waren in Begleitung kranker oder behinderter Menschen gekommen, um Trost und Hoffnung
zu erfahren. Ein Mann mit seinem Sohn im Rollstuhl hier, eine Mutter mit ihrem geistig behinderten Kind dort. Große
und kleine, alte und junge Menschen mit ihren großen und kleinen, ihren alten und jungen Sorgen. Die Aura,
die von dem Ort und seinen in Massen betenden Pilgern ausgeht, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Und kaum einer
dieser tausenden von Pilgern käme auf die Idee, die Messe vorzeitig zu verlassen. Was macht schon die Hitze
wir sind beim Sveti Ivo in Podmilacje!
Bischof Zsifkovics sichert wesentlichen Beitrag zur weiteren Entwicklung der burgenlandkroatischen Kultur
Während Bischof Zsifkovics in Gegenwart zahlreicher Mitglieder des Franziskanerordens auf der Tribüne
unter einem riesigen Baldachin die Messe zelebrierte, nutzte er erneut die Gelegenheit, dem Orden vor allen Pilgern
zu danken für dessen Bereitschaft, die Burgenlandkroaten auch im 21. Jahrhundert seelsorglich zu begleiten.
Und er bittet die Franziskaner um weitere Unterstützung. Es ist tatsächlich keine Selbstverständlichkeit,
dass eine Ordensprovinz auf Jahre hinaus Mitglieder in eine ausländische Diözese entsendet, so wie dies
auf Bitte des Eisenstädter Bischofs bereits in der Vergangenheit geschehen ist. Neben der historischen Verbindung
und der kulturellen Verbundenheit mit den Burgenlandkroaten spielt hier sicher die große Wertschätzung
eine Rolle, die Bischof Zsifkovics als Person bei den bosnischen Franziskanern genießt. Eine Wertschätzung,
die bei zahlreichen Begegnungen auf seiner Bosnienreise deutlich wurde.
So hat auch der neue Provinzial, P. Jozo Marincic, in ersten Arbeitsgesprächen mit dem Bischof so wie bereits
sein Vorgänger im Amt, P. Lovro Gavran eine große Offenheit für die von Bischof Zsifkovics angeregte
internationale Bewahrung der kroatischen Volksgruppe in Sprache, Kultur und Glauben gezeigt.
"Sveti Ivo" hilft auch der Diözese Eisenstadt
Übrigens, die Bitte des Eisenstädter Bischofs beim heiligen Johannes von Podmilacje wurde bereits
erhört: Mit 1. September dieses Jahres wird ein weiterer Pater aus der bosnischen Franziskanerprovinz nach
Großwarasdorf in die Diözese Eisenstadt entsandt werden, um im kroatischsprachigen Dekanat seine dort
bereits tätigen Ordensbrüder in der Seelsorge zu unterstützen. Und auch die Franziskanische Generalleitung
in Rom gibt ihren Segen dazu: Generaldefinitor P. Ivan Sesar hat dem Bischof im Gespräch bereits mitgeteilt,
dass er die Zusammenarbeit der Diözese Eisenstadt mit der bosnischen Franziskanerprovinz und ihre historischen
und spirituellen Bande sehr begrüßt.
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Bischofsreise im Zeichen geistlich-humanistischen Brückenbaus
Der in Bosnien geborene Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Ivo Andric schrieb einmal, dass
es von allem, was der Mensch baut und aufbaut, nichts Besseres und Wertvolleres gebe als Brücken. In diesem
Sinne verstand Ägidius Zsifkovics auch seine jüngste Reise nach Bosnien-Herzegowina. In Zeiten von "Brexit"
und anderen politisch-wirtschaftlichen Grabenbildungen in Europa knüpft der Eisenstädter Bischof und
Europabischof der Österreichischen Bischofskonferenz damit weiter an den geistlich-humanistischen Netzwerken
europäischer Integration: Im Rahmen eines mehrtägigen Arbeits- und Pastoralbesuches in Bosnien-Herzegowina
pflegte der medial nicht zu Unrecht als "slawisch" apostrophierte Bischof nicht nur einen intensiven
Gedankenaustausch mit geistlichen Entscheidungsträgern des Landes, sondern schloss auch neue Kooperationen,
die die Seelsorge in der Diözese Eisenstadt für die kommenden Jahrzehnte verstärken und bereichern
werden.
