Chaos bei Endlagersuche, weiterer Ausbau von AKW an unseren Grenzen hängt von Entscheidung
über Hinkley Point ab"
Linz (lk) - Die Atomenergie steckt europaweit in der Sackgasse, Erneuerbare Energie ist mittlerweile viel
preiswerter. Dadurch sind die Chancen gut, dass das weichenstellende Entscheidungsprojekt Hinkley Point verhindert
werden kann. Falls diese Sensation gelingt, dann sind auch die Ausbaupläne an unseren Grenzen, z. B. in Dukovany
und Temelín, gestoppt. Die Atomindustrie hat uns aber für 50 Jahre Stromproduktion eine strahlende
Hypothek für tausende Generationen hinterlassen - denn jetzt geht es ans Aufräumen des hochradioaktiven,
eine Million Jahre lang strahlenden Atommülls.
Oberösterreich hat keinen Beitrag zur Erzeugung dieses Hochrisikos geleistet, also kämpfen wir auch dafür,
dass wir durch kein Atommüll-Endlager gefährdet werden. Denn es ist nicht auszuschließen, dass
diese - sowohl in Deutschland, als auch in Tschechien - in Grenznähe errichtet werden.
Der aktuelle Stand
Weltweit sind Atomkraftwerke in Betrieb, die bislang 350.000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll erzeugt haben.
Niemand weiß, wo und wie dieser entsorgt werden kann. Er müsste für eine Million Jahre sicher gelagert
werden. Auch in Tschechien fallen tagtäglich durch den Betrieb der AKW hochgiftige Abfälle an. Durchschnittlich
alle 12 bis 24 Monate müssen die verbrauchten Uran-Brennelemente ersetzt werden. Dabei entstehen pro Reaktor
20 bis 30 Tonnen hochradioaktiver Atommüll. Seit Jahren sucht Tschechien ein Atommüll-Endlager. Bisher
weltweit erfolglos. Auch ohne eine Lösung der Entsorgung will Tschechien Atomenergie und damit die Müllproduktion
weiter ausbauen. Mit hochriskanten Laufzeitverlängerungen der Alt-Reaktoren und Ausbauplänen vorrangig
für die Grenz-AKW Dukovany aber auch Temelín. Die Entscheidung über das britische AKW-Neubauprojekt
Hinkley Point ist dafür die grundsätzliche Weichenstellung. Wenn es gelingt, das Projekt zu stoppen,
ist dies der Einstieg in den europäischen Atomausstieg und auch das Ende für den Atomausbau in Dukovany
oder Temelín.
Heftige Kritik übt LR Anschober an der Politik in den AKW-Betreiberländern wie Tschechien: "Seit
Jahrzehnten unterstützt man den Betrieb von Atomkraftwerken, obwohl es für die Entsorgung der tausenden
Tonnen hochradioaktiven Abfalls keine Lösungen gibt, da Sicherheit für eine Million Jahre - wie erforderlich
- nicht machbar ist. Damit wurde für etwa 50 Jahre Energieerzeugung eine hochgiftige Hypothek für tausende
Generationen geschaffen. Ich werde alles dafür tun, dass die Endlagerpläne nicht in Grenznähe,
ob in Tschechien oder aktuellen Diskussionen nach auch in Bayern, verwirklicht werden, um zu verhindern, dass Oberösterreich
dieses Risiko für historische Zeiten mittragen muss. Denn Österreich hat durch einen klugen Bürgerentscheid
keinen Beitrag zur Erzeugung des Atommülls geleistet, also dürfen wir auch durch die Entsorgung nicht
gefährdet werden."
Endlagersuche in Deutschland - Kooperation gegen grenznahes Endlager in Bayern und Tschechien
Auch in Deutschland wurde Jahrzehnte hindurch Atommüll produziert. Jetzt ist der Atomausstieg durchgesetzt
und zur Hälfte bereits umgesetzt, nun geht es ans Aufräumen: Nach zwei-jährigen Beratungen hat die
deutsche Endlager-Kommission nun ihren Bericht abgegeben und Kriterien für die Suche nach einem sicheren Standort
für ein nationales Atommüll-Endlager festgelegt. Sobald der Bundesrat, voraussichtlich im Herbst, zugestimmt
hat, sollen anhand geologischer Parameter ungeeignete Gebiete ausgeschlossen werden. Im nächsten Schritt werden
ausgehend von einer "weißen Landkarte" Gebiete gesucht, die den Mindestanforderungen entsprechen
und günstige Standortregionen zur weiteren Erkundung ausgewählt.
