NGO-Forum der Volksanwaltschaft im Palais Epstein beschäftigt sich mit Perspektiven des
Nationalen Aktionsplans Behinderung
Wien (pk) – Seit Juli 2012 ist die Volksanwaltschaft für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte
zuständig. Bei der Erfüllung des verfassungsgesetzlichen Auftrags versteht sich die Volksanwaltschaft
als Plattform für die Zivilgesellschaft und veranstaltet jährlich ein NGO-Forum, um aktuelle Fragen zu
behandeln. Thema der heurigen Veranstaltung ist "Menschen mit Beeinträchtigungen – Situation und Perspektiven".
In ganztägigen Diskussionen und Workshops wird der Stand der Umsetzung der UNO–Konvention über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen und insbesondere des Nationalen Aktionsplans Behinderung erörtert.
Parlamentspräsident Harald Dossi überbrachte den TeilnehmerInnen die Grüße von Nationalratspräsidentin
Doris Bures, unter deren Ehrenschutz die Veranstaltung steht. Das Parlament fungiere gerne als Gastgeber dieser
Veranstaltung, denn parlamentarische Arbeit sei heute ohne NGOs und Einbindung der Zivilgesellschaft nicht mehr
denkbar.
Kräuter: Neue Impulse für den Nationalen Aktionsplan Behinderung
Das heurige NGO-Forum habe sich eine kritische Bestandsaufnahme des Nationalen Aktionsplan Behinderung vorgenommen,
stellte Volksanwalt Günther Kräuter in seiner Begrüßung fest. Als Ziel der Veranstaltung nannte
es Kräuter, neue Initiativen zu starten und Impulse zu setzen. Die bisherige Bilanz der Umsetzung des Aktionsplans
könne nicht uneingeschränkt positiv sein, doch gebe es auch Erfolge, wie die Dienstrechtsnovelle, die
der Nationalrat diese Woche beschließt. Mit ihr werden endlich Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung
im öffentlichen Dienst beseitigt. Nach einer Diskussion über mediale Strategien werde die Veranstaltung
am Nachmittag mit drei Workshops fortgesetzt, kündigte Kräuter an. Darin geht es um grundsätzliche
Fragen, mit denen Menschen mit Behinderung im Alltag konfrontiert sind. Behandelt werden die Problematik der Armutsgefährdung
sowie der Bereich Wohnen und Arbeiten. Ein weiterer Workshop befasst sich mit den Problemen, mit denen Menschen
mit Behinderung als Flüchtlinge konfrontiert sind. Alle erarbeiteten Beiträge werden auf der Homepage
der Volksanwaltschaft dokumentiert.
Mediale Wahrnehmung von Menschen mit Behinderung zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Von Bewunderung über Mitleid und Ignoranz reicht die Bandbreite der Inszenierung von Menschen mit Behinderung
in den Massenmedien, so der Befund der Politik- und Medienanalytikerin Maria Pernegger. Sie präsentierte die
Ergebnisse einer aktuellen Studie, wie Menschen mit Behinderung und ihr Leben in den österreichischen Massenmedien
dargestellt werden. Ausgangspunkt ist dabei die Forderung der UNO-Konvention nach einem Paradigmenwechsel in der
öffentlichen Darstellung von Behinderung. Dabei zeige sich ein klarer Unterschied von Qualitäts- und
Boulevardmedien. Leider sei gerade in diesen Medien mit starker Öffentlichkeitswirkung der Paradigmenwechsel
noch nicht angekommen. Gerade sie hätten aber aufgrund der hohen Reichweite eine hohe Verantwortung, da sie
besonders stark zur Bewusstseinsbildung beitragen.
Nach wie vor reduziert ein großer Teil der Berichterstattung Menschen auf ihre Behinderung, macht sie zu
Objekten oder zeichnet sie in einer Opferrolle als passive EmpfängerInnen von Wohltätigkeit, sagte Pernegger.
Hingegen fehlt es an Berichterstattung über den Alltag. Der Befund sei jedoch nicht nur negativ. Auch in Boulevardmedien
finden sich Beispiele, dass Menschen mit Behinderung über ihre Leistungen dargestellt werden. Pernegger richtete
in diesem Zusammenhang auch einen Appell an die Politik. Die Anliegen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen
erhielten derzeit von den politischen Playern nur sehr wenig Aufmerksamkeit, stellte sie fest. Die Umsetzung des
Aktionsplans brauche neben der Zivilgesellschaft jedoch unbedingt auch die Politik.
Positive Bilder und Vorstellungen in den Medien herstellen
Die Einleitung des zweiten Referats übernahm Valentin Höber, Präsident des Kiwanis Aktion-Club Leoben.
In diesem Verein finden sich Menschen mit Down-Syndrom zusammen und organisieren Hilfsaktionen für Menschen,
die in Notsituationen geraten sind, erläuterte er. Damit wird die bisherige Wahrnehmung erfolgreich umgekehrt
und der Öffentlichkeit die besondere Empathiefähigkeit von Menschen mit Down-Syndrom vermittelt.
Jürgen Wieser referierte als Präsident des Vereins "Down-Syndrom-Österreich" über
seine persönlichen Erfahrungen mit den kommunikativen Strategien, die zu einer verbesserten Medienwahrnehmung
von Menschen mit Down-Syndrom in Österreich geführt haben. Als er 1994 Vater einer Tochter mit Down-Syndrom
wurde, musste er feststellen, dass Österreich, was die Information und Unterstützung von Eltern in dieser
Situation betraf, Schlusslicht in Europa war. Die Reaktion darauf war die Gründung eines Vereins mit dem Ziel,
ein spezielles Diagnose- und Kompetenzzentrum zu schaffen. Die Umsetzung des ambitionierten Projekts ist unterdessen
gelungen. PädagogInnen aus anderen Ländern kommen nun nach Leoben, um am Kompetenzzentrum Fördermethoden
kennenzulernen. Um die mediale Wahrnehmung des Themas zu verändern, setzte der Verein in seiner Pressearbeit
auf inspirierende Geschichten, auf positive Bilder, in denen Leistungen und Teilhabe am öffentlichen Leben
von Menschen mit Down-Syndrom gezeigt werden, und auf Testimonials. Wichtig war es auch, positiv besetzte Begriffe
zu kreieren, um über Menschen mit Down-Syndrom zu sprechen. Dabei habe sich gezeigt, dass mediale Berichterstattung
sehr stark über Emotionen gesteuert werden kann. Wesentlich war auch die Unterstützung Prominenter, vor
allem in der Anfangsphase konnte so positive Aufmerksamkeit erzielt werden. Eine weitere Möglichkeit, die
Öffentlichkeit zu erreichen, bietet sich über Soziale Medien, sagte Wieser.
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