Österreichisch-polnische Roma-Gedenken in Polen

 

erstellt am
09. 08. 16
11:00 MEZ

Gedenksteinenthüllung bei Chelmno nad Nerem
Chelmno nad Nerem/Wien (botschaft warschau) - Eine große und hochrangige politische, kirchliche und Roma-Delegation aus Österreich nahm am 2. und 3. August 2016 an den österreichisch-polnischen Gedenken zum 75. Jahrestag der Vertreibung der Hälfte der Österreichischen Roma und Sinti nach Lódz und in der Folge deren Ermordung im Vernichtungslager Kulmhof bei Chelmno nad Nerem teil.

Die LandtagspräsidentInnen des Burgenlands, Christian Illedits, und der Steiermark, Dr.in Bettina Vollath, erinnerten am 2. August bei der Feier an der Gedenkstätte an die burgenländischen Roma in Lódz an die Gräuel, welche über 5000 österreichische Roma hier erleben mussten – und welche Hunderte nicht überleben - und legten Kränze nieder. Vertreter der römisch-katholischen, lutherischen und jüdischen Glaubensgemeinschaften sprachen Gebete am Gedenkmal. Der österreichische Botschafter, Dr. Thomas M. Buchsbaum, meinte, dass Minderheiten auch noch in vielen entwickelten Demokratien eine Politik der "positiven Diskriminierung" benötigen, um der Mehrheit rechtlich wie tatsächlich gleichgestellt zu sein. Gleichzeitig damit gehe es auch darum, Hassreden in der Öffentlichkeit und im Internet aufzuzeigen, bloßzustellen, zu unterbinden und strafrechtlich zu verfolgen. Denn die Akzeptanz von Hassreden bedeute die Förderung von Intoleranz, die leicht in physische Gewalt umschlagen könne.

Am 3. August wurde im Wald beim ehemaligen Vernichtungslager Kulmhof gemeinsam durch den Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma, Christian Klippl, und den Präsidenten des Polnischen Roma-Verbands, Roman Choinacki, ein Gedenkstein an die dort in „Gaswagen“ durch deren Auspuffgase ermordeten rund 4300 österreichischen Roma enthüllt. Der Festakt stand unter dem Ehrenschutz des polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda und des österreichischen Bundespräsidenten. Präsident Duda, Premierministerin Beata Szydlo, Parlamentspräsident Marek Kuchcinski, der polnische Volksanwalt Adam Bodnar und zahlreiche andere polnische PolitikerInnen sandten Grußbotschaften. Parlamentsabgeordnete, regionale und lokale politische VertreterInnen nahmen persönlich am Festakt teil. Der für Roma zuständige österreichischen Weihbischof Dr. Franz Scharl segnete gemeinsam mit dem polnischen Weihbischof Damian Bryl den Gedenkstein. Botschafter Buchsbaum regte an, in dessen Gedenken auch den vor kurzem verstorbenen Gründer und Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma, Prof. Rudolf Sarközi, „diesen großen österreichischen Roma-Vertreter und -Förderer“, mit zu umfassen.

Botschafter Buchsbaum bezeichnete die Stelle, an welcher der Gedenkstein errichtet wurde, als „das größte Massengrab österreichischer Roma und eines der größten Massengräber österreichischer Nazi-Opfer.“ Er meinte, dass angesichts heutiger Intoleranz und Ausgrenzung von Minderheiten dieser Stein auch Auftrag sein solle, Roma und anderen Minderheiten einen rechtlich wie tatsächlich ebenbürtigen Platz und gleiche Chancen in unserer heutigen Gesellschaft einzuräumen. „Die Qualität von Demokratie und Rechtstaatlichkeit kann auch am Umfang und am Schutz von Minderheitenrechten gemessen werden: von ethnischen, religiösen, sprachlichen und sexuellen Minderheiten. Und kein einziger Staat ist dabei perfekt, sondern alle Staaten und alle Gesellschaften sind aufgerufen, sich darin laufend zu verbessern. Auch das ist für mich die Botschaft dieses Steins für das Heute und das Morgen“.

Landtagspräsidentin Vollath meinte, dass sich eine zeitgemäße Erinnerungskultur nicht auf „die unverzichtbaren Enthüllungen von Gedenkstätten, auf wichtige traditionell-rituelle Momente rund um Jahrestage schrecklicher Ereignisse und auf kollektive Betroffenheitsbekundungen beschränken“ dürfe. „Wir dürfen daher nicht müde werden, uns für eine Gesellschaft einzusetzen, die die Rechte eines jeden Menschen schätzt und behütet. Wir brauchen das Bewusstsein, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind und dass unsere Demokratie und Friede die wohl wichtigsten Güter unserer Gesellschaft darstellen. Wir müssen erkennen, welche Verantwortungsoptionen jede und jeder von uns im höchstpersönlichen Handlungsbereich wahrnehmen kann, um eine Kultur des Miteinanders zu fördern und einer Bedrohung durch hetzerische Spaltungstendenzen selbstbewusst und bestimmt entgegentreten zu können.“

Am Tag davor nahm die österreichische Delegation am jährlichen internationalen Roma-Gedenken im Vernichtungslager Auschwitz-II-Birkenau teil, wo etwa 4000 österreichische Roma und Sinti umkamen bzw. ermordet wurden. Landtagspräsident Illedits meinte, es sei unmöglich, die von den Nationalsozialisten in Auschwitz und Birkenau begangenen Grausamkeiten in ihrer Gesamtheit zu begreifen, und dass das Propagieren ideologischer Motive auf Kosten gesamter Bevölkerungsgruppen dem aufgeklärten, humanistischen Potenzial des 21. Jahrhunderts nicht entspreche. „Die Brutalität des ideologischen Mordens im Rahmen der vielen Terrorakte, die die Welt seit Monaten in Atem halten, mahnt uns einmal mehr davor nicht zuzusehen, wenn sich die Geschichte zu wiederholen droht – wenn auch anders ausgerichtet.“

 

 

 

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