Bonn (idw) - Mangelernährung schwächt den Organismus. Trotzdem schaffen es bestimmte Immunzellen auch
in Hungerzeiten, sich bestimmter Parasiten zu entledigen. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des
Bonner Uniklinikums hat nun herausgefunden, mit welcher Strategie diese Immunzellen das Überleben sichern.
Während Mangelperioden und unter Parasitenbefall schalten die Zellen vom Zucker- auf den Fettstoffwechsel
um. Möglicherweise lassen sich mit diesen Erkenntnissen auch chronische Darmentzündungen durch Überernährung
erklären. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „The Journal of Experimental Medicine“ veröffentlicht.
Während der Evolution des Menschen gehörten Hungerperioden und Parasiten zum alltäglichen Schicksal.
In Entwicklungsländern leiden heute noch viele Menschen unter Mangelernährung und Wurmbefall im Darm.
„Das Immunsystem hat sich angepasst, mit dieser lebensbedrohlichen Lage fertig zu werden“, sagt Prof. Dr. Christoph
Wilhelm vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie des Universitätsklinikums Bonn.
Eine wichtige Rolle spielen dabei lymphoide Zellen des angeborenen Immunsystems (englisch: Innate Lymphoid Cells),
die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden.
Bei diesen angeborenen Lymphozyten handelt es sich um wichtige Abwehrzellen, die etwa auf der Haut, in der Lunge
oder im Darm eine wichtige Barrierefunktion gegen Krankheitserreger übernehmen. „Im Gegensatz zu B- und T-Lymphozyten
weisen sie jedoch keine antigenerkennenden Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche auf“, weist Prof. Wilhelm auf
den Sonderstatus dieser Zellen hin. Haben sich im Darm Parasiten eingenistet, sorgen die Innate Lymphoid Cells
für die Reparatur geschädigten Gewebes und befördern die unerwünschten Gäste wieder aus
dem Darm heraus. Bislang war unklar, wie sie bei dieser wichtigen Aufgabe durch den Stoffwechsel unterstützt
werden.
„Rauswerfer“ zapfen unterschiedliche Ressourcen an
Prof. Wilhelm hat nun mit einem Team aus US-Forschern um die Parasitologin Prof. Dr. Yasmine Belkaid von den National
Institutes of Health in Bethesda (USA) herausgefunden, dass diese „Rauswerfer“ sehr flexibel auf unterschiedliche
Stoffwechselressourcen zurückgreifen. An Mäusen wiesen die Wissenschaftler nach, dass diese Abwehrzellen
sowohl mit Unterstützung des Zucker- als auch des Fettsäurestoffwechsels überleben können.
Waren die Mäuse dagegen mit parasitären Peitschenwürmern im Darm befallen, speisten sich die angeborenen
lymphoiden Zellen verstärkt aus dem Fettsäurestoffwechsel, um ihren Aufgaben nachzukommen. Das Gleiche
war der Fall, wenn die Mäuse einer Vitamin-A-Mangelernährung ausgesetzt waren. Bei einer Unterversorgung
mit Nährstoffen ist meist auch Zucker nur schlecht verfügbar, weshalb alternativ auf Fettreserven umgeschaltet
wird.
Strategie sichert Überleben der Menschheit
„Durch dieses flexible Vorgehen und die Anpassung an den Fettsäurestoffwechsel schafft es das Immunsystem,
auch bei geringer Nahrungszufuhr und bei einem Angriff durch Parasiten seine überlebenswichtige Funktion aufrecht
zu erhalten.“ Trotz der insgesamt widrigen Verhältnisse entledigt sich der Organismus der gefährlichen
Würmer und repariert Schäden am Darmgewebe. Diese Strategie der lymphoiden Zellen des Angeborenen Immunsystems
erklärt, warum viele Menschen in Entwicklungsländern trotz Wurmbefalls und Vitamin-A-Mangels überleben.
Diese im Lauf der Evolution erworbene Fähigkeit hat wohl auch insgesamt die Existenz der Menschheit gesichert.
Möglicher Zusammenhang zwischen Überernährung und Entzündungen
Diese Erkenntnisse führen zur Frage, welche Veränderungen das Immunsystem durchlief, seit in den
Industrienationen die zuvor weit verbreitete Mangelernährung von einer Überernährung abgelöst
wurde. Darüber hinaus ist in reicheren Ländern der Befall mit parasitären Würmern sehr selten
geworden. Kommt es deshalb vermehrt zum Beispiel zu Darmentzündungen, weil nun diese Stressfaktoren für
das Immunsystem weitgehend fehlen? Darauf haben die Forscher noch keine Antwort. Sie wollen jedoch den Zusammenhang
zwischen Ernährung, Wurmbefall und lymphoiden Zellen des angeborenen Immunsystems noch tiefgehender erforschen.
Publikation: Critical role of fatty acid
metabolism in ILC2-mediated barrier protection during malnutrition and helminth infection, The Journal of Experimental
Medicine, DOI: 10.1084/jem.20151448, Internet: www.jem.org/cgi/doi/10.1084/jem.20151448
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