Nach derzeitigen Plänen soll bis 2023 klar sein, welche Standorte erkundet werden. Bis 2031 soll der endgültige
Endlagerstandort gefunden sein, sodass der Betrieb ab 2050 beginnen könnte. Die deutsche Endlager-Kommission
hat einen Endlagerstandort im Granitgestein nicht ausgeschlossen, weshalb ein zu Oberösterreich grenznahes
Endlager, etwa im Bayerischen Wald, möglich wäre.
LR Anschober dazu: "Österreich hat keinen Atomstrom produziert und damit keine Unmengen hochgefährlich
strahlender Stoffe. Daher haben wir das moralische und politische Recht, alles dafür zu unternehmen, nicht
durch Endlager an unserer Grenze gefährdet zu werden. Wir werden daher in einer engen Kooperation mit den
lokalen Initiativen konsequent daran arbeiten, ein hohes Risiko durch ein Atomendlager im Grenzbereich zu verhindern".
Chaos bei der Endlagersuche in Tschechien - Minister ändert Strategie, unser Protest bleibt
Derzeit werden in Tschechien die abgebrannten Brennstäbe in Containern in Zwischenlagern an den AKW-Standorten
Temelín und Dukovany gelagert. Die endgültige Entsorgung in einem Atommüllendlager ist erst nach
2065 geplant - dafür versucht man seit Jahren einen Standort zu finden. Diese Suche verläuft absolut
chaotisch. Vor drei Wochen kündigte der zuständige Industrieminister Mladek bei einer Pressekonferenz
in Prag an, dass die Endlagersuche nun auf zwei statt bisher sieben potentielle Standorte verringert wird, musste
aber kurz darauf aufgrund von Protesten in den genannten Standort-Gemeinden wieder zurückrudern.
Aktuelle Entwicklung in der Endlagersuche in Tschechien
Die aktuellsten Entwicklungen in den Endlagersuche in Tschechien stellen die Aussagen des Industrieministers
Jan Mládek bei der Pressekonferenz am 14. Juli 2016 dar - wichtig für Oberösterreich: ohne den
grenznahen Standort Boletice.
- in jenen fünf Standorten, wo die Gemeinden den Staat wegen der Genehmigung
der Erkundungsarbeiten klagen, also deutlich gegen die Erkundungsarbeiten bzw. gegen die Errichtung des Endlagers
sind, werden wir nicht mehr um die Verlängerung der Genehmigung ersuchen. Es handelt sich um folgende Standorte
- ?ertovka, B?ezový potok, Magdaléna, ?ihadlo und Hrádek. Die Gemeinden in diesen Standorten
bekommen nächstes Jahr natürlich kein Geld mehr (die sog. Kompensierungen aus dem Atomfonds);
- in den übriggebliebenen Standorten - Horka, Kraví hora - ist die
Bereitschaft der Gemeinden über die Errichtung des Endlagers zu diskutieren vorhanden. Hier wird um die Verlängerung
ersucht;
- wenn sich die Einstellung der Gemeinden in den fünf Standorten ändert,
werden die Erkundungsarbeiten weiter durchgeführt;
- der Termin für die Auswahl des endgültigen Standortes für die
Errichtung des Endlagers bleibt nach wie vor - 2025
- wenn die geologische Lage in den zwei weiterverfolgten Standorten nach den Erkundungsarbeiten
sich als nicht günstig zeigt, werden die anderen fünf Standorte wieder angesprochen. Dies gilt auch in
dem Fall, wenn die Gemeinden aus den zwei Standorten ihren Widerstand zum Ausdruck bringen.
