Spieltheorie kann moralisches "Freerider"-Problem lösen
Tokio/Wien (universität) - Was motiviert Menschen, zu verlässlichen moralischen Urteilen beizutragen,
obwohl diese Urteile ein kostenintensives Gut sind? Dies bezeichnet man als moralisches "Freerider"-
oder Trittbrettfahrerproblem. Der Mathematiker Tatsuya Sasaki von der Universität Wien und seine Kollegen
Isamu Okada und Yutaka Nakai aus Japan haben eine theoretische Lösung dafür entwickelt. Die Studie wurde
am 06.07. im renommierten Fachmagazin "Biology Letters" veröffentlicht.
Die Unterscheidung von Gut und Böse ist der grundlegende Baustein für Kooperation innerhalb großer
Gruppen. In der Praxis funktioniert das so, dass Menschen anderen Personen mit einem guten Ruf helfen, während
sie jenen mit schlechtem Ruf nicht helfen. Verlässliche moralische Urteile erfordern jedoch Zeit, Kraft und
Geld. Dies wirft ein entscheidendes Problem auf – das Phänomen der moralischen "Trittbrettfahrer".
Diese weichen den mit moralischen Urteilen verbundenen Kosten aus (etwa indem sie keine Steuern für Polizei
und Gerichtswesen zahlen) und sind damit gegenüber jenen im Vorteil, die die Kosten sehr wohl übernehmen.
Trotz intensiver spieltheoretischer Überlegungen blieb dieses moralische "Freerider"-Problem bislang
ungelöst.
Tatsuya Sasaki, Mathematiker an der Universität Wien, und seine Kollegen Isamu Okada (Soka University, Tokyo)
und Yutaka Nakai (Shibaura Institute of Technology, Saitama) verfolgten in ihrer jüngsten Publikation einen
anderen Ansatz. Die Autoren präsentieren eine einfache und allgemein anwendbare Lösung zur Vorabbeurteilung
moralischer Trittbrettfahrer. Sasaki und seine Kollegen entwickelten ein zusätzliches Beurteilungssystem,
das eine Möglichkeit bietet, im Vorhinein einen Beitrag zu den gemeinschaftlichen Kosten zu leisten, mit denen
moralische Urteile verbunden sind. "Der Zweck dieses Systems besteht nicht nur in der Finanzierung, sondern
auch in der Identifizierung und Kennzeichnung jener, die nicht bereit sind, für Gerechtigkeit zu zahlen, solange
kein sozialer Austausch stattfindet", erklärt Tatsuya Sasaki. Im sozialen Kontakt werden die entsprechend
als "Freerider" gekennzeichneten Individuen keine Hilfe erhalten. Die spieltheoretische Analyse zeigt,
dass die Vorabbeurteilung zur Stabilisierung eines kostenintensiven moralischen Systems und somit zu Kooperation
führt.
Dies hat entscheidende Konsequenzen für aktuelle Fragen. Die Beurteilung von Gut und Böse variiert in
Abhängigkeit der verschiedenen moralischen Standards von Individuen. Sasaki und seine Kollegen zeigen, dass
die Vorabbeurteilung eine einfache Methode zur Aufrechterhaltung eines moralischen Systems unabhängig von
moralischen Codes sein könnte. "Unsere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die einzelnen Individuen
sich vielleicht nicht einig sind, was Gerechtigkeit ist, aber sie könnten zu einem Konsens darüber gelangen,
wie Gerechtigkeit aufrechterhalten werden kann", schließt Sasaki.
Publikation in "Biology Letters": Sasaki
T, Okada I, Nakai Y. 2016. Indirect reciprocity can overcome free-rider problems on costly moral assessment. Biology
Letters 12: 20160341
http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2016.0341
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