Pflanzen als wirksame Maßnahme gegen das Aufheizen der Innenstadt
Wien (rk) - Eis essen, baden oder im Schanigarten sitzen – der Sommer in Wien hat viele wunderbare Seiten.
Langanhaltende Sommerhitze kann aber nicht nur für Mensch und Tier zur Belastungsprobe werden sondern auch
zu partieller, starker innerstädtischer Erwärmung führen. Es entstehen so genannte städtische
Hitzeinseln („Urban Heat Islands“). Mit städtebaulichen Maßnahmen kann diesem Phänomen entgegengewirkt
werden. Um die Hitze in der Stadt deutlich abzumindern, setzt Wien unter anderem auf Fassadenbegrünungen.
Die Pflanzen an den Hauswänden nehmen nicht nur CO2 auf und geben Sauerstoff ab, sie "schwitzen"
auch bei Sonneneinstrahlung. Dabei verdunstet das in der Pflanze gespeicherte Wasser und wird an die Umgebung abgegeben.
So wird die unmittelbare Umgebung abgekühlt.
Grüne Fassaden bieten viele Vorteile
Fassadenbegrünungen bringen aber auch noch eine Reihe weiterer Vorteile: So bieten etwa begrünte
Fassaden auch Lebensräume für Tiere in der Stadt – und sie erhöhen für Menschen die Lebens-
und Aufenthaltsqualität in Stadtquartieren. Dauergrüne Rankpflanzen können im Winter einen Isolationseffekt
besitzen und helfen Heizkosten zu sparen – und im Sommer schützen sie Fassaden vor starken Aufheizen und mindern
damit die Kühllasten. Eine durchdacht angelegte Pflanzenhülle ist überdies ein natürlicher
Schutzschild gegen Schlagregen und UV-Strahlung und kann damit die Lebensdauer einer Fassade erhöhen.
Die Stadt Wien kann als Vorreiter im Bereich Fassadenbegrünungen einige gelungene Beispiele vorweisen:
- 6., Grabnergasse 4-6, die Zentrale der MA 31 – Wiener Wasser: Diese 990 m²
fassadengebundene – also direkt an der Fassade angebrachte – Begrünung mit Trögen & Kletterpflanzen
bedeckt rund 990 m² und wurde im Dezember 2015 errichtet.
- 5., Einsiedlergasse 2, die Zentrale der MA 48 – Abfallwirtschaft, Straßenreinigung
und Fuhrpark: Diese 850 m² fassadengebundene Begrünung in Aluminium-Schalen mit Gräsern & Kräutern
ist inzwischen ein Klassiker der grünen Stadtfassaden.
- 5., Schönbrunnerstraße 54: am Bezirksamt Margareten konnte eine fassadengebundene
Begrünung mit Trögen am Boden & Kletterpflanzen verwirklicht werden.
- 8., Schlesingerplatz: Bezirksamt Josefstadt; hier wurden eine Fassadengebundene
Begrünung mit Trögen am Boden & Kletterpflanzen und eine bodengebundene Begrünung mit Veitchii
kombiniert.
Fassadenbegrünungen sind eine gute – aber nicht die einzige Möglichkeit, die Sommerhitze in der Großstadt
zu mindern. Ein Überblick über die möglichen Maßnahmen wurde unter der Federführung der
Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 im „Urban Heat Island Strategieplan Wien“ (UHI-STRAT) erarbeitet. Wien ist
damit eine der ersten Städte Europas, die dieses Thema nicht nur gemeinsam mit PartnerInnen aus der Wissenschaft
und einigen anderen europäischen Städten erforscht, sondern auch gezielte Gegenmaßnahmen entwickelt
hat und nun Schritt für Schritt umsetzt. Insgesamt werden im UHI-STRAT Wien rund 90 Maßnahmen beschrieben
und deren Wirkungen, Synergien und Herausforderungen bei der Umsetzung dargestellt.
