Umsatz im Fahrzeughandel wächst nach drei negativen Jahren 2015 um 3,2 Prozent nominell
auf 26,1 Milliarden Euro und beschleunigt bis April 2016 auf 8 Prozent
Wien (unicredit) - Österreichs Fahrzeughandel erholt sich 2015 und 2016 nach drei negativen Wirtschaftsjahren.
Im Vorjahr ist der Spartenumsatz ohne die Werkstätten und den Zubehörhandel um 3,2 Prozent nominell auf
26,1 Milliarden Euro gestiegen, wie der aktuelle Branchenbericht der Bank Austria Ökonomen zeigt. „Die Werkstattumsätze,
mit denen in der Vergangenheit die schwache Entwicklung im Handelsbereich sehr oft kompensiert werden konnte, legten
2015 nur um 0,3 Prozent nominell zu“, analysiert Bank Austria Ökonom Günter Wolf. Anfang 2016 haben sich
die Zuwächse beider Sparten beschleunigt, wobei der Autohandel bis April sogar ein Umsatzplus von 8 Prozent
nominell erzielte.
Der Aufschwung wird zumindest bis in den Herbst 2016 anhalten. Das zeigt sich auch daran, dass das Geschäftsvertrauen
der Autohändler im ersten Halbjahr fast kontinuierlich gestiegen ist. Unterstützung findet der Optimismus
der Unternehmen in der stark gestiegenen Pkw-Nachfrage, die vom verbesserten Konsumentenvertrauen, den steuerreformbedingt
höheren Realeinkommen und anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen angetrieben wird. Bis Juni 2016
legten die Erstzulassungen um 6,3 Prozent und die Gebrauchtwagenummeldungen um 4 Prozent zu. Voraussichtlich wird
der Autohandel das hohe Wachstumstempo der ersten Monate im weiteren Jahresverlauf nicht halten können und
muss spätestens 2017 wieder mit einer leichten Abkühlung des Fahrzeugabsatzes rechnen – wachstumsdämpfend
wirken vor allem die schwächeren Zuwächse der Haushaltseinkommen und die Tatsache, dass die Nachfrage
2016 wieder ein hohes Niveau erreicht hat.
Auch langfristig werden neue Zulassungsrekorde immer unwahrscheinlicher. Mit 550 Pkw pro 1.000 Einwohner ist der
Motorisierungsgrad in Österreich nicht nur einer der höchsten im europäischen Vergleich (durchschnittlich
500 Pkw pro 1.000 Einwohner) sondern auch eine der jüngsten Europas – mit einem Fahrzeugflotten-Durchschnittsalter
von 7,9 Jahren pro Pkw. Beispielsweise sind in Deutschland auch 550 Pkw pro 1.000 Einwohner registriert aber mit
einem Durchschnittsalter von neun Jahren.
„Der gesamte Pkw-Bestand in Österreich wird weiter wachsen, nicht zuletzt aufgrund der in den nächsten
Jahren noch rasch steigenden Bevölkerungszahlen und der unverändert hohen Bedeutung des Autos im Alltag
der Österreicher“, resümiert Wolf von der Bank Austria. Voraussichtlich bleiben aber die Wachstumsraten
unter jenen der letzten fünfzehn Jahre, als die Zahl registrierter Pkw in Österreich um durchschnittlich
1,1 Prozent pro Jahr zulegte. Im Vergleich dazu ist der Bestand in den 80er- und 90er-Jahren um mehr als 3 Prozent
jährlich gestiegen.
Angespannte Ertragslage im Autohandel
Die Ertragslage der Autohändler hat sich in den letzten Jahren sukzessive verschlechtert, wie der Rückgang
der Umsatzrentabilität der Unternehmen im Sample der KMU Forschung Austria von durchschnittlich 1,7 Prozent
2011 auf 1 Prozent 2015 zeigt. Verantwortlich dafür waren in erster Linie die rückläufigen Absatz-
und Umsatzzahlen, die den Konkurrenz- und Preisdruck verschärften und in weiterer Folge die Händlermargen
vor allem im Neuwagensegment unter Druck brachten. Die stark gestiegenen Tages- und Kurzzulassungen sind ein Indikator
dafür, dass sich die Kluft zwischen neu zugelassenen und tatsächlich zu Neuwagenkonditionen verkauften
Autos erheblich verbreitert hat. 2015 wurden 41 Prozent aller neu registrierten Pkw in Österreich innerhalb
von 60 Tagen wieder abgemeldet, mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Erst die Erholung des Automarktes
2016 – im ersten Halbjahr ist auch die Zahl der Tageszulassungen um ein Fünftel gesunken – lässt zumindest
einen Stopp der Ertragserosion bei den Kfz-Händlern erwarten.
Günstige Pkw-Anschaffungskosten
Die hohe Zahl an Demofahrzeugen und Jungwagen, die unter dem Listenpreis an Private verkauft werden, bremsen einerseits
die Erträge des Autohandels, dämpfen aber andererseits auch die Pkw-Anschaffungskosten der Konsumenten.
In den letzten zehn Jahren sind die Kosten für den Kauf von neuen und gebrauchten Pkw von privaten Haushalte,
trotz des Trends zu stärker motorisierten, vielfach teureren Fahrzeugen, sogar um 0,4 Prozent gesunken.
Wesentliche Kostentreiber waren die Instandhaltungs- und Reparaturleistungen, die seit 2005 um 42 Prozent teurer
wurden. Die Treibstoffpreise sind um 19 Prozent gestiegen und die Autokosten insgesamt um 14 Prozent. Für
die Anschaffung und den Betrieb privater Verkehrsmittel verwendeten Österreichs Haushalte 2015 etwa 10 Prozent
ihrer Konsumbudgets beziehungsweise 5,6 Milliarden Euro für die Anschaffung und 11,4 Milliarden Euro für
den Erhalt und Betrieb der Fahrzeuge – annähernd so viel wie für die Anschaffung von Nahrungsmittel
und Getränken.
Teure Werkstattleistungen im europäischen Vergleich
Mit der jüngsten Reform der Gruppenfreistellungsverordnung, dem zentralen Regelwerk im Fahrzeughandel und
Servicebereich, ist die Zahl der Wettbewerber im Servicemarkt gestiegen. Hingegen wurde das Ziel günstigerer
Werkstattpreise verfehlt – im Gegenteil: Die Kfz-Reparaturen und Serviceleistungen wurden in den letzten Jahren
überdurchschnittlich rasch teurer. Bank Austria Ökonom Wolf: „Von 2013 bis 2015 legten die Preise für
Kfz-Werkstattleistungen in Österreich um durchschnittlich 3,1 Prozent im Jahr zu, im ersten Halbjahr 2016
um weitere 3,2 Prozent. In derselben Periode wurden die Leistungen im EU-Schnitt nur um durchschnittlich 1,7 Prozent
teurer. Die relativ hohen Zuwächse der Werkstattpreise lassen sich nur zum Teil mit der zunehmenden Komplexität
der Leistungen und Kfz-Einzelteile erklären. Zum Teil alimentieren die Unternehmen damit auch die Ertragsschwäche
im Fahrzeughandel.“
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