Wien (wu) - Mehr als 11 Milliarde Tonnen an Rohstoffen und Produkten werden jährlich exportiert bzw. importiert
– mehr als dreimal so viel wie noch in den 1970er-Jahren. Dies zeigt ein aktueller Bericht des UNO-Umweltprogramms
UNEP, der unter Mitwirkung der WU-Forschungsgruppe „Nachhaltige Ressourcennutzung“ am WU Institute for Ecological
Economics entstand. Mit mehr als 50 Prozent stellt Erdöl das weltweit wichtigste Handelsgut dar. Aber auch
der internationale Handel mit Metallen schlägt sich in der Bilanz massiv nieder. Insbesondere Länder,
die große metallverarbeitende Industrien beheimaten, greifen zunehmend auf importierte Rohstoffe zurück.
Deutlich wird im UNEP-Bericht auch, dass Europa nach Nordamerika mit einem Rohstoffverbrauch von 20 Tonnen pro
Kopf im Jahr 2010 zu den globalen Spitzenreitern zählt.
Der neue Bericht des UNEP International Resource Panel analysierte zum ersten Mal die globalen Ressourcenflüsse
in allen Ländern weltweit zwischen 1970 und 2010. Dabei wurden die Entnahme von Rohstoffen, der internationale
Handel mit Rohstoffen und Produkten sowie der Konsum von Rohstoffen in verschiedenen Weltregionen untersucht. Zusätzlich
wurde analysiert, ob sich der Ressourcenverbrauch von der wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt hat. Ein Schwerpunkt
des Berichts widmete sich dem Thema des internationalen Handels von Rohstoffen und Produkten. „Die zunehmende Globalisierung
der Weltwirtschaft hat dazu geführt, dass immer größere Mengen an Rohstoffen und Produkten auf
globalen Märkten gehandelt werden. Wir haben im Rahmen des UNEP-Berichtes eine globale Datenbank entwickelt,
die die weltweiten Rohstoffflüsse und auch ihre zeitlichen Entwicklungsphasen abbildet. Dabei hat sich gezeigt,
dass die physischen Exporte bzw. Importe seit 1970 über 60 Prozent angestiegen sind – aus der Perspektive
der Nachhaltigkeit eine durchaus besorgniserregende Entwicklung, wenn man die ökologischen und sozialen Folgen
bedenkt, die mit dem Rohstoffabbau und –transport einhergehen“, so Stefan Giljum, Leiter der Forschungsgruppe am
WU-Institute for Ecological Economics.
Mehr als ein Drittel der globalen Rohstoffentnahme für Produktion von Exportgütern
Die Globalisierung hinterlässt somit deutliche Spuren - denn: Der internationale Handel greift weit tiefer
in die wirtschaftlichen Aktivitäten der einzelnen Länder ein, als die Analyse der direkten physischen
Handelsflüsse zu zeigen vermag. Um Exportprodukte wie Autos, Maschinen, elektronische Geräte, aber auch
landwirtschaftliche Güter wie Futtermittel oder Fleisch herzustellen, sind in den Herstellungsländern
große indirekte Ressourcenaufwände notwendig. Der UNEP Bericht zeigt, dass unter Berücksichtigung
dieser gesamten Ressourcenflüsse mehr als 25 Mrd. Tonnen an Rohstoffen mit der Exportproduktion in Verbindung
stehen. Das heißt, mehr als ein Drittel aller Rohstoffe, die im Jahr 2010 der Erde entnommen wurden, wurden
direkt oder indirekt in der Produktion von Exportprodukten eingesetzt.
Rascher Aufstieg zu einem hohen Preis
China ist im Bereich der Exportwirtschaft ein Paradebeispiel: Das Land entwickelte sich in den letzten 15 Jahren
in vielen Produktgruppen zum weltweit größten Hersteller. In den aktuellen Untersuchungen der WU-Forschungsgruppe
wird deutlich, dass alleine im Jahr 2010 mehr als 2,5 Mrd. Tonnen an Baumaterialien indirekt in der chinesischen
Exportwirtschaft eingesetzt wurden. Der rasche wirtschaftliche Aufstieg Chinas und die damit verbundene erfolgreiche
Reduktion von Armut, die zum großen Teil durch den Ausbau der Exportwirtschaft realisiert wurde, hatte daher
einen hohen ökologischen Preis: zunehmende Versiegelung durch die Ausbreitung von Städten und Infrastruktur
oder eine hohe Luftverschmutzung, die durch ressourcenintensive Industrien verursacht wird, sind deutliche Beispiele
dafür.
Europa im Spitzenfeld - Unabhängigkeit Fehlanzeige
Mit einem Materialfußabdruck von etwa 20 Tonnen pro Kopf im Jahr 2010 lag Europa im globalen Spitzenfeld
aller Weltregionen. Nur Nordamerika mit ca. 27 Tonnen pro Kopf hatte einen noch höheren Verbrauch. Ein/e durchschnittliche/r
EuropäerIn benötigt demnach bis zu zehn Mal so viele Ressourcen für die Aufrechterhaltung seines/ihres
Lebensstils als EinwohnerInnen von wenig entwickelten Regionen. Zum Vergleich: in Afrika lag der Materialfußabdruck
pro Kopf im Jahr 2010 bei unter drei Tonnen. Europa ist gemeinsam mit Nordamerika auch jene Region, welche die
höchste Importabhängigkeit aus dem Ausland aufweist. Von den etwa 20 konsumierten Tonnen pro Jahr werden
mehr als 7 Tonnen aus anderen Weltregionen importiert.
„Im Sinne der Nachhaltigkeit haben wir in Europa daher eine besondere globale Verantwortung, da mit unserem Konsum
weltweite Konsequenzen einhergehen. Es ist daher wichtig, beim Kauf möglichst auf die Herkunft von Produkten
zu achten und zu versuchen, Produkte mit hohen sozialen und ökologischen Standards sowie mit kurzen Transportwegen
zu erwerben, um damit verbundene Klimaauswirkungen zu minimieren. Neben der Tatsache, dass wir dadurch wirtschaftliche
Abhängigkeiten abbauen können, ist auch ein starker positiver ökologischer Effekt zu erwarten“,
so Stefan Giljum.
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