Gottfried Kneifel und Josef Saller ziehen Bilanz über die Tätigkeit der Länderkammer
2015/2016 – Lindner: Mut und Vielfalt statt Angst und Intoleranz
Wien (pk) - Zukunftsthemen prägten die Arbeit des Bundesrats unter dem Vorsitz Oberösterreichs
und Salzburgs. In ihrem Tätigkeitsbericht 2015/2016 blicken die beiden Präsidenten Gottfried Kneifel
(2. Halbjahr 2015) und Josef Saller (1. Halbjahr 2016) am 13.07. auf zwei arbeitsreiche Funktionsperioden zurück,
die unter dem Motto "Mehr Demokratie, mehr Europa und mehr Zukunft" sowie "Lebenslanges Lernen für
alle Altersgruppen" standen und dabei die Möglichkeit boten, den Blick der Öffentlichkeit auf die
Herausforderungen durch den digitalen Wandel sowie auf den Bereich Senioren und Bildung zu lenken.
Schwerpunkt Digitaler Wandel
Der digitale Wandel in Gesellschaft und Politik war der vorrangige Schwerpunkt, dem Präsident Gottfried Kneifel
den Vorsitz des Bundeslandes Oberösterreich im zweiten Halbjahr 2015 widmete. Ausgehend von der Erkenntnis,
dass das digitale Zeitalter mittlerweile sämtliche Lebensbereiche erfasst hat, startete Kneifel im Juli 2015
eine Online-Diskussion über die politischen Aspekte der Digitalisierung: Was bedeutet diese rasante Entwicklung
für die Demokratie in Österreich? Welche Mitwirkungsrechte eröffnen sich durch die neuen Informationstechnologien?
Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für die Gesetzgebung? Es waren diese Fragen, mit denen sich
zunächst eine Auftaktveranstaltung mit dem Mathematiker Professor Bruno Buchberger und in der Folge dann ein
Online-Konsultationsverfahren befasste. Bereits in der ersten Phase der Ideenfindung wurden mehr als 200 Stellungnahmen,
über 100 Kommentare und mehr als 1.000 Bewertungen auf der Internet-Plattform www.besserentscheiden.at eingebracht.
Diese fanden Eingang in ein Grünbuch, das in der parlamentarischen Enquete zum Thema "Digitaler Wandel"
am 18. November 2015 zur Diskussion stand.
Rederecht von EP-Mitgliedern: Bundesrat als Schrittmacher
Der oberösterreichische Vorsitz stand aber auch im Zeichen von Demokratie und Europa. So wurde bereits in
der ersten Plenarsitzung des Bundesrats das Rederecht von Mitgliedern des Europäischen Parlaments umgesetzt.
Die Länderkammer war hier Schrittmacher, der Nationalrat folgte im Herbst. Darüber hinaus hat der Bundesrat
im zweiten Halbjahr von seinem Verfassungsrecht Gebrauch gemacht, die Entflechtung der gegenseitigen Zustimmungsrechte
zwischen den Ländern und dem Bund mittels Gesetzesantrag einzuleiten, wobei diese Initiative der Länderkammer
die Zustimmung von ÖVP, SPÖ und Grünen erhielt.
"Föderalismus hat Zukunft"
Gottfried Kneifel erwies sich in seiner Amtszeit als engagierter Verfechter des Föderalismus und der Rechte
der Bundesländer. "Föderalismus hat als Organisationsform unserer Demokratie auch weiterhin Zukunft",
betonte er etwa bei der Jubiläumsveranstaltung "70 Jahre Länderkonferenz" und wandte sich dabei
gegen ein verzerrtes öffentliches Bild der Länder. Die Länder seien eigenständige Mitglieder
des Bundesstaates, Bund und Länder hätten auf Augenhöhe und mit Augenmaß miteinander umzugehen.
Föderalismus garantiere Bürgernähe und sichere im Wege des Subsidiaritätsprinzips Chancen für
alle – insbesondere auch für schwächere Regionen. "Bürgernähe und Subsidiarität ermöglichen
eine bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Verwaltung und Gesetzgebung", lautet das
Credo Kneifels.
Lebenslanges Lernen: Bildung kennt keine Altersgrenzen
Unter das Motto "Lebenslanges Lernen" stellte Josef Saller den Vorsitz des Bundeslandes Salzburg im 1.
Halbjahr 2016. Er rückte dabei vor allem auch die Frage der Bildung der Senioren verstärkt in den Fokus
der politischen Debatte und setzte mit einem Seniorenparlament im Mai neue Akzente. "Bildung kennt keine Altersgrenzen"
ist die Devise des ehemaligen Hauptschuldirektors, der für die Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen
eintritt, damit keine gesellschaftliche Gruppierung von den modernen Entwicklungen ausgeschlossen bleibt. Die ältere
Generation müsse sich darüber bewusst werden, dass Bildung nicht mit dem 60. Lebensjahr aufhört.