"Den europäischen Brunnen nicht zu seicht graben": Kirchliche und politische Situationsanalyse
mit Kardinal Puljic
Zu Gast im Erzbischöflichen Haus konnte der Eisenstädter Bischof mit dem Kardinal der Erzdiözese
Sarajevo, Vinko Puljic, die Lage des Landes und dessen Annäherungsversuche an ein vereintes Europa intensiv
erörtern. Beide Bischöfe sind sich darüber einig, dass der christliche Glaube in Bosnien äußerst
stark und lebendig ist eine Qualität, die es bei allen noch zu bewältigenden politischen und wirtschaftlichen
Reformen zu schützen und zu bewahren gelte.
Bischof Zsifkovics warnte in diesem Zusammenhang 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und 25 Jahre nach dem Jugoslawienkrieg
vor politischen Lösungen in der Geschichte, die "auf dem politisch-ideologischen Reißbrett, im
akademischen Elfenbeinturm oder in den Computern von Harvard-Spieltheoretikern entstehen und über tiefsitzende
Befindlichkeiten und Mentalitäten von Völkern drübergestülpt" werden. "Eine Methode,
die weder das Habsburgerreich trotz seiner vielen zivilisatorisch bedeutenden und guten Ansätze noch den Kommunismus
mit seinen menschenzerstörenden Mitteln auf Dauer erfolgreich sein ließen", so Zsifkovics.
Gegen ein "zu 100% gestreamtes Europa"
Was es in einer sich zunehmend vernetzenden Welt brauche, seien vielmehr "dem Subsidiaritätsprinzip
verpflichtete Organisationsformen, die aus der geschichtlichen, kulturellen und spirituellen Tiefe gespeiste Mentalitäten
nicht ignorieren, sondern integrieren." Ein "zu 100% gestreamtes Europa", so der Europabischof,
das den Menschen und seine zentralen Wahrheiten, wie etwa Freiheit und Gerechtigkeit, Ehe und Familie, Glück,
Schönheit und Spiritualität "aus der alleinigen Perspektive von Binnenmarktfreiheiten und der Verhinderung
von Wettbewerbsverzerrungen definiert" und das sich als ein "rund um die Uhr konsumierendes Multikulti
zunehmend profilloser, einander in als Toleranz bezeichneter Gleichgültigkeit begegnender Gruppen sieht",
sei zum Scheitern verurteilt.
Eine Gefahr, der die Erzdiözese Sarajevo mit ihren renommierten Europaschulen in der Verantwortung von Weihbischof
Pero Sudar, die auf ein echtes Miteinander religiös und ethnisch selbstbewusster, gleichzeitig hochgebildeter
junger Menschen setzen, sehr bewusst ins Auge blickt. Es ist eine Gefahr, die der Kardinal von Sarajevo auch bei
den jüngsten Entwicklungen im eigenen Land sieht: Das Abkommen von Dayton habe einen wackligen Frieden geschaffen,
der "einen erfolgreichen politischen Prozess in Bosnien nicht einfach" mache und "nicht in die kulturelle
Tiefe" gehe. Besondere Sorge bereitet dem Oberhaupt der Katholischen Kirche in Bosnien diesbezüglich
die nachhaltig steigende, massive Abwanderung von Katholiken aus dem Land, deren Gründe in erster Linie Zukunftsängste
und mangelnde Perspektiven seien. In diesem Zusammenhang einigten sich beide Bischöfe auf die Wichtigkeit
einer weiteren gegenseitigen personellen und materiellen Unterstützung und Kooperation zwischen den ihnen
anvertrauen Diözesen.
Aber auch ein anderes bedeutendes Thema stand auf der Agenda des Treffens: Als Delegierter der Österreichischen
Bischofskonferenz zeichnet Bischof Zsifkovics für die Planung der Vollversammlung der österreichischen
Bischöfe im Frühjahr 2018 in Sarajevo verantwortlich. Gemeinsam mit dem Bischöflichen Sekretär
und Pressesprecher der Diözese Eisenstadt Dominik Orieschnig erarbeiteten beide Bischöfe ein anspruchsvolles
Programm für den bevorstehenden Besuch, der nicht nur auf kirchlicher, sondern auch auf staatlicher und europäischer
Ebene Bedeutung haben wird.
