Leukämie: Grazer WissenschafterInnen wollen Zellwachstum hemmen – Proteinverlust als Auslöser
von Blutkrebs im Visier
Graz (med-uni) - Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden
Systems und wird überwiegend im höheren Lebensalter diagnostiziert. WissenschafterInnen an der Medizinischen
Universität Graz beschäftigen sich intensiv mit der Erforschung von Entstehung und Therapie dieser Erkrankung.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass der Verlust des Proteins RKIP an der Entartung von Blutstammzellen mitwirkt.
Durch Aufklärung der Mechanismen, die zu diesem RKIP Verlust führen, identifizieren die WissenschafterInnen
nun eine neue Therapieoption im Kampf gegen die AML.
Akute myeloische Leukämie: Blutbildendes System im Ungleichgewicht
Unser Blut besteht aus unterschiedlichen Zellen, die im Zuge der Blutbildung aus Stammzellen im Knochenmark
entstehen. Beim gesunden Menschen befindet sich der Prozess von Produktion und Erneuerung der Blutzellen im Gleichgewicht.
Dieser Prozess kann jedoch auch außer Kontrolle geraten. Bösartige Erkrankungen, die das blutbildende
System betreffen, werden als Leukämien bezeichnet, welche wiederum in chronische und akute Formen unterteilt
werden. "Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste akute Leukämie des Erwachsenenalters
und entsteht durch eine bösartige Umwandlung blutbildender Stammzellen im Knochenmark", fasst Assoz.-Prof.
PD Dr. Armin Zebisch, Leiter der Research Unit "Signal transduction in myeloid malignancies" an der Medizinischen
Universität Graz, zusammen. In seiner vom FWF sowie der Leukämiehilfe Steiermark geförderten Forschung
befasst er sich gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe unter anderem mit der pathologischen Veränderung von Signalübermittlungen
bei Leukämien bzw. der Aufklärung der Entstehung der AML.
Wachstum und Teilung der blutbildenden Stammzellen werden von verschiedenen körpereigenen Signalen gesteuert.
Dabei leiten Botenstoffe das Wachstums- oder Teilungssignal über mehrstufige Signalwege an den Zellkern bzw.
das Zytoplasma weiter. "Die Signalwege werden je nach Bedarf an- und ausgeschaltet. Somit findet eine Signalübermittlung
normalerweise nur statt, wenn die Zelle von außen stimuliert wird", erklärt Armin Zebisch. Durch
Veränderungen des Erbmaterials kann es vorkommen, dass der Signalpfad nicht mehr ausgeschaltet wird und sich
die betroffenen Zellen ungebremst vermehren bzw. teilen, ohne sich dabei zu funktionstüchtigen Blutkörperchen
zu entwickeln. Bei der AML breiten sich die entstehenden Zellen (Blasten) rasch im Knochenmark und Blut aus, was
die Bildung gesunder Blutkörperchen verhindert und damit zum Tod der PatientInnen führt.
Grazer Forschung: Wachstum von Tumorzellen bremsen
Durch die intensive Forschungsarbeit der letzten Jahrzehnte haben sich die Behandlungsmöglichkeiten der AML
bereits stark verbessert. Dennoch verläuft sie in vielen Fällen nach wie vor fatal, es gibt daher einen
hohen Bedarf, die Forschung weiter voranzutreiben und potentielle neue Therapiemöglichkeiten zu erkunden.
Unter den vielen Signalwegen die man bei der AML kennt, scheint der Aktivierung des RAS-MAPK/ERK Pfades besondere
Bedeutung zuzukommen. Der Verlust von RKIP - ein Protein, welches diesen Pfad normalerweise hemmt - wird bei mehr
als 20% aller PatientInnen mit AML beobachtet. In mehreren Vorarbeiten zeigten die Grazer ForscherInnen bereits,
dass dieser RKIP Verlust tatsächlich an der malignen Entartung von Blutstammzellen mitwirkt.
Im Rahmen der aktuellen wissenschaftlichen Arbeit - Erstautor ist Dr. Stefan Hatzl, Doktorand der Doctoral School
Molecular Medicine and Inflammation sowie Assistenzarzt an der Klinischen Abteilung für Hämatologie,
Med Uni Graz - suchten die Grazer WissenschafterInnen nach Ursachen für den RKIP-Verlust und wurden bei der
Expression von microRNAs fündig. "microRNAs sind kleinste RNA-Stücke, welche die Expression verschiedenster
Gene regulieren", erklärt Stefan Hatzl. Gemeinsam mit KooperationspartnerInnen aus Innsbruck, Wien, München
und Rotterdam wurden mehr als 400 PatientInnen mit AML untersucht. Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass der RKIP-Verlust
mit der Überexpression einer spezifischen microRNA (miR-23a) korrelierte.
In Zellkulturen konnten die WissenschafterInnen nachweisen, dass eine künstliche Erhöhung von miR-23a
in Leukämiezellen die RKIP Expression verminderte, wodurch die Tumorzellen stärker wuchsen. Im Gegensatz
dazu konnte die RKIP Expression durch eine künstliche Blockade von miR-23a erhöht werden, was wiederum
das Wachstum von Leukämiezellen verlangsamte. "Besonders interessant ist, dass dieser Mechanismus nicht
nur für die AML zu gelten scheint", so Stefan Hatzl. Die Forschungsgruppe untersuchte diesen Zusammenhang
bei nahezu 4.500 PatientInnen in mehr als zehn verschiedenen Krebsarten, bei denen der Verlust von RKIP bereits
beschrieben wurde. "Bei einem Großteil der Entitäten scheint die beschriebene miR-23a-RKIP Achse
vorzuliegen", so die beiden Wissenschafter unisono.
In weiteren Studien versuchen die Grazer WissenschafterInnen nun die durch miR-23a Blockade erzielten Effekte auf
das Wachstum von Leukämiezellen auch therapeutisch zu nutzen. Insbesondere wollen sie dabei die anti-leukämische
Wirksamkeit der bei AML verwendeten Chemotherapeutika durch die künstliche Beeinflussung dieser miRNA optimieren.
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