Noch mehr Grünräume für die wachsende Stadt
Was den Effekt des lokalen Aufheizens deutlich reduziert, ist die großzügige städtische grüne
Infrastruktur: Seien es Parks, landwirtschaftliche Flächen, Alleen, aber auch offene Wasserflächen. Daher
ist es gerade in einer wachsenden Stadt wie Wien besonders wichtig, Maßnahmen zur Reduktion derartiger Urban
Heat Islands zu setzen. Beispielhaft genannt seien die vielen neuen Parkanlagen, die „Wohnzimmer im Freien“, die
laufend errichtet werden. Aktuell etwa der sieben Hektar große Helmut Zilk Park am Hauptbahnhof, dessen erster
Bauteil erst kürzlich eröffnet wurde sowie die drei über acht Hektar großen Parks in der Seestadt
Aspern. Aber auch das 240 Hektar große Erholungsgebiet „Neue Lobau“ oder der Norbert Scheed Wald mit seinen
1000 Hektar, tragen zur Hitzereduktion bei.
Ausgesprochen kühlend wirken aber auch die Erhöhung des Grünanteils in Straßen und Freiräumen
mit Bäumen und Sträuchern, die bereits beschriebenen Fassadenbegrünungen, Dachbegrünungen und
Dachgärten aber auch die Erhöhung des Anteils offener Gewässer in der Stadt bis hin zur Beschattung
von Freiräumen und Wegen.
Beete, Teich und Kompost am Dach
Ein Beispiel dafür, was alles im städtischen Raum möglich ist, hat die Wiener Umweltschutzabteilung
– MA 22 selbst realisiert: Auf dem Gründach des MA 22-Standortes in der Dresdnerstraße 45 wurden Beete
angelegt, in denen eine Vielzahl an Kräutern und Büschen gedeiht, ein kleiner Teich ladet Enten auf ihren
Flügen zur kühlenden Zwischenstation ein – und inzwischen wird auch in ehemaligen Mistbehältern
der MA 48 Gemüse angepflanzt bzw. werden die Bio-Abfälle der Abteilung kompostiert. Nicht zuletzt können
aber auch die BewohnerInnen der Stadt selbst mithelfen, das lokale Klima in der Stadt deutlich zu verbessern. Hier
gilt der Grundsatz: „Jeder einzelne Pflanzentrog hilft bereits und arbeitet wie eine kleine Klimaanlage - gänzlich
ohne Strom“, betont die MA 22-Leiterin Karin Büchl-Krammerstätter.
Ursachen der Hitzeinseln
Wie Untersuchungen zeigten, sind es mehrere Faktoren, die urbane "hot spots" verstärken: Zum
einen speichern Gebäude und versiegelte Oberflächen die Energie stärker als natürliche Oberflächen.
Denn bei bewachsenen Flächen kühlen Verdunstungsprozesse die Umgebung. Dazu kommt dann noch die Abwärme
aus Betrieben, Klimaanlagen und Kraftfahrzeugen. Und nicht zuletzt sind die bebauten Flächen eine Barriere
für den Luftaustausch und blockieren das "kühle Lüfterl" aus den umliegenden Wäldern
und Landflächen. Eine weitere Folge ist, dass dicht bebaute Flächen in der Nacht nicht so gut abkühlen
- und das verkürzt die wichtigen Erholungspausen für die StadtbewohnerInnen.
Temperaturunterschiede bis zu 12 Grad
Im Schnitt führt das zu einem Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land von vier bis zu maximal zwölf
Grad. Wie die Aufzeichnungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik zeigen, kann in Wien die Temperaturdifferenz
zwischen der Inneren Stadt und den Randbezirken vier bis für fünf Grad betragen.
Gleichzeitig zeigen sich die Folgen des Klimawandels auch in Wien: Gab es zwischen 1961 und 1990 noch im Durchschnitt
9,6 Hitzetage pro Jahr, so stieg dieser Wert bis 2010 bereits auf durchschnittlich 15,2 Hitzetage. Von einem Hitzetag
wird gesprochen, wenn die Tagestemperatur die 30 Grad-Marke überschreitet.
|