Unzmarkt-Frauenburg/Wien (öaw) - Kunsthistoriker/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
identifizierten auf der Frauenburg Teile des ältesten Glasgemäldes der Steiermark. Die romanischen Abbildungen
liefern neue Einblicke in ein mittelalterliches Kunstnetzwerk, das sich von Deutschland über Österreich
bis Italien erstreckt haben könnte. Darüber berichten die Wissenschaftler/innen nun in der Österreichischen
Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege.
Ein detailreich ausgearbeitetes Männergesicht und die konzentrischen Falten eines Kleidungsstücks – diese
kunstvollen Zeichnungen auf Glas brachten archäologische Grabungen aus den Überresten der Kirche St.
Jakob auf der steirischen Frauenburg zum Vorschein. In eingehenden Untersuchungen der nur wenige Zentimeter großen
Glasstücke konnten Wissenschaftler/innen des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen (IKM)
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun das Alter dieses Fundes feststellen. Es handelt
sich bei den beiden Stücken, die vom wissenschaftlichen Verein FIALE (Forschungsgruppe zur interdisziplinären
Aufarbeitung landeskulturellen Erbes) gehoben wurden, um Fragmente eines Glasgemäldes, das um 1250 gefertigt
worden sein dürfte. Und damit noch vor der Verbreitung des gotischen Stils, was die Funde zu den ältesten,
bisher in der Steiermark bekannten Glasmalereien macht.
Den Forscher/innen Christina Wais-Wolf und Günther Buchinger vom IKM zufolge, die die Ergebnisse ihrer Untersuchungen
kürzlich in der Österreichischen Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege veröffentlichten,
stellen die Glasmalereien in zweifacher Hinsicht einen Glücksfall dar. „Einerseits bereichern die beiden Fragmente
den sehr geringen Bestand an romanischer Glasmalerei des 13. Jahrhunderts in Österreich wesentlich.“ „Andererseits“,
so die Kunsthistoriker/innen weiter, „ergab die Analyse des Fundes ein überraschendes stilistisches Nahverhältnis
zu Glasmalereien in der Basilika San Francesco in Assisi.“
Austausch über die Alpen
Für die kunsthistorische Forschung ist dieser Befund insofern von größtem Interesse, da die Herkunft
der Künstler, die die betreffenden Kirchenfenster im italienischen Assisi schufen, in der Forschung bislang
nicht eindeutig identifiziert werden konnte. Es könnte sich dabei sowohl um Mainzer und Erfurter als auch
um Salzburger Glasmaler gehandelt haben. Auch die Frage, über welche geographischen Wege der künstlerische
Austausch zwischen dem nördlichen und südlichen Alpenraum erfolgte, ist noch nicht hinlänglich erforscht.
Der neu entdeckte steirische Fund stellt für die zukünftige Beantwortung dieser Fragen ein wichtiges
Bindeglied dar. Vorstellbar ist etwa, dass Künstler auf dem Weg von Mainz, Erfurt oder Salzburg nach Assisi
hier Auftragsarbeiten verrichteten. Denkbar ist aber auch, dass die Künstler von Frauenburg als auch von Assisi
aus einer Salzburger Werkstatt stammten.
Für die IKM-Forscher/innen steht in jedem Fall fest: „Der Frauenburger Fund ist ein überaus interessantes
Puzzle-Teilchen. Wir sind überzeugt, dass die Kunstgeschichtsforschung ihm künftig einiges Augenmerk
schenken wird.“
Publikation
Mittelalterliche und neuzeitliche Glasmalerei: Erforschung und Restaurierung.
Christina Wais-Wolf, Günther Buchinger. Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege,
hrsg. vom Bundesdenkmalamt, 2016, Heft 1/2, 78-89
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