Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz bringt dreistufige Ausbildung
Wien (pk) - Mit einem umfangreichen Gesundheitsblock setzte der Nationalrat am 07.07. seine Beratungen fort.
Im ersten Teil stand zunächst eine umfangreiche Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG)
auf der Tagesordnung, die in der Fassung eines S-V-G-Abänderungsantrags mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP,
Grünen und des fraktionslosen Abgeordneten Marcus Franz beschlossen wurde. Das GuKG sieht im Wesentlichen
eine dreistufige Ausbildung vor, wobei neben der Pflegeassistenz (früher Pflegehilfe) und dem gehobenen Dienst
(diplomiertes Personal) die so genannte Pflegefachassistenz als Zwischenstufe neu eingeführt wird. Durch klare
Kompetenzregelungen gehören Konflikte über die jeweilige Zuständigkeit nun der Vergangenheit an,
erklärte Bundesministerin Sabine Oberhauser. Sie sei stolz darauf, dass nach langwierigen Verhandlungen ein
guter Kompromiss gefunden wurde, der eine hohe Ausbildungsqualität, verbesserte Karrierechancen vor allem
für Frauen und eine optimale Versorgung der Patienten gewährleistet.
Mit in Verhandlung standen auch eine Reihe von Oppositionsanträgen, die jedoch alle keine Mehrheit fanden.
Während das Team Stronach für eine Zusammenführung aller öffentlichen Spitäler plädierte,
forderten die NEOS aus Gründen der Solidarität die Abschaffung der Krankenfürsorgeanstalten. Von
den Grünen wiederum kamen Vorschläge, die auf eine bessere Überwachung von freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen in der Psychiatrie (z.B. Einführung eines Zentralregisters) sowie auf die Ausarbeitung von
baulichen bzw. architektonischen Mindestanforderungen für psychiatrische Einrichtungen abzielten.
Notwendig waren auch Änderungen im – einstimmig angenommenen - Tierärztegesetz, da die verpflichtenden
Mindesttarife in der Honorarordnung laut Auffassung der EU-Kommission eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit
darstellten.
SPÖ: Pflegeberufe werden an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts angepasst
SPÖ-Mandatar Erwin Spindelberger war überzeugt davon, dass mit der GuKG-Novelle eine für alle Beteiligte
akzeptable Lösung gefunden wurde, die einen wichtigen Beitrag zur optimalen Versorgung der PatientInnen leistet.
Kern der Reform sei ein dreigliedriges Ausbildungsmodell, durch das auch in Zukunft eine hohe Qualität gewährleistet
ist. So werde etwa die bisherige Pflegehilfe zur Pflegeassistenz, die weiterhin mit einer einjährigen Ausbildung
verbunden ist, aufgewertet. Außerdem komme es zu einer generellen Aktualisierung des Berufsbildes und einer
Anpassung an die Erfordernisse der Praxis (Stichwort: Langzeitpflege). Eine zweijährige Ausbildung ist für
die Pflegefachassistenz, die den gehobenen Dienst entlasten soll, vorgesehen, informierte Spindelberger. Beim gehobenen
Dienst wird es zu einer Akademisierung der Ausbildung kommen, wobei aus organisatorischen Gründen eine lange
Übergangsfrist bis 2024 festgelegt wurde.
Ulrike Königsberger-Ludwig erwartete sich verbesserte Karrierechancen für das Pflegepersonal, da die
Durchlässigkeit massiv erhöht wird. Im Rahmen einer Ausschussfeststellung wurde das Gesundheitsministerium
noch beauftragt, gemeinsam mit den Behindertenverbänden und Trägerorganisationen auszuarbeiten, wie pflegerische
Tätigkeiten im Behindertenbereich durchzuführen sind. Ein von ihr eingebrachter S-V-G-Abänderungsantrag
enthielt Klarstellungen in Bezug auf die Hospiz- und Palliativversorgung. Ihr Fraktionskollege D ietmar Keck nahm
noch zur Änderung des Tierärztegesetzes Stellung, das im Grunde eine Anpassung an die EU-Dienstleistungsrichtlinie
darstellt. Andernfalls hätte man ein Vertragsverletzungsverfahren riskiert.