Die Lebensqualität in der nachberuflichen Phase werde durch Bildung bereichert, es bedürfe aber auch
Verfahren zur Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kenntnissen und Kompetenzen. Zu diesem Thema
hat der Bundesrat im Mai auch eine parlamentarische Enquete abgehalten.
Mitwirkung der Länder unverzichtbar
Auch Josef Saller brach eine Lanze für die Länder, deren Mitwirkung im Rahmen des Bundesrats er für
unverzichtbar hält. Den LändervertreterInnen gehe es darum, die Akzeptanz in der Gesetzgebung und die
Partizipation des Volkes an der parlamentarischen Demokratie zu verbessern. Der Bundesrat erfülle eine zentrale
politische Aufgabe, indem er die Verbindung zwischen der Bundeshauptstadt und den Ländern herstellt. In die
1. Jahreshälfte 2016 fiel zudem das 200jährige Jubiläum der Zugehörigkeit des Bundeslands Salzburg
zu Österreich – für Saller "ein historisches Ereignis, das das Antlitz Österreichs dauernd
und prägend zum Positiven verändert hat".
Saller für aufrichtige und klare Auseinandersetzung mit der NS-Zeit
Die Vergangenheit Österreichs war aber auch anlässlich der diesjährigen Gedenkveranstaltung gegen
Gewalt und Rassismus am 9. Mai im Parlament präsent, in deren Mittelpunkt der Zeitzeuge Marko Feingold stand.
Saller gab in seiner Rede zu bedenken, es habe eine Zeit gedauert, bis das Langzeitgedächtnis der Republik
erwacht sei und Österreich sich seiner Vergangenheit gestellt habe. Die aufrichtige und klare Auseinandersetzung
mit der NS-Zeit sei heute eine Chance, die Generationen zu einen. Seinen höchsten Respekt erwies Saller dabei
den ZeitzeugInnen, "die ihr Leben trotzdem dem Mahnen und der Versöhnung gewidmet haben".
Rege Besuchsdiplomatie des Bundesrats
Wie sehr die Länderkammer ihre Kontakte mit dem Ausland pflegt, zeigt ein Blick auf die rege Besuchsdiplomatie
des Bundesrats. Höhepunkte waren dabei ein Besuch Gottfried Kneifels beim Schweizer Parlament in Bern sowie
ein Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck in Berlin. Darüber hinaus empfing der oberösterreichische
Bundesratspräsident Parlamentarierdelegationen des Südtiroler Landtags und des italienischen Senats.
Josef Saller hieß die Stellvertretende Vorsitzende des russischen Föderationsrats Galina Karelova im
Parlament willkommen und traf im Rahmen einer Kanada-Reise einer Bundesratsdelegation seinen Amtskollegen George
Furey in Ottawa. Bei einem Besuch in Rom nahm Saller an einer Generalaudienz von Papst Franziskus teil, den er
als Versöhner und Mahner würdigte.
Kein Einspruch in 13 Sitzungen
Einen Überblick über die Arbeit der Länderkammer im 2. Halbjahr 2015 und im 1. Halbjahr 2016 gibt
der statistische Teil des Berichts. In 13 Sitzungen wurden insgesamt 122 Gesetzesbeschlüsse, 28 Staatsverträge,
35 Ressortberichte und ein Bericht der Volksanwaltschaft behandelt. 81 schriftliche Anfragen an Regierungsmitglieder
wurden eingebracht, sieben davon waren Dringliche Anfragen. Weiters lagen der Länderkammer ein Gesetzesantrag,
vier selbständige und 21 unselbständige Entschließungsanträge vor. Elf Aktuelle Stunden, eine
Fragestunde und eine Enquete gaben zusätzliche Themen für Debatten vor. Darüber hinaus waren mit
Josef Pühringer und Wilfried Haslauer zwei Landeshauptmänner im Bundesrat zu Gast.
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Der Bundesrat als "Kammer der Zivilcourage" über alle Fraktionsgrenzen hinweg: Unter diesen solidarischen
Leitgedanken stellt der neue Präsident des Bundesrats Mario Lindner in seiner Antrittsrede das kommende halbe
Jahr seiner Vorsitzzeit. Österreich sei in den letzten Jahren bunter, vielfältiger und dynamischer geworden
und das sei gut so, hielt Lindner dabei fest. Die Veränderungen führten aber auch zu Unsicherheit, diese
wiederum auch zu Angst, und genau diese Angst lege den Nährboden für Hass. Der neue Bundesratspräsident
appellierte daher an die Verantwortung der Politik, "nicht zuzusehen, wenn Hass und Diskriminierung in unserer
Gesellschaft wachsen", sondern mit neuen Projekten Hoffnung und Perspektiven zu geben und dem Hass entgegenzutreten.