Nach wütenden Reaktionen aus den betroffenen Gemeinden versuchte der Minister die Situation zu beruhigen,
indem er kurz darauf betont hat, es wäre nur sein Vorschlag, die endgültige Lösung müsse erst
die Regierung beschließen. Solange nichts anderes beschlossen ist, gilt der bestehende Plan, nach dem in
allen sieben Standorten die Erkundung durchgeführt wird.
Die Behörde SÚRAO hat am 22. Juli 2016 eine Presseerklärung veröffentlicht, in dem sie weitere
Varianten der Standorte für die Endlagersuche in Ost- und Mittelböhmen und im Karlsbader Kreis präsentiert
hat. Es handelt sich hierbei um Standorte, die bereits früher aufgelistet wurden. Diese befinden sich nicht
in Grenznähe zu Oberösterreich. Unter diesen Ersatzstandorten befindet sich auch nicht mehr der Standort
Boletice, 18 km von der oö. Grenze entfernt - dieser konnte bisher erfolgreich verhindert werden.
Die möglichen Standorte für ein Endlager in Tschechien - und ihre Entfernung zu Oberösterreich
(c) Land OÖ
Stand der geolog. Erkundungen in den potentiellen Standorten
Die Erkundungen werden im geplanten Ausmaß bisher nicht durchgeführt, da die flächendeckenden geochemischen
Arbeiten in drei Standorten nicht genehmigt wurden. Der Antragsteller hat kein einheitliches Verfahren gewählt.
Die Arbeiten werden nirgendwo durchgeführt.
Zudem ist es der Behörde SÚRAO nicht gelungen, die Ausschreibung für den Auftrag zur Prüfung
der Wirtsgesteine in den potentiellen Standorten im Umfang von 200 Mio. CZK (7,5 Mio. Euro) erfolgreich zum Abschluss
zu bringen. Der erfolglose Bieter hat berufen, SÚRAO versucht nun die Leistung mit eigenen Kräften
und mit kleineren Teilaufträgen durchzuführen, das ist jedoch keine Lösung.
Die Erkundungsgebiete wurden von der Behörde nur bis Ende 2016 festgesetzt. Die Verlängerung der "Genehmigungen"
ist bis 1.1.2017 nicht mehr zu schaffen. In den neuen Verwaltungsverfahren haben die Parteistellung wieder u.a.
die Gemeinden und Vereine, Berufungen und Klagen sind also zu erwarten.
Momentan werden nur Begehungen, Monitoring von Staubentwicklung und Radonausgasung, Kartierungen von Quellgebieten
und Quellbrunnen, Messungen zur Mikroseismik, Projektarbeiten und Archivstudien durchgeführt. Der Beginn der
geophysikalischen Messungen ist im Oktober 2016 zu erwarten (mit Rücksicht auf den Stand der Teilaufträge).
Neue Gefahr für Oberösterreich: Umgebung des AKW Temelín könnte in die Liste der Endlagerstandorte
aufgenommen werden - Anfrage an tschechischen Industrieminister
Zwei neue Standorte können als Ergebnis des Projektes Moldanubikum als Standorte in Frage kommen. Es geht
um die Standortsuche in der Nähe der Kernkraftwerke - westlich vom KKW Dukovany und südlich vom KKW Temelín.
Die Behörde SÚRAO hat am 6.6.2016 die Firmen ausgewählt, die diese Standorte begutachten. Die
Firmen sollten eine Machbarkeitsstudie ausarbeiten. Dafür haben sie 20 Monate Zeit. Das heißt, die Termine
im Zeitplan der Endlagersuche müssen wieder verschoben werden - die Auswahl der vier Standorte (aus sieben
bzw. aus neun) ist im Jahr 2018, wie bisher angenommen wurde, nicht mehr realistisch.
Von Seiten der NGOs und Gemeinden in Tschechien wurde eine Unterbrechung der Endlagersuche vorgeschlagen. Es geht
ihnen darum, klare gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen und eine Kriterien-Liste zur Auswahl des am Besten
geeigneten Standortes zu entwickeln. Diese logische Lösung wurde vom Direktor der Behörde SÚRAO
abgelehnt. Dies mit der Begründung, dass dadurch die Kontinuität der Endlagersuche unterbrochen wäre.