ÖVP: Ausgewogenes und international herzeigbares Gesetz
Nach 20 Jahren war ein Facelift mehr als notwendig, erklärte Erwin Rasinger (V), der von einem "Jahrzehntegesetz"
sprach. Wenn man sich allein die Tatsache vor Augen hält, dass sich in den nächsten 15 Jahren die Zahl
der 85-Jährigen mehr als verdoppeln wird, dann verstehe jeder Laie, dass ein großer Pflegebedarf auf
die Gesellschaft zukommt. Seiner Ansicht wurde eine sehr ausgewogene Lösung gefunden, die eine klare Kompetenzzuteilung
enthält und somit die Streitigkeiten am Krankenbett – wer macht was – beendet. Sein Parteikollege Johann Singer
(V) erhoffte sich durch die Neuerungen eine Attraktivierung und Aufwertung der Pflegeberufe, die u.a. in der Akademisierung
der Ausbildung des gehobenen Dienstes zum Ausdruck komme. Für die Pflegefachassistenz werde der Zugang zur
Berufsreifeprüfung ermöglicht.
Für Menschen mit Behinderung sei es noch viel wichtiger von Personen betreut zu werden, zu denen sie ein gutes
Vertrauensverhältnis haben, unterstrich Franz-Joseph Huainigg (V). Er glaube, dass im Ärztegesetz eine
gute Regelung gefunden wurde, die u.a. sicherstelle, dass BetreuerInnen in manche Tätigkeiten eingeschult
und ärztliche Maßnahmen delegiert werden dürfen. Er sei daher froh, dass die Ministerin die Bereitschaft
signalisiert habe, dies auch im pflegerischen Bereich umzusetzen. Auch für pflegebedürftige Kinder sollte
noch eine Regelung gefunden, die auch PädagogInnen entsprechende Unterstützungsleistungen erlaubt, wünschte
sich Huainigg.
FPÖ-Kritik: Billiges Personal für die Krankenhauserhalter
Deutlich skeptischere Worte wurden von Seiten der FPÖ-VertreterInnen geäußert. Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F) befürchtete etwa, dass die "billigeren PflegefachassistentInnen" in Zukunft jene Arbeiten übernehmen
müssen, die bisher vom diplomierten Personal geleistet wurden. Man habe den Eindruck, dass das neue Gesetz
auf Wunsch der Krankenhausträger zustande gekommen ist. Den Grünen warf sie vor, wieder einmal Steigbügelhalter
für die Regierung gespielt zu haben, da für den Beschluss eine Zweidrittelmehrheit erforderlich war.
Andreas Karlsböck sprach ebenso wie seine Vorrednerin von einer "Lex-KAV", weil dem Krankenanstaltenverbund
offensichtlich das Geld ausgegangen ist. Er war zudem der Auffassung, dass sich die einzelnen Berufsbilder überschneiden
und in der Praxis kaum voneinander abzugrenzen sind. Auch die angestrebte "Pseudo-Akademisierung" werde
weder den PatientInnen noch dem Pflegepersonal nutzen. Massive Kritik übte er daran, dass nichts gegen die
langen Wartezeiten bei MRT- und CT-Untersuchungen unternommen wird, worunter vor allem schwerkranke Menschen zu
leiden hätten. Dazu brachte er auch einen entsprechenden Entschließungsantrag ein. Wenn man die dafür
zuständigen Institute ordentlich dotieren und in Ruhe arbeiten ließe, würde es keine Engpässe
geben. Karlsböck trat dafür ein, die "unsägliche Deckelung" der Kosten abzuschaffen. Josef
Riemer (F) ging noch kurz auf die Änderungen im Tierärztegesetz ein und hielt einen flammenden Appell
zur Bekämpfung von Tierquälerei.
Grüne: Grundsätzliche Zustimmung zum Gesetz, aber auch Bedenken
Eva Mückstein (G) verteidigte die Zustimmung der Grünen zu diesem Gesetz, da die Novelle aus ihrer Sicht
umfangreiche Verbesserungen und durch die Akademisierung des gehobenen Dienstes den Anschluss an internationale
Standards bringt. Österreich sei ohnehin ein sehr "ärztelastiges Land", meinte Mückstein,
man müsse daher dafür sorgen, dass das Pflegepersonal seine Kompetenzen auch wirklich einbringen kann.