"Politik ist nicht dazu da, eine Partei, eine Person oder eine Organisation gut aussehen zu lassen – sie hat
die Pflicht Lösungen zu bieten", fordert Lindner nachdrücklich zu gemeinsamer politischer Arbeit
für ein offeneres gesellschaftliches Klima auf.
Die Länderkammer als Schnittstelle und direkte Vertreterin der Regionen und Bezirke habe für die neuen
Herausforderungen eine ganz besondere Verantwortung, so Lindner. Es gehe darum, die Diversität "zu etwas
Gewinnbringendem, zu etwas Positivem" im Leben aller ÖsterreicherInnen zu machen. Lindner spricht dabei
nicht nur von den Flüchtlingsbewegungen des letzten Jahres, sondern insgesamt einen tiefgreifenden gesellschaftlichen
Wandel an - von Brexit über Klimawandel und digitalem Wandel bis zur fortschreitenden Globalisierung.
Vielfältige Projekte gegen Hass, Angst und Intoleranz
Mit dem Ansatz eines "bundesweiten Schulterschlusses für mehr Zivilcourage" plant Lindner konkrete
Projekte, um gegen Ungerechtigkeiten und Intoleranz Zeichen zu setzen. Es gehe um "die gleichen Chancen auf
Selbstverwirklichung, Zufriedenheit und Sicherheit für alle von uns", so der neue Bundesratspräsident.
Man dürfe sich dem Hass, der Angst und der Intoleranz nicht beugen, wenn beispielsweise junge Menschen wegen
ihrer sexuellen Orientierung gemobbt oder aufgrund ihres "ausländischen" Namens diskriminiert werden,
oder wenn eine Journalistin online beschimpft und bedroht wird. Denn gerade ein vielfältiges Umfeld bereichere
den Alltag, sei Voraussetzung für neue Höhepunkte in Kunst und Kultur und bilde die Basis für Innovationen
und die Grundlage für Wachstum und neue Jobs. Wohin Hass in unserer Gesellschaft im Extremfall führen
kann, habe man in den letzten Monaten an einem brennenden Flüchtlingsheim schmerzlich lernen müssen.
Zivilcourage als Antwort auf Ungerechtigkeiten sei aber nicht nur engagiertes Handeln gegen Rassismus oder gegen
Hass gegen Flüchtlinge, sagte Lindner auch im Hinblick auf die Problematik der Hasspostings im Internet: "Der
Hass im Netz trifft Jugendliche, Kinder, Migranten, Schwule, Frauen, Männer, Transgender-Personen – jede Schicht
unserer Gesellschaft."
Enquete für digitale Zivilcourage
Speziell widmen möchte sich Lindner als Bundesratspräsident daher auch dem Thema der digitalen Zivilcourage.
Im November soll es dazu eine Enquete im Bundesrat geben, weiters ist eine langfristige Kampagne gegen Hass im
Netz gemeinsam mit Justizminister Wolfgang Brandstetter und Staatssekretärin Mona Druzdar geplant. Auch im
Zukunftsausschuss sollen diese Fragen thematisiert werden. Es werde zum Thema Zivilcourage zudem eine Ausstellung
im Palais Epstein und eine neue Zusammenarbeit mit der Demokratiewerkstatt geben, kündigte Lindner an. Auch
bundesweite Zivilcourage-Trainings mit dem Mauthausen-Komitee und Vernetzung mit NGOs, engagierten Persönlichkeiten
und Interessensvertretungen stehen auf dem vielfältigen Plan für ein besseres Miteinander in der Gesellschaft.
Gleiche Chancen und Rechte für alle Menschen
Zusammenleben in Vielfalt sei aber kein abgeschlossenes Thema, denn "Diversität und Zivilcourage sind
Querschnittsmaterien, die jeden Bereich der Politik betreffen" war es Lindner auch wichtig, zu betonen. Denn
"ob in der Sozialpolitik, in Fragen von Arbeit und Beschäftigung, im Gesundheitssystem oder natürlich
in der Integrationspolitik – in jedem dieser Felder sind wir als Gesetzgeber in der Pflicht, uns zu überlegen,
wie wir gleiche Chancen und Rechte für alle Menschen in Österreich am besten garantieren können."
Er bekräftigte daran arbeiten zu wollen, dass der Bundesrat als Europakammer, Länderkammer, Kammer des
Zukunftsausschusses und Kammer der Kinderrechte in diesem Land über alle Fraktionsgrenzen hinweg auch die
Kammer der Zivilcourage wird.
Mario Lindner ist seit Juni 2015 Bundesrat. Der 34-jährige Steirer aus Liezen übernimmt die turnusmäßige
Vorsitzführung der Steiermark in der Länderkammer, die von Juli bis Dezember 2016 dauert.
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