Schützenhöfer: Steirischer Reformgeist als Vorbild für den Bund
Erklärung des steirischen Landeshauptmanns im Bundesrat
Wien (pk) – Als ein eindringlicher Appell, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und endlich Reformen,
die das Land dringend braucht, umzusetzen, war am 14.07. die Erklärung des steirischen Landeshauptmannes Hermann
Schützenhöfer im Bundesrat zu verstehen. Vorbild ist die steierische Reformpartnerschaft, die nunmehr
seit sechs Jahren praktiziert wird. Dieser Reformgeist soll ein Vorbild für die Bundesebene sein, warb Schützenhöfer
für das steirische Regierungsmodell. Seine Ausführungen standen daher auch unter dem Titel "Gemeinsam
neue Wege gehen". Die großen Herausforderungen werden nur mit entschlossener Politik und entschlossenen
PolitikerInnen gelingen, die glaubwürde Reformen angehen, so seine Worte.
Österreich kann es sich nicht leisten, zu streiten
"Regierung kommt von Regieren, nicht vom Reagieren und schon gar nicht vom Negieren", sagte der Landeshauptmann.
Das Gefährlichste sei eine Politik, die selbst überfordert wirkt, weil sie unterlässt, war zu tun
ist, und unterschätzt, was möglich ist. Schützenhöfer machte dabei klar, dass man mit einer
mutigen Reformpolitik die Ernte nicht bis zum nächsten Wahltag werde einfahren können. Aber seine Erfahrungen
zeigten, dass vieles, was vor ein paar Jahren noch heftig umstritten war, mittlerweile auch die Gegner überzeugt
hat und mit großer Mehrheit akzeptiert wird, warb Schützenhöfer für mehr Mut, über den
Tellerrand des nächsten Wahltermins zu blicken. Politik müsse sich wieder darauf besinnen, was sie tun
kann und dass sie etwas tun kann. Sie müsse sich auf die Pflichten konzentrieren, die sie gegenüber dem
Land und den Menschen zu erfüllen hat. So verstanden, könne verantwortungsvolle Politik auch heiße
Eisen angreifen – wie etwa Standortpolitik, Pensionen, Bildungsreform, Pflege- und Gesundheitspolitik. Österreich
könne es sich einfach nicht leisten, zu streiten und gegeneinander zu arbeiten, so Schützenhöfer
auch in Richtung der Opposition.
Vom Neustart muss man endlich auch etwas sehen und spüren
In Erinnerung des von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ausgerufenen "New
Deal" drängte der steirische Landeshauptmann darauf, in der Zusammenarbeit vom Wort zur Tat zu kommen.
Bis zur nächsten Nationalratswahl seien noch zwei Jahre Zeit - Zeit genug für große Reformen. Vom
Neustart müsse man endlich etwas sehen und spüren, sagte Schützenhöfer.
Der Landeshauptmann präsentierte bei dieser Gelegenheit drei Ideen zur Standortpolitik, indem er vorschlug,
den Investitionsstau durch Einführung eines Investitionsfreibetrags und einer Investitionszuwachsprämie
zu beseitigen. Der Bürokratieabbau gehört ebenso zu seinen Forderungen wie die Senkung der Lohnnebenkosten.
In diesem Kontext begrüßte er das Start-up-Paket der Regierung und die Reduzierung der Bankenabgabe.
Er ließ aber keinen Zweifel daran, dass die einmalige Abschlagszahlung der Banken von 1 Mrd. € entsprechend
dem Schlüssel des Finanzausgleichs verteilt werden muss.
Schützenhöfer für einen Föderalismus neu – eine Verhandlungsgruppe soll in fünf Jahren
Vorschläge ausarbeiten
Der Landeshauptmann ging auch auf die Föderalismusdebatte ein und forderte dabei mehr Sachlichkeit ein. Er
warb auch für einen "neuen Föderalismus". In diesem Zusammenhang plädierte er, den "Gordischen
Knoten" durch vermeintliche Blockaden im Verhältnis von Bund und Ländern endlich zu lösen.
Die Bundesländer böten dabei ihre Kooperation an, versicherte er. Keinesfalls seien die österreichischen
Bundesländer zu klein für den Föderalismus, zitierte er eine Studie der Universität St. Gallen,
die auch die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Subsidiaritätsprinzips untermauere.
