Mycosis fungoides: Botenstoff Interleukin 9 als neuer Ansatzpunkt zur Behandlung – Blockade
soll Zellwachstum von Tumoren stoppen
Graz (meduni) - Mycosis fungoides ist eine seltene Erkrankung des lymphatischen Systems, bei der sich Tumoren
im Bereich der Haut bilden, welche auf die inneren Organe übergreifen können. ForscherInnen der Medizinischen
Universität Graz ist es nun in einer internationalen Kooperation gelungen, einen neuen Ansatzpunkt für
die Behandlung dieses Hautlymphoms zu identifizieren, bei dem die Blockade des Botenstoffes Interleukin 9 (IL 9)
eine zentrale Rolle spielt. Die Grazer Forschungsergebnisse könnten bereits in Kürze neue Behandlungsoptionen
möglich machen.
Mycosis fungoides: UV-Licht blockt Botenstoff IL 9
Schätzungsweise sind europaweit rund 20.000 Menschen von der Mycosis fungoides betroffen. Bei der seltenen
Erkrankung handelt es sich um ein T-Zell-Lymphom der Haut, welches meist mit unscheinbaren, ekzemartigen Hautveränderungen
beginnt und über Jahre langsam voranschreitet. "Nach längerem Krankheitsverlauf werden die Lymphknoten
und andere Organe erfasst, wobei die Erkrankung auch unter Einsatz aller derzeit verfügbaren Behandlungsmethoden,
wie Chemotherapien und Knochenmarkstransplantationen, tödlich verlaufen kann", beschreibt Univ.-Prof.
Dr. Peter Wolf, Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität Graz den
Krankheitsverlauf. Unter der Leitung von Peter Wolf ist es der Forschungsgruppe an der Med Uni Graz gemeinsam mit
KollegInnen aus Dänemark und den USA nun gelungen, die Blockade des Botenstoffs Interleukin 9 als zentralen
Ansatzpunkt in der Therapie der Mycosis fungoides zu identifizieren. Dieses Ergebnis leiten die WissenschafterInnen
aus der Untersuchung an PatientInnen ab, bei denen sich UV-Bestrahlungen als therapeutisch sehr effektiv erwiesen
haben. Das UV-Licht konnte dabei die Expression von Interleukin 9 in der Haut beeinflussen. Studien in Zellkulturen
und Mausmodellen haben deutlich gezeigt, dass das Fortschreiten der Erkrankung durch die Blockade von Interleukin
9 verzögert wird, wodurch das Überleben hochsignifikant verlängert wird.
Tumoren: Aktiv in das Zellwachstum eingreifen
Die ForscherInnen untersuchten Hautbiopsien von PatientInnen mit Mycosis fungoides auf die Expression von Interleukin
9 (IL 9) - einem zellwachstumsregulierenden Protein - dessen Rezeptor (IL-9r) und deren Regulatoren. Bemerkenswerterweise
fanden die Forscher IL 9 nicht nur in den lymphomatösen Tumorzellen der Haut, sondern auch im begleitenden
Entzündungsfiltrat stark ausgeprägt. "Die gutartigen Entzündungszellen der Haut versorgen die
Tumorzellen mit IL 9 und treiben so deren Wachstum aktiv voran", beschreibt Peter Wolf die Entdeckung der
WissenschafterInnen. Immunhistochemische Untersuchungen und High-throughput DNA-Sequenzierungen menschlicher Hautzellen
ergaben, dass das therapeutische Ansprechen mit der Expression dieser Faktoren indirekt korreliert. In Zellkulturstudien
konnten die WissenschafterInnen nachweisen, dass die negative Regulation von IL 9 hauptverantwortlich für
die Verminderung des Zellwachstums maligner Lymphomzellen zeichnete. "Der sogenannte JAK-STAT-Signalweg -
ein spezieller Signalübertragungsmechanismus zur Regulation der Zellentwicklung und Wachstumskontrolle - bietet
die Möglichkeit, durch Blockade mit zielgerichteten Substanzen die Expression von wachstumsregulierenden Zytokinen
wie IL 9 und in der Folge das Zellwachstum von Tumorzellen aktiv zu hemmen", fasst Peter Wolf die Forschungsergebnisse
zusammen.
UV-Licht als Therapieoption bei Krankheitsbeginn: Wirkung über Beeinflussung des JAK-STAT Signalweg
Bereits jetzt werden entsprechende Medikamente, wie beispielsweise der JAK-Inhibitor "Ruxolitinib" bei
bestimmten hämatologischen Erkrankungen therapeutisch eingesetzt. Kinasen wie JAK stimulieren den JAK-STAT-Signalweg
durch Phosphorylierung der sog. STAT-Proteine (signal transducer and activator of transcription), was in Überexpression
von IL 9 resultieren kann. "IL 9 als Zielstruktur stellt jedenfalls einen völlig neuen Ansatz in der
Behandlung der Mycosis fungoides dar und könnte bald in einer klinischen Studie bei PatientInnen zur Anwendung
kommen, zumal ein solcher Antikörper bereits biotechnologisch entwickelt und bei PatientInnen mit Asthma bronchiale
getestet wurde", blickt Peter Wolf in die Zukunft. IL 9 Antikörper könnten vorerst überwiegend
bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf der Mycosis fungoides eingesetzt werden. Die zentrale Position der Herunterregulierung
von IL 9 bei der therapeutischen Wirkung von UV-Strahlung bei Frühformen der Erkrankung lässt aber hoffen,
dass ein früher Einsatz der Blockade von IL 9 den Langzeitverlauf der Erkrankung möglicherweise überaus
günstig beeinflussen könnte.
Die Forschungsarbeit an der Med Uni Graz erfolgte im Rahmen des PhD-Programmes MOLIN (Molecular Inflammation) und
wurde vom FWF unterstützt. Pablo Vieyra, Erstautor der Publikation aus der Arbeitsgruppe von Peter Wolf, forscht
derzeit in Harvard, um die Erkrankung mittels modernster Nanostring-Technologien molekulargenetisch und immunphänotypisch
weiter zu charakterisieren. Die Arbeit der Forschergruppe wurde bereits begleitet von einer Coverstory in "Clinical
Cancer Research" veröffentlicht und könnte bereits in Kürze zu völlig neuen therapeutischen
Strategien in der Behandlung der Mycosis fungoides führen.
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