Bischof Zsifkovics am Martinsgrab in Tours – Diözesane Pilgerreise vom 16. bis 20. August
mit Bischof Ägidius J. Zsifkovics nach Frankreich mit Besuch der Lebens- und Wirkstätten des heiligen
Martin
Tours/Eisenstadt (martinus) - Das Vermächtnis des heiligen Martin von Tours, dessen 1700sten Geburtstag in
diesem Jahr gefeiert wird, beinhaltet eine "schier unermessliche Erbmasse von nicht zu überbietender
Aktualität, und das ganz ohne jede Erbschaftssteuer": Darauf verwies der Eisenstädter Diözesanbischof
Ägidius Zsifkovics in seiner Predigt am Mittwoch am Grab des Martinus in der Kathedrale von Tours, die eine
burgenländische Pilgergruppe gemeinsam mit dem Bischof im Zuge der diesjährigen diözesanen Pilgerreise
auf den Spuren des Diözesan- und Landespatrons in Frankreich besuchte. "Das Vermächtnis des heiligen
Martin ermutigt gerade uns Heutige, aus unseren eigenen, komfortabel eingerichteten Komfortzonen hinauszutreten
und entschieden im Geist des Evangeliums Stellung zu beziehen."
Martinus, der Mystiker: "Unschlagbar modern"
Dieses so aktuelle Vermächtnis des vor 1700 Jahren in Pannonien geborenen Heiligen lasse sich anhand dreier
grundlegender Aspekte zusammenschauen: "Zum einen ist Martin die große Einladung, das große Rufzeichen
zur Vereinigung von Lebenswelt und spiritueller Wirklichkeit. Er, der Mensch der Praxis und der konkreten Tat,
stand mit beiden Beinen auf der Erde und war bestens mit den Nöten und Bruchlinien der Welt vertraut",
betont der Bischof in seiner Predigt. Entscheidend sei, dass er sein großes gesellschaftliches Engagement
"wohl nur aus dieser inneren, spirituellen Kraftkammer heraus zu erfüllen und zu bewältigen vermochte".
Gerade als Mystiker sei Martinus heute "unschlagbar modern". Denn Tendenzen der Eindimensionalität,
des Materialismus oder einer relativistischen Verkürzung geistiger und geistlicher Dimensionen bräuchten
ein glaubhaftes Korrektiv, wie es Martin als "Brückenbauer von Himmel und Erde" vorgelebt habe.
Leuchtturm in Zeiten humanistischer Visionslosigkeit
"Das zweite Vermächtnis des Martinus lautet: Überschreitet Grenzen, wenn es zum Wohle der Humanität
geschieht", so der Bischof am Grab des Heiligen in der Kathedrale von Tours. Martin, der in einer von kulturellen,
gesellschaftlichen und politischen Erosionen geprägten Zeitenwende der Völkerwanderung an der Schwelle
zum christlichen Abendland lebte, habe in seinem Selbst- und Weltverständnis, für sich wie für seine
Mitmenschen den "Geist des Evangeliums zur Grundlage seines Handelns und Lebens gemacht". Gerade deshalb
müsse er zum "Leuchtturm werden in einer oftmals von seelischer Leere und humanistischer Orientierungs-
und Visionslosigkeit geprägten Zeit, die wir in vielen Bereichen der europäischen Eliten in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft so schmerzhaft erleben", so der Bischof.
Grenzen überschreiten – auch gegen Moden und Trends
Die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, Offenheit gegenüber dem Anderen, dem Fremden und Neuen
zu zeigen und aus eigenen Komfortzonen herauszutreten, gehe zugleich einher mit der Bereitschaft, "auch unsere
eigenen inneren Grenzen zu verschieben, oft als Gegenbewegung gegen gesellschaftliche Trends und Moden, und immer
in Richtung einer Horizontvertiefung". Dabei dankte der Bischof ausdrücklich allen Pilgerinnen und Pilgern
für die Teilnahme an der diözesanen Wallfahrt, die gerade angesichts des Terrors, von dem Frankreich
so schwer getroffen wurde, keine Selbstverständlichkeit sei.
Martin: Ein Format für zivilisatorische Erneuerung
Einmal mehr betonte der Bischof, dass das Martinsjahr anlässlich des 1700sten Geburtstages des Heiligen
nicht als "bloßer Jubiläumsakt von Patrioten oder Wundersüchtigen" missverstanden werden
dürfe. Die Gestalt des Martinus sei wesentlich brisanter, wesentlich existenzieller, wesentlich gesellschaftspolitischer:
"Sie hat das Format für eine zivilisatorische Erneuerung im Geiste der Nächstenliebe und Gottesliebe
– und das wäre die beste aller Grenzverschiebungen", so Bischof Zsifkovics.
Brückenbauen gegen die Demagogie der Spaltung
Das dritte Vermächtnis des heiligen Martin bringt Bischof Zsifkovics schließlich mit dem Appell,
"baut Brücken, wo Gräben sind!", auf den Punkt: "Martin war ein Friedensstifter und Brückenbauer
und er wurde gerade als Testamentsvollstrecker, als jener, der das Christsein in die gesellschaftliche, die kulturelle
und politische Realität einpflanzte, zum großen Bindeglied zwischen Rom und dem Frankenreich."
Gerade heute brauche es so dringend überzeugende Brückenbauer und Friedensstifter – anstatt Demagogen
im Agitieren und Aufrufen zu Zwietracht und Spaltung. "Brückenbauen, das beginnt bereits im Kleinen.
Denn wie wollen wir die Risse und Spaltungen der Welt überwinden, wenn es uns nicht einmal gelingt, im eigenen
Haus, in der Familie, der Gemeinde, der Arbeit und allen lebensweltlichen Horizonten eigentlichen Frieden zu schaffen",
so Bischof Zsifkovics.
Fünftägige Pilgerreise auf den Spuren des Heiligen
Die fünftägige diözesane Pilgerreise nach Frankreich startete am 16. August mit einem Flug von
Wien nach Paris, von wo aus es nach Tours ging, wo der heilige Martin am 11. November 397 unter großer Anteilnahme
der Bevölkerung beigesetzt wurde. Seine Grabstätte zählt heute zu den wichtigsten Pilgerstätten
der Welt. In Candes St. Martin, wo der Heilige am 8. November 397 verstarb, hielten die Pilger eine Andacht in
der Wallfahrtskirche St. Martin ab.
Auf dem Reiseprogramm stehen Besichtigungen der Basilika St. Martin in Tours, der Kathedrale St. Gatien, von
Ligugé, wo Martin im Jahr 361 das erste Kloster des Abendlandes gründete, und des von Martinus 375
errichteten Klosters Marmoutier. Auch den pittoresken Zauber des Loire-Tals werden die Pilger im Zuge einer Fahrt
vorbei an Amboise, Blois und Chambord mit den weltberühmten Schlossanlagen genießen. In Chartres wird
eine Messe gefeiert, ebenso in der Kirche St. Martin in Paris. In der französischen Hauptstadt sind zudem
eine Stadtrundfahrt und die Besichtigung von Notre Dame und St. Chapelle geplant. Am 20. August wird die Pilgergruppe
den Rückflug nach Wien antreten.
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