Aufgrund der kaum abschätzbaren Situation in Tschechien hat sich LR Anschober in einem Schreiben an den tschechischen
Industrieminister Mladek gewandt. Ein vom Antiatom-Beauftragten DI Dalibor Strasky erstellter Fragenkatalog mit
besonderem Augenmerk auf die Untersuchungen zum Endlagerstandort südlich vom AKW Temelín wurde übermittelt.
Anschober: "Wir wollen Klarheit, was nun wirklich geplant ist!"
Tschechien plant nächste Laufzeitverlängerung für Grenz-AKW Dukovany
Bereits im März des heurigen Jahres wurde die Verlängerung der Laufzeit von Reaktorblock 1 des AKW Dukovany,
nur 120 Kilometer von Oberösterreich entfernt, unbefristet genehmigt. Dieser Block war im Jahr 1985 in Betrieb
gegangen. Nun hat die Betreibergesellschaft CEZ auch für Block 2, dessen Betriebszeit Ende 2016 ausläuft,
eine Laufzeitverlängerung beantragt.
LR Anschober: "Es ist dies ein hochriskanter Trend, der in ganz Europa zu beobachten ist: anstatt teure Stilllegungen
durchzuführen, wird die Betriebszeit erstreckt. Es muss europaweit eine maximale Betriebszeit für AKW
festgelegt und, sofern diese Betriebszeit noch nicht erreicht ist, als Mindestanforderung eine grenzüberschreitende
UVP bei derartigen Anträgen verankert werden."
Bedenklich stimmt auch, dass Betreiber CEZ diesmal bereits gleichzeitig mit dem Ansuchen um Laufzeitverlängerung
auch um eine vorläufige Verlängerung der Betriebsgenehmigung um ein halbes Jahr bis Ende Juni 2017 angesucht
hat. Offizielle Begründung dafür: es wären komplizierte Prüfungen durchzuführen. Nun,
dies sollte man im Regelfall als AKW-Betreiber planen können und das lässt darauf schließen, dass
die technischen Probleme und Reparaturen größer sind als angenommen.
Anschober setzt eine entsprechende Initiative bei der Kommission und hat diese Forderung bereits bei der Umweltreferentenkonferenz
im Juni in Wien als österreichische Linie durchgesetzt. Auch die von Anschober gegründete "Allianz
der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg" wird diese Forderung in den nächsten Monaten intensiv
vorantreiben.
Atomausbaupläne für das AKW Dukovany - das britische AKW-Projekt Hinkley Point stellt die Weichen
Tschechien betreibt seit etwa 1991 die Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Endlager und eine
Lösung - bisher ergebnislos. Doch selbst dies tut den Ausbauplänen der tschechischen Politik keinen Abbruch.
So hat der AKW-Betreiber CEZ erst kürzlich den Antrag auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung zum
Ausbau den AKW Dukovany gestellt.
"Die Frage der Finanzierung eines neuen Reaktorblocks ist allerdings nach wie vor völlig offen. Obwohl
die tschechische Regierung nach dem Aktionsplan bis Ende Juni dieses Jahres darüber entscheiden sollte, gibt
es immer noch keine Unterlagen dazu, das Industrieministerium verspricht diese bis Ende des Jahres", so Antiatom-Beauftragter
DI Strasky.
Die Entscheidung über das britische AKW-Neubauprojekt Hinkley Point ist die historische Weichenstellung über
die Atomenergie in Europa. Wenn sich ein Minimum an wirtschaftlicher Vernunft durchsetzt, dann ist dies der Einstieg
in den schrittweisen gesamteuropäischen Atomausstieg und damit werden auch die tschechischen Atomausbaupläne
gestoppt. Denn ohne Subvention hat kein AKW-Neubau in der EU eine Chance.
Atomenergie ist mittlerweile die teuerste Energieform, ihr Preis steigt im Trend weiter massiv an, während
jener für Erneuerbare Energien kontinuierlich mit der Produktionsmenge sinkt.
Anschober: "Damit ist ein wichtiger Teil unserer Strategie aufgegangen. Jetzt haben wir zusätzlich zu
den Sicherheitsargumenten auch die Wirtschaftsargumente auf unserer Seite."
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