Justizminister Brandstetter reformiert Sachwalterrecht
Wien (bmj) - Am 07.07. schickte Justizminister Wolfgang Brandstetter das Erwachsenenschutzgesetz in die
Begutachtung. „Wir haben den Erwachsenenschutz komplett neu erarbeitet und legen nun einen Entwurf vor, der die
Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungshilfe für die Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Deren Entscheidungsfähigkeit
soll wesentlich gestärkt werden und die Familien sollen stärker eingebunden werden, damit unnötige
Besachwalterungen künftig vermieden werden können“, so Brandstetter.
Künftig vier Säulen der Vertretung
Mit der Reform soll das seit bereits 30 Jahren bestehende System der Sachwalterschaft ersetzt werden. Der Sachwalter
wird zum Erwachsenenvertreter, und das Erwachsenenschutzgesetz wird auf insgesamt vier Säulen der Vertretung
aufgebaut: Vorsorgevollmacht, die gewählte, die gesetzliche und die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Mit
diesen Vertretungsmöglichkeiten soll es verschiedene Möglichkeiten der Vertretung mit mehr Selbstbestimmung
geben. Eine Voraussetzung dafür ist ein stärkeres Hinschauen, Reflektieren und Differenzieren aller Beteiligten.
„Für jede Situation soll die bestmögliche Lösung gefunden werden, damit den Betroffenen so lange
wie möglich ein selbstbestimmtes Handeln ermöglicht wird. Durch die vier Säulen der Vertretung kann
künftig individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse der betroffenen Person eingegangen werden. Die Einschränkung
der Autonomie wird auf das absolut notwendige Maß begrenzt“, so Bundesminister Brandstetter.
Aufwertung der Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine
Die Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine werden zur Drehscheibe der Rechtsfürsorge ausgebaut. Neben der
Ausweitung ihrer Beratungsfunktion kann bei ihnen künftig auch eine Vorsorgevollmacht errichtet und ein Erwachsenenvertreter
gewählt werden. Da die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters wie bisher nur das letzte Mittel
sein soll, ist künftig auch ein „Clearing“ bei den Vereinen im Vorfeld der Bestellung verpflichtend. Dieses
„Clearing“ soll sicherstellen, ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung notwendig ist oder nicht. Das Modellprojekt
„Unterstützung zur Selbstbestimmung“ hat bestätigt, dass sich dieses seit 2006 bestehende Angebot in
der Praxis sehr gut bewährte, und damit eine große Zahl an gerichtlich angeordneten Sachwalterschaften
vermieden werden konnte.
Beispielhafte Konzepterarbeitung durch Einbeziehung aller Beteiligter
In die Neugestaltung des Erwachsenenschutzes waren alle betroffenen Personen und Personengruppen (Anwaltschaft,
Notariat, Behinderteneinrichtungen, SeniorenvertreterInnen, Sachwaltervereine, Volksanwaltschaft, Angehörige
etc.) durch regelmäßige Gesprächsrunden, Arbeitskreise und Diskussionsgruppen intensiv eingebunden.
Auch Betroffene selbst wurden befragt. „Durch diese Zusammenarbeit haben wir nicht nur ein komplett neues Gesetz
geschrieben, wir haben einen neuen Prozess der Mitgestaltung geschaffen.“, so Wolfgang Brandstetter.
Das vorgelegte Reformkonzept erfüllt die Vorgaben der UN-Behindertenrechtekonvention und schafft eine moderne
rechtliche Grundlage, die jedem internationalen Vergleich standhält. „Allgemein lässt sich ein Trend
erkennen, der schutzbedürftige Menschen nicht mehr automatisch als pflegebefohlen ansieht. Mit der Reformbestrebung
nach mehr Selbstbestimmung und Autonomie für die betroffenen Personen sind wir voll auf der Höhe der
Zeit“, so Brandstetter abschließend. Die Begutachtungsfrist ist bis 12. September 2016 angesetzt, in Kraft
treten sollen die Neuerungen am 1. Juli 2018.
Volksanwältin Brinek: Quantensprung in der Erwachsenenhilfe
Zentrale Forderungen der Volksanwaltschaft werden mit dem vorliegenden Gesetz berücksichtigt. Hunderte Fälle
und Beschwerden langen bei Volksanwältin Brinek jährlich ein. Bisher wurden Sachwalterschaften als zu
früh, zu umfassend, zu lange und de facto als Entrechtlichung erlebt. Nunmehr ist immer der Wille der Betroffenen
maßgeblich und die gerichtliche Erwachsenenvertretung ultima ratio, nicht für alle Angelegenheiten,
zeitlich befristet und die Angehörigen bekommen Rechte. Mit diesem Gesetz sind die justiziellen Rahmenbedingungen
geschaffen. Gefordert bleiben aber weiterhin die Gesundheits- und Sozialpolitik, um eine Selbstständigkeit
in allen Lebenslagen zu gewährleisten.
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