Auch im Hinblick auf die Primärversorgung sei es wichtig, den Beruf aufzuwerten, da das Pflegepersonal dabei
eine tragende Rolle spielen werde. Neben diesen Vorteilen sah die Rednerin aber auch die mögliche Gefahr,
dass kürzer ausgebildete Pflegepersonen, die natürlich dann auch billiger sind, vermehrt eingesetzt werden.
Abgesehen davon, dass das Personal in massive Überforderungssituationen geraten könnte, würde dann
generell die Versorgungsqualität der PatientInnen leiden, warnte Mückstein. Judith Schwentner (G) befasste
sich vor allem mit der Langzeitpflege, wo sehr schwierige Arbeitsbedingungen herrschen. Mückstein brachte
diesbezüglich einen Entschließungsantrag ein, in dem u.a. einheitliche Mindeststandards für den
Personaleinsatz von Pflegekräften gefordert werden; der Anteil des gehobenen Dienstes müsse jedenfalls
bei 50% liegen. Außerdem wird die Gesundheitsministerin aufgefordert, bis spätestens Ende 2016 Maßnahmen
zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Wartezeiten der PatientInnen auf MRT- und CT-Untersuchungen kürzer
werden bzw. in medizinisch dringenden Fällen sofort untersucht werden.
NEOS sprechen von vergebener Chance und treten für Abschaffung der Krankenfürsorgeanstalten ein
Von einem Jahrzehntegesetz könne man wohl nicht reden, meinte NEOS-Vertreter Gerald Loacker, da bei weitem
nicht alle Chancen genutzt worden sind, die die Reform geboten hätte. So gebe es noch immer keine klare Abgrenzung
der Kompetenzen zwischen den Ärzten und den Pflegekräften, was etwa bei der Frage der Weiterverordnung
von Hilfs- und Heilmitteln deutlich werde. Überdies ging er auf seinen Antrag zur Abschaffung der Krankenfürsorgeanstalten
auf Länderebene ein. Dies wäre ein erster wichtiger Schritt, um für mehr Gerechtigkeit im System,
im dem es sicher bessergestellte Personengruppen richten können, zu sorgen.
Seine Fraktionskollegin Claudia Angela Gamon befasste sich mit den Anträgen der Grünen zur Verbesserung
der psychiatrischen Versorgung, die grundsätzlich richtige und wichtige Forderungen enthalten. Die Behandlungsengpässe
treffen vor allem jene mit voller Wucht, die sich nicht wehren können, nämlich Kinder und Jugendliche.
Bedauerlicherweise werde aber über diese Anliegen keine seriöse Debatte geführt.
Team Stronach fordert zentrale Steuerungsstelle für die öffentlichen Spitäler
Auch Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (T) teilte die Kritik, wonach die Gefahr bestehe, dass aus Kostengründen
nun weniger gut ausgebildetes Personal zum Einsatz kommt. Ihre Fraktion könne daher der Novelle nicht zustimmen.
Unter Bezugnahme auf den Entschließungsantrag ihrer Fraktion, der auf eine Zusammenführung aller öffentlichen
Spitäler zu einem Krankenhausverbund abzielt, unterstrich die Rednerin, dass eine solche Reform dringend und
zwingend notwendig wäre. Die zahlreichen Vorteile auf medizinischer, kaufmännischer und technischer Ebene
lägen auf der Hand, sie reichen u.a. von einer transparenteren Darstellung der Kosten, einem koordinierten
und bundesweit abgestimmten Personaleinsatz sowie einer besseren Allokation der Ressourcen im Sinne von regionaler
bzw. lokaler Über- und Unterversorgung. Leopold Steinbichler (T) wiederum konzentrierte sich in seiner Wortmeldung
auf die Änderungen im Tierärztegesetz. Man sollte sich generell überlegen, wie man die Materie bereinigen
und praxisfremde Bestimmungen abschaffen könne.
In Anlehnung an das Motto von Bundeskanzler Kern forderte Marcus Franz (o.F.) einen "new deal" in der
Gesundheitspolitik. Orientieren könnte man sich dabei an Ländern wie Dänemark, das vor kurzem beschlossen
hat, in den nächsten Jahren zusätzliche fünf Mrd. € in das Gesundheitssystem zu investieren. Die
heimischen Probleme, die von der Zersplitterung der Kompetenzen, divergierenden föderalen Interessen bis hin
zur ungleichen Versorgungsqualität reichen, seien seit Jahrzehnten bekannt, getan werde aber nichts. In einem
ersten wichtigen Schritt müssten alle 88 öffentlichen Spitäler zu einem Krankenhausverbund zusammengeführt
werden, regte Franz an. Außerdem sollte man Anreize dafür schaffen, dass nicht nachbesetzte Kassenarztordinationen
wieder von jungen MedizinerInnen übernommen werden. Ein großes Anliegen war ihm die Palliativversorgung,
die endlich ausreichend dotiert werden müsse. Der GuKG-Novelle werde er zustimmen, weil damit eine deutliche
Aufwertung der Pflege und eine Entlastung der Ärzteschaft einhergehe.