Selbstverständlich könne eine derart komplexe Aufgabe nicht in den nächsten 6 Monaten gelöst
werden, räumte Schützenhöfer ein, er hoffe aber, dass in dieser Zeitspanne der "Einstieg zum
Umstieg" gelingt. Schützenhöfer schlug daher vor, eine Verhandlungsgruppe einzurichten, die in einem
Zeitraum von rund 5 Jahren dieses Thema diskutiert, und in der Bund und Länder unter Einbeziehung der Gemeinden
auf Augenhöhe verhandeln.
Für den steirischen Landeshauptmann müssen Subsidiarität und Dezentralisierung stärkere Ordnungsprinzipien
auch in Europa werden, wenn man verhindern will, dass die teils populistisch- demagogische Zentralismuskritik zerstörerische
und desintegrierende Formen annimmt. Die EU soll sich vielmehr um die brennenden Fragen der Außen-, Sicherheits-,
Flüchtlings- und Migrationspolitik kümmern, konstatierte er. Föderalismus sei bürgernäher,
überschaubarer und menschlicher als anonym empfundener Zentralismus, die Bundesländer hätten einen
besonderen Sinn für Eigenständigkeit und das Gemeinsame. Die Vielfalt der Bundesländer habe einen
besonderen Reiz, mache den Reichtum Österreichs aus und sei auch Fundament für die Gestaltung der Zukunft.
Schützenhöfer unterstrich, dass Weltoffenheit und Heimatverbundenheit - richtig verstanden - keine Gegensätze
darstellen, sondern einander bedingen.
Regionen könnten auch vieles bewirken, erinnerte Schützenhöfer auch daran, dass er bei seinem kürzlichen
Besuch in Brüssel seinen langjährigen Freund Jean-Claude Juncker davon überzeugen konnte, dass es
aus demokratiepolitischen Erwägungen nicht klug wäre, bei so großen Themen, wie etwa dem Freihandelsabkommen
CETA, die nationalen Parlamente vom Mitspracherecht auszuschließen.
Junge Menschen wollen über Sein und Sinn diskutieren
Den Abschluss widmete Schützenhöfer den jungen Menschen und den notwendigen Zukunftsvisionen. Junge Menschen
wollten nicht über Soll und Haben sprechen, sondern über Sein und Sinn diskutieren, unterstrich er. Es
sei daher Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik, Antworten zu bieten, Ziele zu haben und Visionen zu erarbeiten.
Den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz will er daher auch dazu nützen, um Perspektiven aufzuzeigen.
Aus dieser Verantwortung sei auch das Symposium "Österreich - 22 Überlegungen zu unserer Republik
im 21. Jahrhundert" entstanden.
Gödl: Nachhaltig denken und leben und dem Zeitgeist widerstehen
In der Debatte griffen die Rednerinnen und Redner den Appell Schützenhöfers, gemeinsam neue Wege zu gehen,
auf. So unterstrich Ernst Gödl (V/St) die Bedeutung des Föderalismus und der Subsidiarität. Die
erfolgreichsten Staatskonstruktionen seien durch diese Prinzipien gekennzeichnet, weil damit der politisch- demokratische
Wettbewerb auf allen Ebenen einhergehe und somit auch ein Schwungrad entstehe, sagte er. Gemeinsam neue Wege zu
gehen, bedeute auch, sich selbst zu hinterfragen, damit Friede, Freiheit und Wohlstand auch für die nächsten
Generationen gewährleistet seien. Friede entstehe dadurch, indem die Friedlichen, die Toleranten und die DemokratInnen
die Stärkeren sind. Das Brexit-Votum bezeichnete Gödl insofern als eine Sternstunde, als es einen mahnenden
Fingerzeig in Richtung EU darstelle und zeige, wie direkte Demokratie demagogisch und gebraucht und missbraucht
werden kann. Gemeinsam neue Wege gehen heißt für Gödl aber auch, gegen das radikale Kurzzeitdenken
vorzugehen und nicht die eigene Befindlichkeit als Maßstab aller Dinge in den Vordergrund zu stellen. In
diesem Sinne rief er dazu auf, nachhaltig zu denken und zu leben und dem Zeitgeist zu widerstehen.
Wir brauchen ein starkes Europa und nicht den Zerfall in Nationalstaaten, hielt Gödl fest; man brauche aber
auch starke Regionen und Gemeinden, um den Menschen Sicherheit, Zukunftschancen und Heimat bieten zu können;
zudem brauche es eine verantwortungsvolle Politik, die das Ganze vor Augen hat.
Weber: Steirische Reformpartnerschaft scheut sich nicht vor unpopulären Themen
Auch Martin Weber (S/St) warb für die steirische Reformpartnerschaft als Vorbild für den Bund. Diese
Reformkoalition scheue sich nicht vor unpopulären Themen und gehe auch im eigenen Bereich mit gutem Beispiel
voran. Weber verteidigte die Gemeindereform und meinte, damit habe man die Gemeinden nach einheitlichen und sachlichen
Kriterien zukunftstauglich gemacht.