Integration über EU-Außengrenzen hinweg
Ein Besuch des Bischofs bei den Franziskanischen Schulschwestern in Sarajevo machte deutlich, dass Verständigung
und Integration in der Welt der Kirche nicht letztabhängig ist von geografischen, politischen und ethnischen
Grenzen. Das Evangelium selbst, so Zsifkovics, "ist bereits die Gründungscharta der einen Welt im Zeichen
der Gottes- und Nächstenliebe, die keine Grenzen und Unterschiede zwischen den Menschen vorsieht." Und
die Kirche ihr dazugehörendes Globalinstitut.
Gemeinsam mit Provinzoberin Sr. Kata Karada besiegelte Bischof Zsifkovics in diesem Geist eine weitere Kooperationsvereinbarung
zwischen dem Orden und der Diözese Eisenstadt. So wird ab Herbst dieses Jahres im burgenländischen Dekanat
Großwarasdorf eine weitere Franziskanische Schulschwester aus Sarajevo ihren Dienst verrichten, wodurch es
mit September in der Diözese Eisenstadt eine weitere ordensrechtlich errichtete Kommunität von vier Schwestern
geben wird.
Anschließend führte die energetische Ordensfrau den Bischof durch eine der Baustellen, die Ordensgemeinschaften
auf der ganzen Welt immer wieder zu bewältigen haben. Im Falle der Schulschwestern ist es ein notwendig gewordenes
neues Provinzhaus mit angrenzendem Gäste- und Sozialwohnheim. Ein herausforderndes Projekt, bei dem die Schwester
ihre Managementtalente gut gebrauchen kann.
Wenn Ägypten in Bosnien liegt
"Alles im Leben ist eine Brücke ein Wort, ein Lächeln, das wir dem anderen schenken." Auch
dieses Wort von Ivo Andric wurde bei den weiteren Begegnungen in Bosnien spürbar. Besonders freute sich der
Bischof auf den Besuch bei "seinen" Schwestern, wie er die "Dienerinnen vom Kinde Jesus" liebevoll
nennt ist es doch die Ordensgemeinschaft, die auch im Eisenstädter Bischofshof und im Altenwohn- und Pflegezentrum
Haus St. Martin ihren geistlichen Dienst verrichtet. Kaum hatte der Bischof das Provinzialatshaus in Sarajevo betreten,
fielen ihm gleich einige Jugendliche um den Hals, die ihn noch von seinem letzten Besuch in guter Erinnerung behalten
hatten.
Denn das 1890 gegründete Waisenhaus "Egipat" (Ägypten) gehört zum gleichnamigen Kloster
und wird ebenfalls von den "Dienerinnen" geleitet. Es hat viele Zerstörungen in den beiden Weltkriegen
sowie im Jugoslawienkrieg erlitten, doch der Orden kennt kein Aufgeben: In familiärer Atmosphäre sind
gestern wie heute die Schwestern wie Eltern für die Kleinen, die teilweise schwere Schicksale zu tragen haben
dies alles im Gedenken an das Kind Jesus, das ein Flüchtling in Ägypten war, und das dem Frauenorden
seinen Namen gibt. Hilfreich zur Seite steht den Schwestern dabei die Caritas der Diözese Eisenstadt, die
das Projekt finanziell unterstützt.
Der im Haus integrierte Kindergarten "Herz" wird ebenfalls von den Schwestern betreut und steht auch
anderen Kinder aus der Stadt offen. Die Älteren gehen in eine nahe gelegene katholische Schule. In der Erziehung
legen die Schwestern auch Wert auf die Vermittlung des christlichen Glaubens, wobei eine in anderen Ländern
undenkbare ökumenische und interreligiöse Dimension zu beobachten ist. So war es berührend zu erleben,
wie christliche und muslimische Kindergartenkinder vor ihrem Mittagsschlaf gemeinsam um den Schutz der Engel für
alle Kinder auf Erden beteten.
Provinzoberin Sr. Admirata Lucic führte den Eisenstädter Bischof durch die Räume dieses an Liebe
so reichen Hauses und gab ihm ihre herzliche Bitte um weitere Unterstützung der "Dienerinnen vom Kinde
Jesus", vor allem bei der anstehenden Errichtung eines geistlichen Zentrums in Slavonski Brod, mit auf den
Heimweg.
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