Die Änderungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz könnten dazu führen, dass die MitarbeiterInnen
des gehobenes Dienstes zunehmend Verwaltungsaufgaben erledigen und nicht mehr direkt zu PatientInnen gehen, befürchtete
Rupert Doppler (o.F.).
Oberhauser wehrt sich gegen unsachliche Kritik und kündigt Evaluierungsbericht an
Bundesministerin Sabine Oberhauser zeigte sich erfreut darüber, dass heute die GuKG-Novelle beschlossen werden
kann, zumal seit vielen Jahren an einer Reform der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege gearbeitet
wurde. Sie sei stolz darauf, weil es sich um einen guten Kompromiss handle, der nicht nur eine hohe Ausbildungsqualität
gewährleistet, sondern vor allem eine optimale und bedarfsorientierte Versorgung der PatientInnen sicherstellt.
Ein positiver Aspekt sei die Durchlässigkeit zwischen den Pflegeberufen, was die Karrierechancen – vor allem
von Frauen – erhöhe. Im besonderen hob Oberhauser auch die klaren Kompetenzregelungen hervor. Auch aus eigener
persönlicher Erfahrung wisse sie, dass es in der Praxis oft zu Unstimmigkeiten am Krankenbett gekommen ist,
weil nicht klar war, "wer darf was". Darunter litt nicht nur das allgemeine Arbeitsklima, sondern vor
allem die PatientInnen, die auf ihre Behandlungen warten mussten.
Den KritikerInnen entgegnete Oberhauser, dass sie die Befürchtungen der InteressensvertreterInnen immer sehr
ernst nehme. Aus diesem Grund habe man sich z.B. dafür entschieden, nach einigen Jahren eine umfangreiche
Evaluierung durchzuführen. Die Behauptungen von Seiten einiger Betriebsräte, wonach manche Pflegekräfte,
die kranke Menschen betreuen eine schlechtere Ausbildung haben als TierpflegerInnen, bezeichnete die Ministerin
jedoch als ungehörig. Während die Tierpflege schon immer eine Lehrberuf war, hat man in der Gesundheits-
und Krankenpflege eine modulare Ausbildung. Einjährig Ausgebildete gibt es seit vielen Jahren und sie leisten
eine sehr gute und wichtige Arbeit, betonte die Ressortchefin.
FPÖ-Abgeordnetem Karlsböck gegenüber stellte Oberhauser fest, dass eine CT-Untersuchung in den USA
ca. 10.000 Dollar kostet. In Österreich werden solche Diagnoseverfahren von den Krankenkassen getragen. Wenn
die RadiologInnen mit den Kassen Verträge abschließen, in denen steht, dass gedeckte Leistungen nicht
privatwirtschaftlich abgerechnet werden dürfen, dann müsse man sich auch daran halten. Außerdem
haben beide Seiten bereits angekündigt, die Verträge neu verhandeln zu wollen. Auch die Aussage, wonach
der KAV keine Überstunden mehr zahle, sei eine glatte Unterstellung.
Bei der Abstimmung wurden zudem noch die dem Ausschussbericht angeschlossene Entschließungen (Fortschrittsbericht
über die Evaluierung der GuKG-Novelle, Einrichtung einer zentralen Ansprechstelle für MRT-Untersuchungen)
einhellig bzw. mehrheitlich angenommen. Der G-Abänderungsantrag betreffend Einsatz von BehindertenbetreuerInnen
im Pflegebereich sowie der G-Entschließungsantrag betreffend Mindestpersonalschlüssel und Wartezeiten
auf MRT- und CT-Untersuchungen fanden keine Mehrheit. Nicht angenommen wurde auch der F-Entschließungsantrag
betreffend die Sanierung der Missstände bei den bildgebenden Untersuchungen (Computertomographie und Magnetresonanz).
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