Den Großteil seiner Rede widmete Weber aber den Vorzügen seines Bundeslands in Form einer "Liebeserklärung".
Weber pries dabei nicht nur die schöne Landschaft und die Attraktivität für Touristinnen und Touristen,
er hob auch die unternehmerischen Leistungen in der Schwerindustrie, Hochtechnologie und Umwelttechnik hervor.
Schließlich zeigte er sich zufrieden damit, wie gut das Bundesland die Bewährungsprobe durch den Flüchtlingsansturm
bewältigt hat.
Krusche: Bilanz ist wenig berauschend
Weniger positiv fiel die Bilanz vom freiheitlichen Bundesrat Gerd Krusche (F/St) aus, sie sei wenig berauschend,
sagte er. Mit der Schuldenpolitik, der Schließung von Schulen und der Gemeindezusammenlegung habe man den
ländlichen Raum geschwächt, klagte er. Krusche wies zudem auf die 38.000 Arbeitslosen in der Steiermark
hin, wobei die Arbeitslosigkeit in manchen Regionen besonders hoch ist. Mit Sorge betrachtete er auch die Bevölkerungsentwicklung
und rechnete vor, dass die Steiermark bis 2050 lediglich um 1,5% wachsen werde, zugleich aber ein starker Anstieg
der Älteren und ein prozentuelles Absinken der arbeitenden Bevölkerung prognostiziert werde. Im Hinblick
auf die angekündigte Gesundheitsreform befürchtete Krusche einen Kahlschlag bei den Spitälern und
zeigte sich skeptisch, ob tatsächlich die Gesundheitszentren diesen Ausfall kompensieren können. Als
viertes Problem ortete er die hohe Verschuldung und schlechte Budgetlage.
Hinsichtlich der von Schützenhöfer angekündigten Verhandlungsgruppe zu einer Föderalismusreform
äußerte er wenig Hoffnung und erinnerte daran, dass die Vorschläge dazu längst auf dem Tisch
liegen, man müsse lediglich beim Rechnungshof und beim Österreichkonvent nachblättern.
Reiter fordert mehr Transparenz bei Finanzausgleichsverhandlungen
Einen völlig anderen Zugang zum Gemeinsamen fand Heidelinde Reiter (G/St), die dabei auf menschliche und tierische
Verhaltensweisen zurückgriff. Menschen seien soziale Wesen und damit Rudelwesen, erklärte sie und die
Probleme begännen mit der Frage, wer zum Rudel gehört und wer die Richtung angibt. Man sei dabei weit
gekommen, vielleicht auch zu weit, gab sie zu bedenken, denn die Regelmacher stünden heute vor großen
Akzeptanzproblemen. Die Menschen fühlten sich ausgegrenzt und durch die Vorschriften überfordert. Je
größer die Ebenen werden - von der Region bis hin zur EU und darüber hinaus – werde die Probleme
der Rudelzugehörigkeit und Rudelabgrenzung immer größer. Reiter forderte daher ein globales Rudelmodell.
Sie zog in Bezug auf die Föderalismusdebatte auch den Vergleich mit dem Sumo-Ringer-Syndrom heran, denn als
Landeshauptmann müsse man immer als Sieger auf der Matte bleiben, und das gelte auch für die EU-Ebene.
Reiter sagte Ja zum gemeinsamen Weg, meinte aber wie Gerd Krusche, man müsse endlich beginnen, den Weg auch
zu gehen, weil die Vorschläge längst auf dem Tisch liegen. Als eines der größten Probleme
ortete sie die mangelnde Transparenz, weshalb sie dazu aufrief, eine Beteiligung in anderer Form zu ermöglichen,
damit sich die Menschen nicht überfahren fühlen. Als besondere Herausforderung unserer Zeit sieht sie
es, von der Konkurrenz zu Kooperation zu kommen. Gemeinsam heiße, viele Player und Menschen mitzunehmen,
so Reiter.
Neuer Bundesrat Robert Seeber
Am Beginn der Sitzung wurde der Linzer Tourismusexperte Robert Seeber (V/O) als neuer Bundesrat angelobt. Er folgt
dem langjährigen ÖVP-Bundesrat und mehrmaligen Präsidenten der Länderkammer, Gottfried Kneifel,
der sein Mandat am 1. Juli zurückgelegt hat.
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