Wie die Digitalisierung unser Menschenbild verändert

 

erstellt am
26. 08. 16
11:00 MEZ

ACADEMIA SUPERIOR und Club OÖ diskutieren in Alpbach die Folgen der Digitalisierung
Alpbach/Linz (academia superior) - Was sind die Folgen des digitalen Wandels für unsere Gesellschaft und Arbeitswelt? Wie wird sich unser Verständnis von Freiheit und Identität verändern? Antworten auf diese und andere Fragen suchten der Club Alpbach Oberösterreich und der Think Tank ACADEMIA SUPERIOR bei einem gemeinsam veranstalteten Kamingespräch im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach.

Arbeitswelt, Identität und die Freiheit des Menschen
Mit dem renommierten Philosophen Univ.-Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann von der Universität Wien und Univ.-Prof. Dr. Kurt Matzler, Strategie- und Innovationsexperte der Universität Bozen, diskutierten zwei Impulsgeber der Extraklasse mit dem Humangenetiker und wissenschaftlichen Leiter von ACADEMIA SUPERIOR, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und über 100 Studierenden des Forum Alpbach. Landesrat und ACADEMIA SUPERIOR-Obmann Dr. Michael Strugl betonte in seiner Begrüßung die Notwendigkeit, dass unbequeme Fragen gestellt und offen diskutiert werden. „Aus diesem Grund veranstaltet ACADEMIA SUPERIOR Treffen wie diese, um ergebnisoffen und faktenorientiert über die Erfordernisse der Zukunft zu sprechen“, so Strugl. Auch die Präsidentin des Club Alpbach OÖ Jasmin Berghammer, MSc, schätzt diese Möglichkeit zum Gedankenaustausch zwischen Studierenden und Wissenschaftern.

Künstliche Intelligenz außer Kontrolle?
Müssen wir unser Verständnis von „Arbeit“ und deren Bedeutung radikal verändern, wenn Maschinen intelligenter werden und immer mehr Arbeitsbereiche automatisiert werden? Was machen wir, wenn künstliche Intelligenzen lernen, sich selbst weiter zu entwickeln? „Dieser Punkt wird kommen und die Entwicklung wird ab dann nicht mehr lenkbar sein“, führte Matzler aus, woraufhin Liessmann betonte: „Die Hoheit über den Stromstecker muss der Mensch behalten“. Generell warnte Liessmann vor dem „schleichenden Entstehen einer digitalen Kontrollgesellschaft, wenn die Menschen ihre Entscheidungsfähigkeit zunehmend an Maschinen delegieren. Denn Unmündigkeit ist angenehm“, so der Philosoph.

Als positives Beispiel der künstlichen Intelligenz zum Nutzen der Menschheit wurde das Computersystem Watson genannt, das als Assistenzsystem für Ärzte auch seltene Krankheiten dank Datenabgleich mit Millionen Einträgen sehr rasch diagnostizieren kann. Doch auch dieses wirft sowohl Fragen der künftigen Qualifizierung von Ärzten als auch Haftungsfragen bei Fehldiagnosen oder Fehlentscheidungen auf. Vom potenziellen Ende des freien Willens sprach Matzler, wenn Menschen zunehmend aufgrund von bestimmten Merkmalen automatisiert bewertet werden und ihr zukünftiges Verhalten durch Computer vorhergesagt wird. „Wird es einmal so weit sein, dass manche Menschen keinen Führerschein mehr machen dürfen, weil eine Big Data-Analyse prognostiziert, dass sie wahrscheinlich schlechte Fahrer sein werden?“, fragte Matzler.

Die Digitalisierung bremsen oder offensiv mitgehen?
Allen Gefahren zum Trotz wird die Digitalisierung immer größere Bereiche unserer Gesellschaft verändern, zeigte sich Kurt Matzler überzeugt: „Denn die prognostizierten Gewinne aus der Digitalisierung sind für Europa doppelt so hoch wie die potenziellen Verluste, die durch eine weitere Automatisierung und Digitalisierung entstehen könnten. Man kann die Digitalisierung nur bremsen, sicher nicht aufhalten“. Hier widersprach der Philosoph: „Digitalisierung ist kein Naturgesetz. Wenn sich die Gesellschaft dagegen entscheidet, wird sie auch nicht weiter vorangetrieben werden. Eine kleine politische Krise und Silicon Valley ist eine Fußnote der Geschichte. Dies ist ein Umstand den wir nicht vergessen sollten“, erklärte Liessmann abschließend.

Weitreichende Fragen der Studierenden
Die zahlreichen kontroversen Fragen der Stipendiatinnen und Stipendiaten brachten zusätzlichen Schwung und eine Vielfalt an weiteren Aspekte in die Diskussion: Wie steht es um die menschliche Freiheit in der „schönen neuen Welt“? Wer übernimmt Haftungsfragen für Fehlentscheidungen künstlicher Intelligenzen? Bringt Technologie neue Abhängigkeit? Welche kulturelle Signifikanz hat Arbeit? Welche Folgen hat Digitalisierung für die Gesellschaft und Umwelt? Brauchen wir eine Wertschöpfungsabgabe um unseren Wohlfahrtsstaat erhalten zu können?

Die Debatte zeigt, dass das Menschenbild 2.0 im Angesicht der Digitalisierung noch viel Stoff für Diskussion bietet. Die Möglichkeit, diesen Diskurs führen zu können, ist die „schöne neue Welt“, wie Strugl abschließend betonte.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.academia-superior.at

 

 

 

 

 

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